Sitzung vom 20. März 1912 Verichterſtatter Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! Ein Teil unſerer Beamten, die aus dem Militäranwärterſtande hervorgegangen ſind, hat dar⸗ um petitioniert, daß ihnen ein Teil der militäriſchen Dienſtzeit auf ihr Beſoldungsdienſtalter angerechnet wird. Sie berufen ſich in der Begründung darauf, daß der Reichstag im Jahre 1906 eine Reſolution gefaßt hat, die den Herrn Reichskanzler erſucht, darauf hinzuwirken, daß im Reichsdienſt ſowie in allen Bundesſtaaten uſw. und bei den Kom⸗ munalbehörden uſw. allen Militäranwärtern bei der Feſtſetzung ihres Beſoldungsdienſtalters von der Militärdienſtzeit ein entſprechender Teil angerechnet wird. Im Reich und im Staat iſt dementſprechend in den Jahren 1908 und 1909 eine gewiſſe Regelung er⸗ folgt, und zwar gemäß einer Kabinettsorder des Königs. Meine Herren, wir haben ſeinerzeit bei der Be⸗ ratung des Normaletats uns auch mit dieſen Ver⸗ hältniſſen eingehend beſchäftigt, und dabei iſt damals anerkannt worden, daß eine gewiſſe Ungleichheit zwiſchen Militär⸗ und Zivilanwärtern vorhanden wäre, daß die Zivilanwärter in ſehr jugendlichem Alter in Stellungen kämen, die von den Militär⸗ anwärtern erſt in höherem Lebensalter erreicht wür⸗ den. Um dieſe Disparität in etwas zu beſeitigen, ſo⸗ weit es ginge, hat damals der Magiſtrat vorgeſchlagen, für die Zivilanwärter in den verſchiedenen Katego⸗ rien, die in Betracht kommen, ein gewiſſes Minimal⸗ lebensalter feſtzuſetzen. Die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung hat ſich dem angeſchloſſen, und wir haben ſeitdem dieſe Regelung gehabt. Die Stadt Charlottenburg hat überhaupt die Militäranwärter jederzeit mit dem größten Wohl⸗ wollen behandelt. Das geht unter anderem daraus hervor, daß wir in einer Kategorie, wo wir nach dem Geſetz nur die Hälfte Militäranwärter zu haben brauchten, in den Klaſſen I1I11 und IV, unter 391 Be⸗ amten 328 Militäranwärter und nur 63 Zivil⸗ anwärter haben; meine Herren, ein Beweis, daß die Stadt Charlottenburg möglichſt für die Militär⸗ anwärter geeignete Stellen zu ſchaffen ſucht. An⸗ dererſeits haben wir bei der Beratung des Normal⸗ etats die Gehälter ſelbſt ſo bemeſſen, daß ſich die Militäranwärter in keiner Weiſe beklagen können, gegenüber den Verhältniſſen, die in Berlin und an⸗ deren Vororten herrſchen, daß wir mit den anderen Kommunen getroſt konkurrieren können, ſelbſt wenn dieſe Kommunen, wie es teilweiſe der Fall iſt, ein, zwei oder drei Jahre der Militärdienſtzeit anrechnen. Zum Beweiſe deſſen ſei folgendes angeführt. Die Sekretariatsaſſiſtenten und das iſt ja die Kategorie, die im weſentlichen in Betracht kommt — fangen bei uns mit 2600 ℳ an, dagegen in Berlin mit 1425 ℳ, alſo mit nicht viel mehr als der Hälfte, und zwar wird das erſte Jahr als Probejahr ange⸗ ſehen, ebenſo wie Schöneberg und Wilmersdorf über⸗ haupt ein Probejahr für dieſe Beamten eingeſetzt haben, was wir nicht kennen; wir ſtellen die Militär⸗ anwärter ſofort an. Erſt wenn Berlin ſelbſt drei Jahre anrechnen würde was es nicht tut dann würden die Militäranwärter dort nach dem Probe⸗ jahr 2500 ℳ haben, während ſie bei uns mit 2600 % gleich anfangen. In Schöneberg haben ſie im Probe⸗ jahr ein Gehalt von 2300 ℳ, in Wilmersdorf von 1725 ℳ. Bei Anrechnung von wiederum drei Jahren auf ihre Dienſtzeit — alſo bei Anrechnung von einer Zeit, die auch gar nicht einmal in der Kabinettsorder 153 vorgeſehen iſt —, würden ſie nach dem Probejahr erſt 2600 ℳ haben, während ſie bei uns von vorn⸗ herein 2600 ℳ haben. Meine Herren, unter dieſen Umſtänden hat der Petitionsausſchuß ſich auf den Standpunkt geſtellt, daß, ſowie wir hier eine Aenderung vornehmen wür⸗ den, das eine Aenderung des Normaletats bedeuten würde, und da wir grundſätzlich ja an dem Normaletat nicht rütteln wollen und andererſeits auch keinen Anlaß haben, nun unſere Beamten noch günſtiger gegenüber den anderen Vororten zu ſtellen, als es bereits jetzt der Fall iſt, ſo haben wir geglaubt, Ihnen empfehlen zu ſollen, dieſe Petition dem Magiſtrat lediglich als Material für die nächſte allgemeine Reviſion des Normaletats zu überweiſen. Sie können vielleicht ſagen, man müßte über die Petition zur Tagesordnung übergehen. Meine Herren wir haben das nicht getan, weil Verhand⸗ lungen mit den übrigen Kommunen ſchweben. Berlin hat wohl die Anregung dazu gegeben, und die ver⸗ ſchiedenen Vororte ſind über dieſe Sache auch in Ver⸗ handlung getreten. Wir wollten daher in dieſe Ver⸗ handlungen nicht durch einen zu ſchroffen Antrag ein⸗ greifen. Ob die anderen Vororte ſich nicht vielleicht unſerm Prinzip anſchließen, das ſei noch dahingeſtellt. Jedenfalls können wir zurzeit wohl nichts weiter tun, als dem Magiſtrat die ganze Angelegenheit als Material für die nächſte Reviſion des Normaletats zu überweiſen, was ich hiermit empfehle. Bürgermeiſter Matting: Obgleich die Auf⸗ faſſung des Magiſtrats im Petitionsausſchuß volle Billigung gefunden hat, möchte ich doch um die Erlaubnis bitten, die Geſichtspunkte des Magiſtrats hier im Plenum noch mit einigen Strichen beleuchten zu dürfen. Ich kann wohl ſagen: die Forderung dieſer all⸗ gemeinen Militäranwärter⸗Petition macht mit Bezug auf die Stadt Charlottenburg eigentlich vollſtändig den Eindruck der Arbeit nach Schema F. Es iſt von der Zentralſtelle aus die Parole ausgegeben: An⸗ rechnung der Militärdienſtzeit, und dieſe Parole ſetzt ſich nun in die entſprechende Petition in allen Kom⸗ munen um, ob ſie paßt oder ob ſie nicht paßt. Nach meiner Meinung paßt ſie in der Stadt Charlotten⸗ burg jedenfalls nicht. Ganz abgeſehen davon, daß, wie der Herr Referent bereits ausgeführt hat, ſchon in dem Zahlenverhältnis zwiſchen Zivilanwärter und Militäranwärter in unſerer Verwaltung zum Aus⸗ druck kommt, in welch hervorragendem Maße die Militäranwärter hier bevorzugt werden, ergibt ſich noch folgende Erwägung, die dazu führt, die Petition für Charlottenburg als nicht geeignet zu bezeichnen. Meine Herren, die Petition auf Anrechnung der Militärdienſtzeit kann doch nur dann einen Sinn haben, wenn man meint, durch die Anrechnung der Militärdienſtzeit die Inkongruenz zwiſchen Zivilan⸗ wärtern und Militäranwärtern ausgleichen zu müſſen, das heißt Mißverhältniſſe, die darin beſtehen, daß die Zivilanwärter erheblich früher zur Anſtellung kommen als die Militäranwärter. In einer Ver⸗ waltung, wo eigentlich überhaupt ſchon kaum Zivil⸗ anwärter vorhanden ſind, kann man ſchon aus dieſem Geſichtspunkt ſagen: hier hat die Petition eigentlich wenig Sinn. Denn die Inkongruenzen ſind prozen⸗ tual minimal. Sie ſind minimal und kommen bei uns überhaupt nur in der Aſſiſtentengruppe vor. Denn in allen Gruppen der Unterbeamten herrſcht der Militäranwärter erkluſiv; es gibt in dieſen Gruppen gar keine Zivilanwärter. Meine Herren, da frage