Sitzung vom 20. März 1912 Denn es erſcheint nicht gerechtfertigt, Unter⸗ ſtützungen aus ſtädtiſchen Mitteln, die von der Geſamtheit der Bürgerſchaft aufgebracht werden, an Anſtalten zu gewähren, die die Kinder eines Teils der beiſteuernden Mitbürger ausſchließen. Meine Herren, wir ſind der Anſicht, daß es auf dem Wege der Gewährung von Beihilfen an die Lehrer und die Lehrerinnen in Geſtalt von Verſicherungen möglich iſt, einen Druck auf die Leiterinnen der Schulen auszuüben dahingehend, daß es ihnen in Zukunft unmöglich gemacht wird, jüdiſche Kinder 3z. B. abzuweiſen. Wir ſind der Anſicht, daß, wenn fünftig die Gewährung von Beihilfen an die Lehr⸗ perſonen in dieſer Form von der Bedingung ab⸗ hängig gemacht wird, daß Schulleiterinnen in Zu⸗ kunft die jüdiſchen Kinder nicht ganz ausſchließen, ſich dann kaum viele Lehrperſonen, die an Privat⸗ anſtalten tätig ſind, finden werden, die alsdann nicht geneigt ſind, auf die Leiter der Schulen einen Druck dahin auszuüben, daß ſie dieſe Gepflogenhrit an und für ſich fallen laſſen. Bedenken Sie, daß hier Gelegenheit gegeben iſt, ein Stück Intoleranz zu be⸗ ſeitigen, der Intoleranz wieder ein Stückchen Boden abzugraben. (Sehr gut!) Mag dieſes Stückchen noch ſo klein ſein, die Gelegen⸗ heit bietet ſich doch ſo ſelten. Wir beantragen alſo die Verweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß von 15 Mitgliedern. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren! Ich möchte nicht den Schein aufkommen laſſen, als ob der Magiſtrat etwa dieſe Intoleranz billigen und durch ſeine Vorlage hier beſtätigen und erhalten wolle. Im Gegenteil, wenn es gelänge, dieſe Unduldſamkeit zu beſeitigen, ſo wäre es durchaus dem Magiſtrat erwünſcht, und gerade in dieſem Sinne hat er die Vorlage in ihren beiden erſten Teilen formuliert. Um dieſe Unduldſamkeit nicht zu unterſtützen, hat er ausdrücklich in der Vorlage feſtgelegt, daß die unter Nr. 1 a und b vorgeſehenen Unterſtützungen derar⸗ tigen konfeſſionell geſonderten Schulen vorenthalten bleiben ſollen. Wenn er ſich entſchloſſen hat, von dieſem Grundſatze, den er an die Spitze geſtellt hat, bei der Gewährung von Beihilfen für die Verſicherung der Lehrerinnen abzuweichen — im übrigen iſt das ja ein Thema, mit dem wir uns in ſeinen Einzel⸗ heiten noch einmal hier beſchäftigen müſſen, wenn Ihnen darüber eine beſondere Vorlage zugehen wird —, ſo iſt es deshalb geſchehen, weil er es nicht für billig gehalten hat, die Lehrerinnen unter der Unduldſamkeit der Schulvorſteherinnen leiden zu laſſen. Ob es möglich ſein wird, daß die Lehrer und Lehrerinnen einen derartigen Druck auf dieſe Schulvorſteherinnen ausüben, daß ſie dieſe kon⸗ feſſionelle Erkluſivität, auf die ſie ſich viel zu gut halten, aufgeben, erſcheint mir ſehr zweifelhaft. Schul⸗ vorſteherinnen, die ſich aus derartigen Sonderbeſtre⸗ bungen dazu entſchließen, auf die Vorteile der Un⸗ terſtützungen zu 1 a und p zu verzichten, die werden dieſe Vorurteile nicht aufgeben, um ihren Lehrerinnen die Vorteile zu e zuzuführen. Man kann ſelbſtver⸗ ſtändlich darüber ſtreiten, welches Mittel und welcher Wage der taktiſch richtigere iſt. Ich wollte nur feſt⸗ ſtellen, daß der Magiſtrat durchaus der Meinung ge⸗ weſen iſt: alle Sonderbeſtrebungen auf konfeſſionellem Gebiete ſind zu verwerfen und dürfen nicht unter⸗ ſtützt werden. 169 Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! Dieſe Vorlage, die im großen und ganzen bis auf den vom Kollegen Panſchow zuletzt erwähnten Punkt auch mir ſehr ſympathiſch iſt, hat nicht den Zweck, einzelne Lehrerinnen für ihr Alter zu verſorgen, ihre Bezüge reichlicher und ihr Leben ſorgenfreier zu geſtalten. Der Zweck dieſer Vorlage iſt doch, die ſtädtiſchen In⸗ tereſſen zu fördern, die Schulen, die ſonſt die Stadt errichten müßte, zu berückſichtigen und durch Zuwen⸗ dungen beſſer zu geſtalten. Wenn wir dabei nun den ſchönen Grundſatz anwenden, den der Herr Bürger⸗ meiſter ſoeben ausgeführt hat und der in der Vorlage des breiteren behandelt worden iſt, daß wir gegen die an manchen Schulen zutage tretende Intoleranz vorgehen wollen, nachher aber in dem einen Punkte der Penſionsgewährung auch dieſe „intoleranten“ Schulen in die Wohltaten einſchließen, ſo ſehe ich darin zunächſt einen Widerſpruch. Dieſen Wider⸗ ſpruch möchten wir beſeitigt wiſſen, zumal der ſtädti⸗ ſchen Verwaltung, den ſtädtiſchen Korporationen und uns imputiert werden kann, daß wir gegenüber dieſer Unduldſamkeit, über die mit Recht weite Kreiſe der Bevölkerung klagen, die Augen zudrücken. Es handelt ſich für uns nicht darum, daß die Schulen verpflichtet ſein ſollen, ohne Wahl, ohne Berückſichtigung der Zahl und der Verhältniſſe alle Schülerinnen aufzu⸗ nehmen, die angemeldet werden; aber wir haben es aufs ſchärfſte zu verurteilen, daß es Schulen gibt, die prinzipiell eine große Klaſſe von Schülerinnen auf Grund ihrer Konfeſſion ausſchließen. Um dies zu⸗ nächſt auszuſprechen und dieſe Kritik in die Oeffent⸗ lichkeit zu bringen, deswegen ſollten wir hier davon abſehen, dieſen einen Punkt der Vorlage ſo anzu⸗ nehmen, wie der Magiſtrat es vorſchlägt. Ferner, meine Herren, wird eine Einſchränkung der Vorlage nach dieſer Richtung auch zu praktiſchen Konſequenzen führen. Denn wenn auch die Vor⸗ ſteherinnen dieſer „intoleranten“ Schulen — wie ich ſie nennen möchte — ſich noch nicht durch die anderen Vorteile, welche die Vorlage ihnen bringen könnte, bewegen laſſen, von ihrem intoleranten Standpunkt abzugeben, ſo werden ſie es ſich ſehr überlegen, ob ſie auf ihrem unduldſamen Standpunkt verharren ſollen, wenn ſie dadurch ihre Schulen, indem ihnen dann auch in der Penſionsangelegenheit nicht entgegenge⸗ kommen wird, für ihre Lehrerinnen zu An ſt al⸗ ten zweiter Klaſſe machen. Sie werden dann nicht mehr ſo gutes Lehrerinnenmaterial bekommen wie die anderen Schulen oder ſie werden, um ihren Lehrerinnen dieſelbe Penſionsangelegenheit zu geben wie die anderen Schulen, denen die Gemeinde dazu verhilft, in ihre eigene Taſche greifen müſſen. Das wäre dann aber auch für ſolche eng denkenden Vor⸗ ſteherinnen das allein Richtige; denn die allgemeinen Mittel, die von der Geſamtheit der Steuerzahler ohne Rückſicht auf ihre Konfeſſton aufgebracht werden, ſind nicht dazu da, um Inſtituten Beiſteuern zu gewähren, die einem beträchtlichen Teil der Steuerzahler ver⸗ ſchloſſen ſind. In dieſem Sinne befürworte ich warm, daß wir im Ausſchuſſe verſuchen, die Vorlage zu verbeſſern im Intereſſe der Gerechtigkeit und der Gleichſtellung aller Bürger, welchem Bekenntniſſe ſie auch angehören mögen. Stadtſchulrat D. Neufert: Meine Herren! Ueber Einzelheiten wird ja im Ausſchuß geſprochen werden können. Ich will daher bloß zwei Worte auf das, was eben geſagt worden iſt, erwidern. Zunächſt möchte ich dem Herrn Stadtv. Panſchow ſagen, daß der Magiſtrat ſich ein Mit⸗