170 wirkungsrecht bei der Bewilligung von Freiſtellen vorbehalten will. In der Vorlage iſt geſagt, daß dieſe Freiſtellen nach den ſtädtiſchen Grundſätzen be⸗ willigt werden müſſen. Dieſe Grundſätze ſind ja wohl bekannt: die Bedürftigkeit und die Würdigkeit muß nachgewieſen werden. Wenn nun beſchloſſen wird, daß dieſe Grundſätze auch für die Bewilligung von Freiſtellen an Privatſchulen maßgebend ſein ſollen, ſo wird natürlich vonſeiten der Stadt eine Kontrolle darüber ausgeübt werden müſſen, daß dieſe Grundſätze auch tatſächlich befolgt werden. Aber den Vorſteherinnen muß es überlaſſen bleiben, die Geſuche zu begutachten und Anträge zu ſtellen. Ich wüßte nicht, wie es anders gemacht werden ſollte. Wir können unmöglich von der Zentrale aus die Würdigkeit der Schülerin u. a. feſtſtellen, ebenſo wenig wie wir in der Lage ſind, Freiſtellen für Schüler und Schülerinnen unſerer ſtädtiſchen höheren Lehranſtalten ohne Mitwirkung der Direktoren zu bewilligen. Dem Herrn Stadtv. Dr Liepmann möchte ich erwidern, daß der Magiſtrat keinesfalls ein Auge zu⸗ drücken will. Aber der Magiſtrat will auch nichts übernehmen, was tatſächlich außer ſeiner Macht liegt. Der Herr Stadtverordnete hat vollkommen recht, daß eine Sicherſtellung der Lehrerinnen dahin wirken muß, daß die Schulen verbeſſert werden. Erfahrene und tüchtige Leherinnen ſollen den Schulen eben er⸗ halten werden; das iſt zweifellos im Intereſſe der Bürgerſchaft Charlottenburgs gelegen. Wir können nur wollen und wünſchen, daß auch an den Privat⸗ ſchulen die den Vorſteherinnen von unſeren Mit⸗ bürgern anvertrauten Schülerinnen ſo gut als mög⸗ lich ausgebildet werden. Aber es iſt wohl nicht daran zu denken, daß in dem Augenblick, in dem wir uns weigern ſollten, die an gewiſſen Privatſchulen unterrichtenden Damen im Falle der Invalidität und des Alters ſicher zu ſtellen, die Vorſteherinnen in Verlegenheit kommen ſollten. Der Zudrang von Lehrerinnen nach den großen Städten, ſpeziell auch hier nach Charlottenburg, iſt ja außerordentlich groß, iſt ganz koloſſal, ebenſo an den ſtädtiſchen wie an den Privatſchulen. Und dann bitte ich noch zu be⸗ denken, daß eine große Anzahl von den Lehrerinnen ja doch nicht immer an den Schulen bleiben, von denen Herr Dr Liepmann geſprochen hat; ſte ſind ein paar Jahre an einer und dann ein paar Monate an einer andern Schule. Sollen wir nun ſpäter immer aus⸗ einander rechnen, von welchen Grundſätzen ſich in jener Zeit ihre Vorſteherinnen bei der Aufnahme von Schülerinnen leiten ließen? Das iſt ja gar nicht möglich. Ich halte es daher nicht für erwünſcht, daß wir hier einen ſolchen Unterſchied machen. Das Wohlwollen gegen die Privatlehrerinnen hat uns bei der Vorlage geleitet, und ich glaube, wir teilen es hier alle, und es wird für die Beſchlußfaſſung maßgebend ſein müſſen. Stadto. Zander: Meine Herren! Der Herr Stadtſchulrat ſagt: wir können es nicht auseinander⸗ rechnen, an welcher Schule die betreffenden Lehre⸗ rinnen geweſen ſind. Nun, die Lehrerinnen ſollen dann nicht an ſolche Anſtalten gehen, die ein der⸗ artiges Prinzip aufgeſtellt haben. Wenn wir unſere Wählerliſten durchſehen, ſo finden wir, daß die Wähler unſerer erſten Abteilung zum großen Teile jüdiſchen Glaubens ſind, und wollen wir dieſe Herren, die einen großen Anteil an der Lehrerinnen⸗ penſion tragen, dazu zwingen, wenn die Schulen es als ihre Pflicht betrachten, keine jüdiſchen Kinder Sitzung vom 20. März 1912 aufzunehmen? Wir wollen dieſen Schulen ja nicht vorſchreiben, daß ſie eine beſtimmte Zahl aufnehmen müſſen; aber ſie ſollen es nicht ganz ſtrikte ablehnen. Es kann ja wohl durch die Verhältniſſe der Schule gegeben ſein, daß ſie dieſes oder jenes jüdiſche Kind nicht aufnehmen wollen, weil es vielleicht nicht in den Rahmen der Schule hineinpaßt. Wir können aber doch niemals auf den Standpunkt kommen, daß jedes jüdiſche Kind einzig und allein ſeines Glau⸗ bens wegen von einer ſolchen Schule abgewieſen wird. Dazu können wir uns doch in einer liberalen Stadtverwaltung nicht hergeben. Wir können keine Penſion an eine Lehrerin zahlen, die an einem der⸗ artigen Strange mit ihrer Arbeitgeberin zieht. (Sehr richtig!) (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Otto (Schlußwort): Meine Herren! Ich bin auf dieſen Punkt, der uns — wie der Herr Bürgermeiſter ja noch einmal unter⸗ ſtrichen hat — ſpäter noch in einer beſonderen Ma⸗ giſtratsvorlage beſchäftigen wird, abſichtlich nicht näher eingegangen. Nachdem aber die Herren Kollegen Panſchow, Dr Liepmann und Zander dieſe Frage hier eingehend erörtert haben, möchte ich dazu noch einige Bemerkungen machen. Zunächſt eine Bemerkung aufrichtigen Dankes, daß ſich die Herren Kollegen der Intereſſen unſerer jüdiſchen Mitbürger in ſo warmherziger Weiſe an⸗ genommen haben. Es iſt durchaus berechtigt und dankenswert, wenn das einmal in öffentlicher Sitzung ausgeſprochen wird. Meine Herren, wenn es den An⸗ ſchein hat, als ob dieſer Geſichtspunkt in der Vor⸗ lage, gerade was die Unterſtützung der Lehrerinnen angeht, nicht mit der Schärfe zum Ausdruck kommt, wie in den erſten Punkten der Magiſtratsvorlage, ſo geb ich zu, daß dieſer Anſchein entſtehen kann. Aber ich möchte dann doch zweierlei bemerken: einmal, daß hier ein rein menſchliches Empfinden den Lehrerinnen gegenüber obgewaltet hat. Es iſt nicht ſo, wie Kollege Zander eben zum Schluſſe ſagte, daß diejenigen Leh⸗ rerinnen, die an ſolche konfeſſionell engherzige Schulen gehen, ſich mitſchuldig machen, ſondern es iſt vielmehr ſo, daß derartige arme Weſen bei der Ueberfülle, wie ſie herrſcht und wie der Herr Stadtſchulrat ſie ſehr zutreffend charakteriſiert hat, ſchließlich irgendwo ihr Brot verdienen müſſen, (Zuruf des Stadtv. Zander) und ſelbſt wenn ſie im Innern ihres Herzens die Art, wie ihre Vorſteherinnen füdiſche Schülerinnen ausſchließen, verurteilen, ſo zwingt ſie die bittere Not dazu, an ſolchen Schulen, wenn ihnen nichts anderes übrig bleibt, zu unterrichten. Wenn Kollege Zander hier dazwiſchen ruft: „Um ſich Hüte zu kaufen!“, ſo ſteht dieſer Zwiſchenruf auf einem Niveau, auf das ich dem Herrn Kollegen Zander nicht folgen möchte. * (Bravo! — Stadtv. Zander: Zur perſönlichen Bemerkung!) Dieſe rein menſchliche Erwägung iſt es geweſen, die uns ſchließlich veranlaßt hat, ſo vorzuſchlagen, wie es in der Magiſtratsvorlage geſchieht. Dann aber will ich zweitens doch darauf hin⸗ weiſen, daß auch bei dieſer Maßnahme die Vor⸗ ſteherinnen ſolcher konfeſſtonell engherziger Schulen