194 geſchieht weiter? Das Verbrecher⸗ und Rowdytum in Berlin, dem dort der Boden unter den Füßen zu heiß wird, wendet ſich jetzt nach Charlottenburg, weil ſie hier eher Unterſchlupf finden können, denn in den meiſten Fällen werden ſie ja nicht eruiert. So kommt es, wie mir geſagt worden iſt, daß die Pa⸗ trouillengänge von zwei Beamten kaum abgehalten werden können, daß die Schutzmänner gebeten haben, zu dreien gehen zu dürfen, weil ſie ihres Lebens oft nicht ſicher find. Sie leſen es ja auch in den Zeitun⸗ gen, wie oft ſich halbwüchſige Burſchen zuſammen⸗ ſcharen und das Leben der Schutzleute bedrohen. Ich glaube, Sie werden mir zugeben, daß ich in keinem Falle übertrieben habe, daß das, was ich ge⸗ ſagt habe, auf Wahrheit beruht. Wir müſſen uns nun fragen, ob hier nicht unbedingt Remedur ge⸗ ſchaffen werden muß. Die Polizeiverwaltung, die das Recht hat, von uns einen Zuſchuß von 704 000 ℳ zur Beſtreitung der Polizeikoſten zu erhalten, hat neben dem Recht doch auch die Pflicht, dafür zu ſorgen, daß dem Leben und Eigentum der Char⸗ lottenburger Bewohnerſchaft ein wirklicher Schutz zu⸗ teil wird. Hier, meine Herren, müßte es dem Ma⸗ giſtrat doch wohl gelingen, eine vollſtändige Aende⸗ rung der beſtehenden Verhältniſſe herbeizuführen, und ich hoffe zuverſichtlich, daß der Magiſtrat alles daran ſetzen wird, damit dieſe berechtigten und großen Beſchwerden der Charlottenburger Bürgerſchaft in ausreichendem Maße behoben werden. (Bravo!) Stadtrat Seydel: Die Zahl der Schutzleute in Charlottenburg iſt nach einer Statiſtik, die wir im vorigen Jahre aufgemacht haben, im Verhältnis zu anderen Großſtädten recht hoch. Wir ſtehen in der Zahl der Schutzleute im Verhältnis zur Zahl der Bevölkerung mit an erſter Stelle in Preußen. Das iſt eine Tatſache, die nicht beſtritten werden kann. Wenn trotzdem, was ja wohl leider mit Recht be⸗ hauptet wird, auf der Straße häufig ein Mangel an Schutzleuten hervortritt, und zwar in Fällen, wo deren Anweſenheit recht notwendig iſt, ſo kann ich nicht mit Beſtimmtheit angeben, worauf dieſer Mangel zurückzuführen iſt; ich nehme an, darauf, daß — was auch der Herr Vorredner bereits betont hat die Schutzleute vorwiegend im Bureaudienſt beſchäftigt ſind und dadurch ſo ſtark in Anſpruch genommen ſind, daß ſie dem Dienſt auf der Straße fernbleiben müſſen. Der Magiſtrat hat auf dieſe Verhältniſſe be⸗ reits bei Gelegenheit ſeiner Aeußerungen zum Etat, mit denen er ja nach dem neuen Polizeikoſtengeſetz gehört werden muß, hingewieſen, beſonders auch auf das Mißverhältnis zwiſchen der hohen Zahl der Schutzleute überhaupt zu der oft ſo geringen Zahl von Poliziſten auf der Straße, und hat auf Abhilfe durch eine Organiſationsänderung gedrungen. An⸗ dererſeits ſteht leider dem Magiſtrat ja kein Recht zu — obgleich die Stadt ihre Beiträge in Geſtalt einer Quote der Geſamtkoſten leiſten muß —, die Verteilung der Kräfte maßgebend zu beeinfluſſen; das iſt allein Sache des Herrn Polizeipräſidenten. Das Oberverwaltungsgericht hat ſich leider auch in einer neueren Entſcheidung auf den Standpunkt geſtellt, daß die Aeußerung zu dem Etat, die uns nach dem Geſetz ja zuſteht, bei Licht beſehen, nur ein recht äußerliches und durch das Geſetz ſelbſt nicht ſehr ſtark geſtütztes Recht bedeutet. Sitzung vom 8. Mai 1912 Wenn nun auch die Zahl der Schutzleute ver⸗ hältnismäßig nicht tlein iſt, ſo haben wir trotzdem mit Muckncht auf die Eigenart unſerer großſtädtiſchen Verhältniſſe in der Nachbarſchaft von BVerlin in uebereinſtimmung mit dem Herrn Polizeipräſidenten eine Vermehrung um zwei )teviere im nächſten Etat beantragt; richtiger geſagt, der Herr Polizerpräſident hat zwei Reviere beantragt, und wir haben dieſem Antrage in der Aeußerung, die wir geſetzmäßig ab⸗ zugeben haben, nicht widerſprochen. Was aus dieſer Forderung wird, wie ſie in der Miniſterialinſtanz und ſchließlich im Landtag behandelt wird, darauf haben wir keinen Einfluß, und es iſt ſchließlich Sache des preußiſchen Landtags, das letzte Wort darüber zu ſprechen. Jedenfalls trifft es nicht zu, daß der Magiſtrat in dieſem oder im vorigen Jahre der Ver⸗ mehrung um zwei Reviere widerſprochen habe. Ein Vergleich mit Berlin kann nicht gut ange⸗ ſtellt werden. Es iſt richtig, daß in Berlin die Re⸗ viere ſtärker beſetzt ſind. Aber andererſeits ſind die Verhältniſſe, insbeſondere die Verkehrsverhältniſſe in Berlin viel komplizierter und nicht in Vergleich mit den unſrigen zu ſtellen, ſo daß ſich eine gegenüber den Vororten erheblich höhere Beſetzung der Reviere dort rechtfertigt. Berlin ſteht in dieſer Hinſicht an erſter Stelle in Preußen, auch was die Koſten be⸗ trifft; aber nicht weit dahinter — ich glaube, an dritter Stelle — ſteht Charlottenburg. Jedenfalls hat — was heute gegenüber den Ausführungen, die hier gemacht ſind, als das Weſent⸗ lichſte nochmals zu betonen iſt — der Magiſtrat dar⸗ auf hingewirkt, und zwar mit der Macht, die er hat, — nämlich in der Aeußerung zum Etat —, daß die Vermehrung der Reviere, und zwar um zwei, im nächſten Jahre ſtattfinden möchte; und ich wieder⸗ hole endlich nochmals, daß wir den weiteren Ver⸗ lauf dieſer Vermehrung nicht in der Hand haben, ſondern daß andere Inſtanzen darüber zu entſcheiden haben. Stadtv. Becker: Meine Herren! Ich kann die Uebelſtände in unſerm Polizeiweſen, die Herr Kol⸗ lege Bergmann hervorgehoben hat, nach meiner eige⸗ nen Beobachtung nur beſtätigen. Ich bin im vorigen Jahre als Vorſitzender des Kommunalvereins von Weſtend in die Lage gekommen, den Polizeiverhält⸗ niſſen in Weſtend näherzutreten, und da hat ſich herausgeſtellt, daß das Weſtender Revier über 30 000 Einwohner zählt und daß für dieſes Revier nur ſoviel Polizeibeamte zur Verfügung ſtehen, daß der ganze Außendienſt von einem einzigen Mann erledigt wurde. (Sort hört!) Die Veranlaſſung zu meiner Recherche war fol⸗ gende. In der Kirſchenallee war in der Nacht bei einem dortigen Hausbeſitzer ein Mann eingeſtiegen, wie der Hausbeſitzer annahm, um einen Einbruch oder Diebſtahl zu begehen. Der Hausbeſitzer hatte Geräuſch gehört, er ging mit ſeinem Revolver auf den Mann los, der Mann verlor die Courage und gab ſich ihm gefangen. Und nun rief der Hausbeſitzer auf der Straße um Hilfe — niemand da! Endlich kommt einer von den Privatnachtwächtern, die wir oben auf Weſtend halten, weil wir eben keinen poli⸗ zeilichen Schutz in der Nacht haben; der hilft dem Hausbeſitzer, den vermeintlichen Einbrecher zur Po⸗ lizei zu bringen. Die Polizeiwache iſt an der Kaſerne, und von der Kirſchenallee bringen die beiden den