200 breiten. Wenn der Herr Kollege Liepmann ſagt: falls wir uns darauf verſteiften, würden auch ſeine Freunde dem zuſtimmen —, ſo muß ich ihn ſchon bitten, uns dieſe Zuſtimmung in der Tat auch zu ge⸗ währen. Ja, wir verſteifen uns darauf — ich ſpreche im Namen des größten Teils meiner Freunde —, wir müſſen es, weil wir volle Klarheit haben wollen. Wir wollen mit dem Magiſtrat und mit Ihnen allen unter allen Umſtänden diejenigen Schulen treffen und von jeder Vergünſtigung ſowohl für die Gegen⸗ wart wie für die Altersverſorgung ausſchließen, welche ſich des Vergehens ſchuldig machen, dauernd Bevölkerungskreiſe auszuſchließen, welche die Ueber⸗ hebung beſitzen, einen Teil der Bevölkerung von ſich fortzuweiſen. Wenigſtens ſollen ſie dann durch ſtädtiſche Mittel nicht unterſtützt werden. Das müſſen wir dann mit aller Klarheit und Beſtimmt⸗ heit zum Ausdruck bringen, und weil es bei der Faſſung, die uns der Ausſchuß vorſchlägt, die ganz harmlos klingt, möglich iſt, daß ſie ſo gedeutet wird, daß diejenigen Schulen, die eben nur zum Teil jüdiſche Schülerinnen aufnehmen, dieſe Vergünſtigung doch erhalten ſollen, und weil wir denen das ebenfalls nicht zuwenden wollen, deswegen bitten wir Sie, dem Amendement Meyer zuzuſtimmen. Wir müſſen bedingungslos dafür eintreten, daß die Stadt nur dann Unterſtützung gewähren kann, nur dann die pri⸗ vaten Mädchenſchulen weiter fördern kann, wenn ſie ſolcher läſtigen, ſolcher unerträglichen, ſolcher häß⸗ lichen Beſchränkung ſich enthalten. (Sehr gut!) Nach dem Antrage des Magiſtrats, meine Herren, ſollen die Lehrerinnen für ihr Alter, gleichwohl an welchen Schulen ſie wirken, eine Ver⸗ günſtigung erhalten, — nach dem Wortlaut des Aus⸗ ſchußantrages würden es nicht bloß die Lehrerinnen ſein — ich mache darauf aufmerkſam —, ſondern auch die Leiterinnen ſelbſt. Können wir auch ſonſt jede Rückſicht auf die von dem Herrn Stadtſchulrat ſo warmherzig dargeſtellte Notlage mancher Lehrerinnen verſtehen, ſo müſſen wir dennoch ſagen: die Lehre⸗ rinnen müſſen eventuell auch mit Opfern darauf be⸗ dacht ſein (gerade ſie, die ſo intelligent ſind und ſo klar die Ziele unſerer geſamten Volksbewegung kennen), ſich mit ſolchen Schulen nicht zu identifi⸗ zieren, — auch wenn ſie noch etwas länger warten müſſen und im Kampfe ums Daſein Schwierigkeiten haben. Sie können ſich darauf verlaſſen: wenn im einzelnen Falle ein Antrag an die Stadtverwaltung herantreten ſollte, Lehrerinnen, die etwa einmal an einer ſolchen Schule geweſen und zu einer anderen übergetreten ſind, eine Anrechnung der früheren Dienſtjahre zu gewähren, daß dann keine Schwierig⸗ keit gemacht werden wird, da wir niemanden ſchädigen wollen, der aus ſolchem engherzigen Schulkreiſe her⸗ austritt. Die Stadt muß für die ganze Bevölke⸗ rung, für alle einheitlich eintreten; und wenn wir das tun, ſo werden wir auf die Schulen einwirken, daß ſolche, man kann wohl ſagen, Schande nicht weiter beſteht, und daß Schulen bekämpft werden, welche im Trüben fiſchen wollen und einen engherzigen Geſichts⸗ punkt beſonders hervorkehren, — in der Regel aus tiefſtehenden materiellen Gründen. Wir wollen auch, ohne Furcht, den konfeſſionalen Hader ſtärker zu ent⸗ fachen, im Gegenteil auf diejenigen Elternkreiſe er⸗ ziehlich wirken, welche glauben, ihre Kinder ge⸗ rade in die Schulen ſchicken zu müſſen, welche kon⸗ feſſionelle Rückſichten nehmen und an konfeſſto⸗ nellen Einſchränkungen feſthalten. Sitzung vom 8. Mai 1912 Meine Herren, mit Rückſicht auf dieſe wichtigen Geſichtspunkte müſſen wir darauf beſtehen, daß ſte mit aller Klarheit und Schärfe hervortreten, und wir müſſen mit dem Magiſtrat ſagen: dieſen Schulen für die Gegenwart keinerlei Förderung, im Gegenteil die ausdrückliche Mitteilung, daß ſie eine Förderung durch die Stadt nicht zu erwarten haben. Aber auch, im Gegenſatz zum Magiſtrat, den Lehrerinnen, die an ſolchen Schulen amtieren, keine ſtädtiſche Vergünſti⸗ gung für die Zukunft. Nehmen Sie das Amende⸗ ment Meyer an, das wortwörtlich nur wiederholt, was in Nr. I geſagt iſt, um keine Unklarheit aufkommen zu laſſen, und nicht erſt die Möglichkeit der Miß⸗ deutung, die durch den Wortlaut des Ausſchuß⸗ antrages beſteht. (Bravo!) Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren! Ich muß in die ſchöne Einigkeit und Harmonie, die hier zu walten ſcheint, einen Mißklang bringen; denn der hier von den Vorrednern vertretene Standpunkt kann von meinen Freunden durchaus nicht geteilt werden. Zunächſt ſtehen meine Freunde der ganzen Vor⸗ lage ja mit etwas gemiſchten Gefühlen gegenüber. Sie ſind der Meinung: Privatſchulen ſind überhaupt vom Uebel. Das geſamte Schulweſen wollen meine Freunde gern in den Händen der Stadt ſehen, und ſie nehmen die Privatſchule nur als einen nicht guten Notbehelf hin. Von dieſem Geſichtspunkte aus wird es ihnen überhaupt ſchwer, für Zuwendung von ſtäd⸗ tiſchen Mitteln an Privatſchulen zu ſtimmen. Sie verhehlen ſich nicht, daß dieſes Uebel, das wir keines⸗ wegs als ein notwendiges Uebel anerkennen, dadurch noch wieder etwas gekräftigt und genährt wird, ſo daß das Abſterben der Privatſchulen etwas länger hinaus⸗ gezögert wird, während meine Freunde gerade ein Verſchwinden der Privatſchulen und die Uebernahme des geſamten höheren Schulweſens auf die Stadt wünſchen. Man kann ja für das Beſtehen der Privatſchulen — und hat es auch getan — eine ganze Reihe von Gründen anführen, darunter auch ſolche, die ſich recht wohl hören laſſen könnten, z. B. die Begrün⸗ dung, daß gerade das Privatſchulweſen es ermög⸗ licht, daß auf dem Gebiete der Schule eine friſche, fröhliche Initiative ergriffen wird zu neuen Expe⸗ rimenten, die von Beamten, von behördlichen Schulen nicht ſo leicht ergriffen werden kann. Wenn das auch ein Argument iſt, das man zuweilen anführen kann, ſo wird doch, glaube ich, niemand, der die Verhält⸗ niſſe einigermaßen kennt, gerade auf dem Gebiete des höheren Mädchenſchulweſens in Charlottenburg dieſes Argument für durchſchlagend halten, ſondern hier iſt das Privatſchulweſen ein ſehr übler Not⸗ behelf dafür, daß die Stadt nicht genügend, dem Be⸗ dürfnis entſprechend, höhere Mädchenſchulen einge⸗ richtet hat. Meine Freunde würden alſo am liebſten die Vorlage ablehnen und, wenn es ginge, möglichſt raſch eine dem Bedürfnis entſprechende Anzahl von höheren Mädchenſchulen durch die Stadt einrichten. Aber wir wiſſen, daß das ſo ſchnell, von heute auf morgen, nicht geht. Wir erkennen auch an, daß ſeit Jahren die ſtädtiſchen Körperſchaften durchaus bemüht ge⸗ weſen ſind, auf dem Gebiete des höheren Mädchen⸗ ſchulweſens ſchneller voranzuſchreiten als früher, daß ſie aber von heute auf. morgen das nicht abändern