Sitzung vom 17. April 1912 jenigen Herren, die das Prinzip wahren wollen, daß auch nichtverheiratete, aber auch einen eigenen Haus⸗ halt führende Angeſtellte die 30 ℳ beziehen ſollen, bei der Abſtimmung über den Antrag Vogel Gelegen⸗ heit haben, durch ihre Abſtimmung für dieſen Antrag das zum Ausdruck zu bringen, der ja für den Fall der Annahme der Magiſtratsvorlage dieſes Prinzip hinzufügen will. Würde die Magiſtratsvorlage an⸗ genommen ſein, dann würde damit auch das Prinzip, das Herr Kollege Dr Landsberger aufrecht erhalten will, gewahrt ſein, wenn die Mehrheit dem Amen⸗ dement zuſtimmt. Wer kein Anhänger der Ma⸗ giſtratsvorlage iſt, braucht nachher der Vorlage ſelbſt nicht zuzuſtimmen. Das würde der ſicherere Weg ſein. Wir kommen nun zur Abſtimmung. (Die Verſammlung lehnt den Zuſatzantrag der Stadtv. Vogel und Genoſſen und ebenſo die Ziffer 1 des Magiſtratsantrages ab und beſchließt einſtimmig nach dem Antrage des Berichterſtatters Stadtv. Meyer und den Ziffern 2 und 3 des Magiſtrats⸗ antrages, wie folgt: 1. Den in der ſtädtiſchen Verwaltung von Char⸗ lottenburg beſchäftigten Perſonen, die einen eigenen Haushalt haben, wird eine einmalige Beihilfe von 30 ℳ, ſolchen Perſonen mit mehr als 3 Kindern, die ſich in ihrer Unterhaltung befinden, eine einmalige Beihilfe von 40 gewährt. 2. Die Leiſtungen zu 1 bleiben beſchränkt auf die Gehalts⸗ und Lohnempfänger nach dem Stande vom 31. März 1912, deren Gehalt oder Lohn nicht mehr als 2000 ℳ jährlich betragen hat. 3. Die erforderlichen Mittel im Geſamtbetrage von etwa 48 000 ℳ ſind aus den Ueberſchüſſen des Jahres 1911 zu entnehmen.) Wir kommen zu Punkt 20 der Tagesordnung: Vorlage betr. Beihilſe zur Entſendung eines Ver⸗ treters zu den olympiſchen Spielen in Stockholm. — Druckſache 118. Stadtv. Meyer: Meine Herren, ich habe na⸗ mens eines großen Teils meiner Freunde Bedenken gegen die Vorlage vorzutragen. Wir erkennnen zwar die Wichtigkeit und Nützlichkeit des Sports und ſeiner Ausübung und Förderung bereitwillig an; die Ab⸗ ſtimmung bei einem anderen Gegenſtand der Tages⸗ ordnung, bei dem Sportlaboratorium, wird uns Ge⸗ legenheit bieten, das auch heute praktiſch zu beweiſen. Aber es muß doch überlegt werden, ob ſportlichen Vereinigungen für die Teilnahme an Veranſtal⸗ tungen, die außerhalb Charlottenburgs ſtattfinden, Beihilfen gewährt werden ſollen. Ich glaube, daß dann Geſuche dieſer Art häufig an uns herantreten würden und ihnen auf die Dauer nicht ſtattgegeben werden könnte, will man im Rahmen der Aufgaben bleiben, die eine Kommune zu erfüllen hat. Aus 14 Grunde werden meine Freunde zumeiſt gegen dieſe Vorlage ſtimmen. Stadtv. Rieſenberg: Ich habe im Namen meiner Freunde nur eine kurze Erklärung abzugeben. Meine Freunde werden einmütig und gern der Magiſtrats⸗ vorlage zuſtimmen. Wir ſehen den Nutzen der Be⸗ willigung dieſer 300 ℳ nicht darin, daß nun zwet leichtbeſchwingte Jünger Jungcharlottenburgs nach Stockholm fahren und dort an den olympiſchen 1 85 Spielen teilnehmen; wir ſehen den Nutzen vielmehr darin, daß viele Hunderte von Charlottenburger Tur⸗ nern dieſe Reiſe nach Stockholm mit Begeiſterung und Intereſſe verfolgen werden, und daß dieſe Be⸗ geiſterung ganz außerordentlich wird, wenn, wie in der Vorlage angedeutet wird, dieſe beiden jungen Charlottenburger vielleicht als Sieger aus den olym⸗ piſchen Spielen heimkehren ſollten. Dieſer Eindruck wird außerordentlich ſein. Der Herr Vorredner hat ſchon betont, daß wir einer guten Sache dienen. Laſſen Sie uns darum nach dem alten Wahrſpruch der Tur⸗ nerei: Friſch, fromm, fröhlich, frei! dieſe 300 ℳ glatt bewilligen! Stadtv. Dunck: Meine Herren, namens einer Minderheit meiner Freunde möchte ich Sie bitten, der Magiſtratsvorlage zuzuſtimmen. (Bravo!) Es kommt nicht allzu oft vor, daß deutſcher Sport ſich im Auslande betätigt. Es iſt im allgemeinen eine wichtige Sache und für deutſche Sportleute, deren Zahl in Charlottenburg ſehr groß iſt, eine recht be⸗ deutende Sache, wenn deutſcher Sport ſich im Aus⸗ lande hervortut. Bei den olympiſchen Spielen hat deutſcher Sport wiederholt ſchöne Erfolge erzielt. Wir können zu unſeren Charlottenburger Turnern das Vertrauen haben, daß ſie mit Lorbeeren von Stockholm heimkehren werden. Meine Herren, es handelt es ſich um wenige 300 ℳ — ſtreichen Sie ſie nicht, ſondern geben Sie der Charlottenburger Turn⸗ gemeinde die Möglichkeit, nach Stockholm zu gehen und ſich dort hervorzutun! Stadtv. Zietſch: Nach den feurigen Begrün⸗ dungsreden für die Magiſtratsvorlage aus der Mitte der Verſammlung fällt es mir zu einem Teile ſchwer, dagegen zu reden. Aber doch wieder bin ich in der angenehmen Lage, diesmal mit der Mehrheit der Liberalen Fraktion gehen zu können. Meine Freunde werden der Vorlage des Magiſtrats ein Nein entgegenſetzen, und zwar aus denſelben Gründen, die Herr Kollege Meyer hier ſchon zum Teil angeführt hat. Wir halten die innige Ver⸗ bindung zwiſchen der Gemeinde Charlottenburg und dem leichten Sport nicht in der Weiſe für gegeben, daß dafür 300 ℳ aus ſtädtiſchen Mitteln aufgewendet werden können. Aber bei der nächſten Vorlage, über die wir ja noch ſprechen werden, ſind meine Freunde derſelben Auffaſſung, die Herr Kollege Meyer für ſeine Parteigenoſſen ſchon angedeutet hat. Wenn aber Jungcharlottenburg, von dem Herr Kollege Rieſenberg eben ſo begeiſtert geſprochen hat, mit ſo himmelſtürmender Begeiſterung dem Siegeszug der zwei leichtbeſchwingten Turner nach Stockholm folgen wird, dann wird es Jungcharlottenburg auch leicht fallen, aus den eigenen Taſchen heraus die 300 % aufzubringen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, ich will zwar für die von Charlottenburg zu entſendenden Turner nicht hier ſchon Vorſchußlorbeeren einheimſen. (Heiterkeit.) Nichtsdeſtoweniger aber, wenn auch dieſe Lorbeeren ausbleiben ſollten, möchte ich Sie dringend bitten, der Magiſtratsvorlage zuzuſtimmen.