182 Nun wundere ich mich noch, daß der Herr Bürgermeiſter geſagt hat: um die Unruhe zu beſei⸗ tigen, iſt der Magiſtrat ſo weit gegangen, dieſe Vor⸗ lage hier einzureichen. Gewiß, eine Unruhe beſteht auf Grund der Teuerung. Aber die Unruhe iſt doch nicht etwa dadurch hervorgerufen, weil man ſich mit der Teuerung beſchäftigt hat, ſondern weil eben viele kleine Haushaltsvorſtände mit ihrem Einkommen nicht auskommen können. Ich wundere mich auch, daß Herr Kollege Stadt⸗ hagen ſagt, ein Teil ſeiner Freunde könne nicht ein⸗ ſehen, daß eine Teuerung beſteht. Wir von unſerer Partei, die wir mit den kleinen Leuten mehr Umgang haben, wiſſen, daß es tatſächlich ſo liegt, daß die fleinen Leute ſchwer zu kämpfen haben, um mit ihren Löhnen auszukommen. Ich will an der Statiſtik nicht zweifeln, die der Magiſtrat uns mitteilt; man tann aber nicht verkennen, daß wirklich eine Lebens⸗ mittelteuerung heute beſteht, und daß wir ſie noch nicht überwunden haben. Meine Herren, ich bitte Sie alſo, dem An⸗ trage, den ich im Laufe meiner Rede geſtellt habe, ihre Zuſtimmung zu geben. Vorſteher Kaufmann: Darf ich um den Antrag bitten! Stadtv. Wöllmer: Zu dem Antrage des Herrn Kollegen Lehmann, ſofern ich ihn richtig verſtanden habe, möchte ich folgendes bemerken. Herr Kollege Lehmann meint, es müßte genauer interpretiert werden, was man unter Haushalt verſteht. Es iſt ganz ſelbſtverſtändlich, daß nicht etwa ein Haushalt gemeint ſein kann, in dem lediglich Schlafburſchen oder andere Penſionäre ſich befinden, ſondern es kann ſich doch nur um ein gemeinſchaftliches Wohnen von nahen Verwandten handeln. Im übrigen können wir dem Magiſtrat die Interpretation überlaſſen, vielleicht mag auch der Herr Berichterſtatter in ſeinem Schlußwort genauer definieren, wie er die Be⸗ zeichnung Haushalt gemeint hat. Ich verſtehe dar⸗ unter jedenfalls nur das gemeinſchaftliche Wohnen und die gemeinſchaftliche Beköſtigung von nahen Ver⸗ wandten. Daher, meine Herren, möchte ich Sie doch bitten, den Antrag des Herrn Kollegen Lehmann nicht anzunehmen oder jedenfalls nur in dem Sinne, daß dem Magiſtrat die Interpretation überlaſſen bleibt. Was nun die Magiſtratsvorlage anlangt, ſo können wir wohl feſtſtellen, daß auf allen Seiten, bei ſämtlichen Fraktionen und auch nicht zum mindeſten ebenſo beim Magiſtrat das Beſtreben zu Tage getreten iſt, eine Verſtändigung zu finden. Aber ich bitte, den Antrag des Herrn Berichterſtatters doch auch als einen Vorſchlag zur Verſtändigung aufzufaſſen. Der Herr Berichterſtatter hat hervorgehoben, daß nicht nur in unſerer Fraktion — auch Herr Kollege Stadt⸗ hagen wies darauf hin — die prinzipiellen Anſichten über die Familienzulagen auseinandergehen. So iſt denn dieſer Antrag des Herrn Berichterſtatters auch aus dem Beſtreben hervorgegangen, unter den ver⸗ ſchiedenen Meinungen eine Verſtändigung zu er⸗ zielen, damit überhaupt etwas geſchieht. Der Herr Bürgermeiſter hat hervorgehoben, daß er dem im Magiſtrat einen Widerſtand nicht entgegenſetzen und empfehlen werde, auch dem Antrage des Herrn Berichterſtatters zuzuſtimmen, dem ſich meine tion, wie ich ſagen darf, nahezu einſtimmig oder ein⸗ rak⸗ K Sitzung vom 17. April 1912 ſtimmig angeſchloſſen hat. Ich bin überzeugt, daß der Magiſtrat dieſen Antrag des Herrn Bericht⸗ erſtatters, falls die Verſammlung ihm zuſtimmen ſollte, annehmen wird. Ich will nur noch folgendes hervorheben. Der Herr Bürgermeiſter meinte, neue Gundſätze wären ja durch die Magiſtratsvorlage nicht zu Tage getreten. Aber es iſt doch immerhin, wie der Herr Bericht⸗ erſtatter, glaube ich, ſchon hervorgehoben hat, eine weitere Differenzierung des ganzen Syſtems der Familienzulage, wenn auch in vorbereitender Weiſe, zum Ausdruck gelangt. Es iſt ja richtig, daß man ver⸗ ſchiedener Anſicht darüber ſein kann. Die Familien⸗ zulage nach dem Normaletat bedeutet eine Beihilfe für anormale Verhältniſſe in Bezug auf die Kinderzahl, aber für normale Zeiten, während die heutige Ma⸗ giſtratsvorlage ſich auch auf den Fall erſtrecken ſoll, wo die Familie nur ein Kind hat, aber für anormale Zei⸗ ten. So können allerdings vielleicht ſelbſt die prin⸗ zipiellen Gegner der Familienzulage hier den Weg zur Verſtändigung finden, weil in der Tat ein gewiſſer Unterſchied vorhanden iſt. Aber die Bedenken dieſer prinzipiellen Gegner ſind immerhin ſo triftig, daß ſie die Magiſtratsvorlage nicht annehmen können, weil — ich muß das im Gegenſatz zu den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters ſagen — dieſer Vorſchlag des Magiſtrats als ein Ausbau des ganzen Syſtems oder mindeſtens als eine Vorbereitung zu einem Ausbau des Syſtems angeſehen werden kann, und weil ferner befürchtet wird, daß, wenn einmal mit dieſer Diffe⸗ renzierung vorgegangen wird, ſie auch bei einer künftigen Neuregelung der Gehälter und der Löhne der Arbeiter nicht mehr zu beſeitigen ſein wird. Da, meinen wir, wäre heute nicht der richtige Augenblick, um eine grundſätzliche Frage auszutragen, ſondern es würde wohl zweckmäßig ſein, ſpäter, wenn wir einmal zu einer wirklichen Reviſion des Normaletats kommen, grundſätzlich die Frage zu regeln und feſtzuſtellen, ob die Mehrheit der Verſammlung auf dem Standpunkt des Magiſtrats ſteht. Deshalb richten wir noch ein⸗ mal an den Magiſtrat die Bitte, dem Antrage des Herrn Berichterſtatters zuzuſtimmen. Berichterſtatter Stadtv. Meyer (Schlußwort): Ich möchte nur gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Stadthagen eine kleine Bemerkung machen. Herr Kollege Stadthagen hat zwar ſelbſt mitgeteilt, daß ein Teil ſeiner Fraktion eine Teue⸗ rung, die eine Beihilfe erheiſcht, nicht für vorliegend erachtet — eine Anſicht, der ich mich nicht nur für meine Fraktion, ſondern auch für die Mehrheit der Verſammlung nicht anſchließen kann —,; trotzdem hat er weiter geſagt, daß für große Familien ein Be⸗ trag von 40 %% ein Tropfen auf einen heißen Stein wäre. Ich glaube, mit Herrn Kollegen Stadthagen das dahin interpretieren zu können, daß dieſer Be⸗ trag an ſich — das habe ich in meinem Referat ſchon betont — nicht groß iſt; aber auch Herr Kollege Stadthagen wird mir zugeben, daß immerhin für An⸗ geſtellte mit einem Einkommen bis zu 2000 ℳ, deren Mehraufand wegen der Teuerung vom Magiſtrat auf höch ſtens 75 ℳ berechnet iſt, doch ein Be⸗ trag von 40 ℳ eine wertvolle Beihilfe darſtellt und Anſchaffungen ermöglicht, welche für den Haushalt weſentlich und notwendig ſein können. Dann, meine Herren, darf ich wohl in Ueber⸗ einſtimmung mit der geſamten Verſammlung der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Magiſtrat, falls d. h. die Beihilfe für er unſeren Beſchlüſſen beitritt,