156 Vorſteher Kaufmann: V. Petitionen des Vereins Kaiſer⸗Friedrich⸗ Dahlmannſtraße, des Mietervereins zu Char⸗ lottenburg 1 betr. Durchlegung der Kaiſer⸗ Friedrich⸗Straße und Bau e i nes neuen Bahnhofsgebäudes. (Die Beratung wird eröffnet.) Berichterſtatter Stadto. Mottek: Meine Herren! Der Verein Kaiſer⸗Friedrich⸗Dahlmannſtraße ſowie der Mieterverein von Charlottenburg haben an den Magiſtrat und an die Stadtverordnetenverſammlung eine Petition gerichter, worin ſie bitten, wegen Unterführung der Kaiſer⸗Friedrich⸗Straße unter den Bahntörper ſowie wegen Errichtung eines neuen Bahnhofsgebäudes, welches der Würde der Stadt Charlottenburg entſprechen ſoll, nötigenfalls unter finanziellen Opfern der Stadt, mit der Eiſenbahn⸗ verwaltung in Verhandlung zu treten. Meine 111 die Unterführung der Kaiſer⸗ Friedrich⸗ Straße hat uns ſchon des öfteren beſchäftigt. In der Magiſtratsvorlage vom 2. Juni 1910 betreffend die 42½ Millionen⸗Anleihe war die Unterführung dieſer Straße mit 721 000 ℳ vorgeſehen. Der Ausſchuß, welcher die Vorlage zu beraten hatte, beſchloß je⸗ doch, dieſen Poſten zu ſtreichen. Er tat dies nicht etwa deshalb, weil er die Unterführung nicht für notwendig erachtete; nein, er war ſich vollſtändig darüber klar, daß die Unterführung der Kaiſer⸗ Friedrich⸗Straße, durch welche der nördliche und der füdliche Stadtteil verbunden werden ſollte, im Inter⸗ eſſe des öffentlichen Verkehrs dringend erforderlich ſei und auch weſentlich zur Hebung des ganzen Stadt⸗ viertels beitragen würde. Er war jedoch mit dem Magiſtrat der Anſicht, daß dieſe Unterführung nur in Verbindung mit dem Neubau des Bahnhofes er⸗ folgen könne, und weil dieſer Neubau während der nächſten drei Jahre, für deren Bedürfniſſe die An⸗ leihe Vorſorge zu treffen hatte, nicht in Ausſicht ſtand, hat ſowohl der Ausſchuß als auch ſpäter die Stadtverordnetenverſammlung die Mittel für die Unterführung abgelehnt. Wie nun aus den Ausführungen der Petenten und aus den in der Petition mitgeteilten Verhand⸗ lungen des Vorſtandes des Vereins Kaiſer⸗Friedrich⸗ Dahlmannſtraße mit der Eiſenbahnverwaltung her⸗ vorgeht, würde der Neubau des Bahnhofs ſchon jetzt zu erreichen ſein, wenn die Stadt Charlottenburg bereit wäre, einen angemeſſenen Teil zu den Koſten dieſes Neubaues beizutragen. Meine Herren, in der Sitzung des Petitions⸗ ausſchuſſes hat uns der Herr Magiſtratsvertreter ſtatiſtiſche Angaben gemacht, wonach der Verkehr auf dem Bahnhof Charlottenburg einen ſolchen Umfang angenommen hat, daß er bereits größer iſt als der Verkehr auf dem Bahnhof Friedrichſtraße. Ich ſollte nun meinen, daß der Eiſenbahnfiskus die Pflicht hätte, auch ohne Zuſchuß der Stadt ſchon im Inter⸗ eſſe des öfentlichen Verkehrs einen neuen Bahnhof zu bauen, (Sehr richtig!) zumal der alte Bahnhof für den Verkehr nicht mehr ausreicht und auch äußerlich nur den Eindruck eines Schuppens macht. Sitzung vom 20. März 1912 Die Koſten für die Unterführung der Kaiſer⸗ Friedrich⸗Straße müßten ſelbſtverſtändlich von der Stadt getragen werden. Der Magiſtrat ſteht ſchon ſeit längerem mit der Eiſenbahnverwaltung in Verhandlung. Deshalb hat der Petitionsausſchuß beſchloſſen, dieſe Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Mir wurde vorhin nach ein Schreiben von dem Haus⸗ und Grundbeſitzerverein von 1895 übergeben, welcher ſich dieſer Petition des Vereins Kaiſer⸗ Friedrich⸗Dahlmannſtraße anſchließt. Wenn ſie dieſes Schreiben als Petition betrachten, wäre ſie hiermit auch wohl erledigt. Stadtv. Klau: Meine Herren! Ich muß hier offen geſtanden ſagen, daß wir bezüglich eines Neu⸗ baues des Bahnhofs Charlottenburg viel zu be⸗ ſcheiden geweſen ſind. Der Magiſtrat muß meiner Anſicht nach den Vorwurf von mir entgegen nehmen, (Heiterkeit) daß er nicht ſchon längſt lauter an die Tür des Mi⸗ niſters der öffentlichen Arbeiten geklopft und ge⸗ ſagt hat: wir brauchen einen neuen Bahnhof. Wir haben gehört: es iſt zahlenmäßig bewieſen, daß der Bahnhof Charlottenburg bezüglich des Verkehrs einer der größten Bahnhöfe Deutſchlands iſt. Daher glaube ich, daß wir ganz entſchieden darauf dringen müſſen und nicht warten dürfen, bis der Eiſenbahnfiskus ſich entſchließt, vielleicht in zehn Jahren einen neuen Bahnhof zu bauen, wie ja neulich bei einer andern Gelegenheit geſagt worden iſt. Gerade jetzt iſt die Notwendigkeit vorhanden, daß der Bahnhof gebaut werden muß, da der Verkehr ſo ſtark angewachſen iſt. Ich glaube, daß wir voll und ganz berechtigt ſind, bei der Eiſenbahndirektion vorſtellig zu werden und zu ſagen, ſie müſſe unter dieſen Umſtänden uns einen neuen Bahnhof bauen. Die Finanzen der Eiſenbahnverwaltung liegen ſo günſtig, die Ueber⸗ ſchüſſe der Eiſenbahnen ſind wieder ſo koloſſal ge⸗ weſen, daß der Eiſenbahnfiskus dieſe Ueberſchüſſe nicht allein in die Taſchen der Allgemeinheit werfen darf, ſondern auch daran zu denken hat, daß er für das Objekt, aus dem er die Einnahmen erzielt, auch notwendige Verbeſſerungen zu ſchaffen hat, um den Verkehr zu unterſtützen und weiter auszudehnen. Nach meiner Ueberzeugung müſſen wir jetzt dafür Sorge tragen, daß der Bahnhof baldigſt gebaut wird; dies müſſen wir beim Eiſenbahnminiſter durchzu⸗ ſetzen verſuchen. Daß gerade die Stadt Charlottenburg etwas dazu geben ſoll, das kann ich nicht begreifen, wenn man hört, daß z. B. eine Stadt wie Görlitz, die noch nicht die Hälfte der Einwohnerzahl von Charlotten⸗ burg hat, ein Bahnhofsgebäude bekommt, das dem Fiskus 10 Millionen koſtet. Dieſe 10 Millionen Mark ſind für einen Bahnhof von Charlottenburg nicht erforderlich: unſer Bahnhof ſtellt ſich weſentlich billiger; was aber der Fiskus für eine Stadt wie Görlitz ausgibt, das kann er auch für eine Stadt wie Charlottenburg ausgeben. Wir müſſen meiner Ueberzeugung nach energiſcher darauf dringen. Der Herr Referent hat voll und ganz recht, wenn er ſagte: der Bahnhof entſpricht nicht der Würde der Stadt Charlottenburg. Ich möchte dringend bitten, daß wir uns in dieſer Beziehung nicht beſcheiden laſſen und energiſch darauf drängen, daß wir in irgend⸗ einer Weiſe auch zu unſerm Recht gelangen. Ich glaube, es iſt ein Recht der Stadt Charlottenburg,