Sitzung vom 8. Mai 1912 Punkt 5 der Tagesordnung: Vorlage betr. Mehrkoſten für den Bau des Kranken⸗ hauſes für Geburtshilfe. — Druckſache 134. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Die für die Vergrößerung der Kondensgrube ſowie der Schornſtein⸗ und Keſſelfundamente zum Neubau des Krankenhauſes für Geburts⸗ hilfe erforderlichen Mehrkoſten von 5000 %ℳ werden bewilligt und ſind aus dem Dispoſiti⸗ onsfonds zu entnehmen.) Punkt 6 der Tagesordnung: Vorlage betr. Verſtärkung der Etatsnummer Ord. Kapitel X—1—2 für 1911. Druckſache 135. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: 1 Die Ausgabenummer 2 Abſchnitt 1 Kapitel X des Ordinariums für 1911 (Unterhaltung und Ergänzung der Anlagen nebſt Schul⸗ und Krankenhausgärten) wird um 1846,02 %? aus laufenden Mitteln verſtärkt.) Punkt 7 der Tagesordnung: Vorlage betr. Verſtärkung der Etatsnummer Ord. Kapitel XIVv—2—1 für 1911. Druckſache 136. Stadtv. Bergmann: Meine Herren! Bei der Nachforderung dieſer Koſten für die Polizeiverwal⸗ tung haben meine Freunde in Erwägung gezogen, ob die vorhandenen Polizeikräfte im Verhältnis zu der großen Vermehrung der Charlottenburger Ein⸗ wohnerzahl ausreichen und damit im Einklang ſtehen. Dieſe Frage haben meine Freunde einſtimmig ver⸗ neint, und ich richte in ihrem Namen an den Ma⸗ giſtrat das Erſuchen, bei der zuſtändigen Stelle vor⸗ ſtellig zu werden, und zwar um Vermehrung der Polizeibeamten, deren Zahl außerordentlich gering iſt. Mir wurde mitgeteilt, daß vor nicht langer Zeit die hieſige Polizeiverwaltung eine Vermehrung der Polizeireviere um drei beantragt hat. Dieſes Er⸗ ſuchen haben die oberen Inſtanzen, alſo das König⸗ liche Polizeipräſidium in Berlin, das Miniſterium des Innern und der Finanzminiſter abgelehnt. Es wurde mir allerdings auch mitgeteilt, was ich ſtark bezweifelt habe, daß der zuſtändige Magiſtratsdezer⸗ nent ſich mit der Vermehrung um ein Revier zufrie⸗ den gegeben hätte. Ich will das nicht eher glauben, als bis ich es aus dem Munde des Herrn be⸗ ftätigt höre. 2 Meine Herren, unſere Stadt iſt augenblicklich in 13 Reviere eingeteilt, ſo daß auf jedes Revier 25 000 Einwohner kommen, während Berlin auf 16 000 bis 18 000 Einwohner ein Polizeirevier hat. Das kleinſte Revier hat bei uns 17 000 Einwohner⸗ während es auch Reviere gibt, die 26 000 Einwohner, 28 000 Einwohner, 35 000 Einwohner umfaſſen, ja wir haben ſogar ein Revier, das Revier Nr. 4 in der Nähe des Charlottenburger Bahnhofs, das über 50 000 Einwohner umfaßt. (Sörti hörti) Und während in Berlin in jedem Revier 40 bis 70 Polizeibeamte ſind, kommen auf unſere Reviere nach 193 näherer Erkundigung etwa 26 bis 28. Im Außen⸗ dienſt ſollen bei uns 16 Beamte tätig ſein; ſelbſt⸗ verſtändlich verſteht ſich dies für 24 Stunden. Aber da nur jeder Teil 12 Stunden tätig ſein kann, ſo haben wir naturgemäß im Außendienſt nur 8 Be⸗ amte. Die Zahl dieſer 8 Beamten reduziert ſich noch durch Abkommandierungen nach ganz anderen Stellen, teilweiſe auch durch Beurlaubungen, Krank⸗ heiten auf 7, auf 6, auf 5 Beamte. Und von dieſer geringen Zahl muß natürlich ein Teil im Wachtlokal anweſend ſein, ſo daß für die Straße ſelbſt zur Be⸗ aufſichtigung der Straße im günſtigſten Falle 4 Be⸗ amte übrig bleiben. In den meiſten Fällen ſind es nur 3, 2, ja es ſoll vorkommen, daß in manchem Revier nur 1 Mann auf der Straße iſt. (Stadtv. Becker: Sehr richtig!) So iſt es natürlich, daß einzelne Reviere — 3. B. Nr. 4 — beſonders des Nachts gar nicht begangen werden können. Sie können ſich denken, was für Zuſtände in dieſem Bezirk Nr. 4 ſind, der den oberen Teil des Kurfürſtendammes, die Mommſenſtraße bis zur Sechsundſechzigpfeilerbrücke umfaßt. Wir haben ferner in dem Revier 2 Kriminalſchutzleute, von denen der eine ausſchließlich mit Recherchen in Pfandhäuſern, mit Beaufſichtigung der Fremden uſw. beſchäftigt iſt, ſo daß im günſtigſten Falle ein Mann übrig bleibt, der natürlich außerordentlich in An⸗ ſpruch genommen iſt. Und wie mit dieſen Kriminal⸗ beamten, ſo iſt es auch mit der Ueberlaſtung der höheren Stellen; auch hier wäre eine Vermehrung dringend notwendig. Und nun, meine Herren, was ſind die Folgen der zu geringen Anzahl der Polizeiwachen? Der Straßenverkehr iſt nicht geregelt. Sie werden aus eigener Anſchauung wiſſen, daß an den Haupt⸗ kreuzungspunkten, z. B. an der Kaiſer⸗Wilhelm⸗Ge⸗ dächtniskirche, in der Joachimsthaler Straße, an der Ecke der Uhlandſtraße es vielen Leuten, beſonders alteren Leuten, auch den Frauen unmöglich gemacht wird, in manchen Zeiten mit heiler Haut von der einen Seite der Straße nach der andern zu gelangen. Es hat ſich aber noch ein anderer Uebelſtand heraus⸗ geſtellt: beſonders am Kurfürſtendamm haben die Krüppel, Lahmen und Blinden eine richtige Station eingerichtet, die ſie hauptſächlich nur verlaſſen, wenn ſie ihre Mahlzeiten einnehmen müſſen. Ein beſonders ſchweres Uebel zeigt ſich, wenn ein Un⸗ glücksfall ſtattfindet. Es iſt geradezu unglaublich, daß beſonders des Nachts — denn es kann vorkom⸗ men, daß irgend jemandem ein Unglücksfall zuſtößt fein Poliziſt zur Stelle iſt. Und was iſt weiter zu beklagen? Meine Herren, die Diebſtähle nehmen überhand! Fragen Sie überall herum, Sie werden hören, daß die Schaufenſtereinbrüche in den beleb⸗ teſten Straßen jederzeit andauernd ſtattfinden, ohne daß man — wenigſtens in den meiſten Fällen — der Täter habhaft werden kann. Eine beſondere Spezia⸗ lität des Diebſtahls bilden die Treppenläuferdieb⸗ ſtähle, und da ich ſelbſt Leidtragender war, wie es auch vielen anderen hier anweſenden Herren ergan⸗ gen ſein wird, ſo habe ich mich bei der Kriminal⸗ volizei erkundigt, ob man nicht dagegen etwas tun kann. Da wurde mir geſagt: dagegen können wir aar nichts tun, in der nächſten Nähe, an der nächſten Ecke hält ſchon der Trödler mit ſeinem Wagen, der verſchärft aleich die Ware, das iſt ein großartiger Handelsartikel für die Pantoffelmacher. Und was