Sitzung vom 8. Mai 1912 können und daher die Privatſchulen notgedrungen exiſtieren und dadurch der Stadt eine von ihr zu leiſtende, mit ſchweren Opfern zu leiſtende Verpflich⸗ tung abnehmen. Lediglich aus dieſem Geſichtspunkt heraus läßt es ſich ja rechtfertigen, daß ſtädtiſche Mittel zur Unterſtützung ſolcher Privatſchulen in Bewegung geſetzt werden ſollen, eben aus der Erwä⸗ gung heraus, daß, wenn die Privatſchulen eingehen, dann ſtädtiſche Mittel in viel höherem Maße ſofort in Bewegung geſetzt werden müſſen, um die notwen⸗ dige Zahl höherer ſtädtiſcher Schulen einzurichten. Aus dieſem Geſichtspuntte heraus können meine Freunde der Magiſtratsvorlage zuſtimmen, um der Notlage, in die die höheren Privatmädchenſchulen durch die neueren Beſtimmungen geraten ſind, abzu⸗ helfen und dieſen Schulen zu ermöglichen, ſich auch trotz dieſer Beſtimmungen in die neuere Zeit hinein zu retten und zu erhalten und ſo lange wenigſtens dann noch zu eriſtieren, bis die Stadt ſelbſt die nöti⸗ gen höheren Schulen errichtet hat. Wenn aber dieſes Moment beſtimmend für meine Freunde iſt, der Unterſtützung der höheren Mädchenſchulen aus ſtädtiſchen Mitteln zuzuſtimmen, dann ſehen wir abſolut keinen Grund ein, warum von der Magiſtratsvorlage abgewichen werden ſoll. Freilich erkennen wir nicht an, daß diejenigen höhe⸗ ren Mädchenſchulen, die bei der Aufnahme der Schü⸗ lerinnen konſeſſionelle Rückſichten walten laſſen, aus ſtädtiſchen Mitteln auch unterſtützt werden ſollen, wenn ſich für ſie eine Notlage ergibt. Denn dieſe höheren Mädchenſchulen kommen dem Bedürfnis einer Schicht der Bevölkerung entgegen, das auch meine Freunde nicht als berechtigt anerkennen können. Ich will keineswegs in dem Ton, wie es von den Vor⸗ rednern geſchehen iſt, hier von einem Verſchulden der Vorſteherinnen ſprechen, daß die Vorſteherinnen dieſer Schulen dieſen ihren unduldſamen Geiſt auf⸗ drücken und Schuld an der ganzen Richtung haben. So liegen die Dinge ja keineswegs, ſondern dieſer unduldſame Geiſt, dieſer exkluſive, ausſchließende Geiſt, und zwar, um das Ding beim rechten Namen zu nennen, dieſer rein antiſemitiſche Geiſt — denn nur darum handelt es ſich hier — iſt in einer ge⸗ wiſſen Schicht der Bevölkerung vorhanden, und dieſe Schicht der Bevölkerung will Schulen haben für ihre Töchter, wo dieſe Töchter mit Judenmädchen nicht uſammenkommen. Und wenn nun dieſes Bedürfnis in einer Schicht der Bevölkerung vorhanden iſt, ſo ſind meine Freunde der Meinung, daß die Stadt keinen Anlaß hat, einem ſolchen Bedürfnis entgegen⸗ zukommen, (Sehr richtigl) ſondern dann ſollen dieſe Schulen von der Bevölke⸗ rung, die ſolche Schulen wünſcht, bezahlt werden⸗ Deswegen ſind meine Freunde vollſtändig mit der Magiſtratsvorlage einverſtanden in dem Sinne, daß dieſe Schulen von der Unterſtützung durch ſtädtiſche Mittel auszunehmen ſind, genau ſo, wie es die Ma⸗ giſtratsvorlage will. Ganz etwas anderes aber iſt nun die neue zu erwartende oder in Ausſicht geſtellte Magiſtratsvor⸗ lage, bei der es ſich nicht um Unterſtützung der Schulen handelt, ſondern um eine Fürſorge für die Lehrerinnen an dieſen Schulen. Meine Herren, da fönnen nun meine Freunde abſolut nicht verſtehen, warum die Lehrerinnen an dieſen Schulen verant⸗ wortlich gemacht und geſchädigt werden ſollen für 201 — wenn man es eine Sünde nennen will — für eine Sünde, an der ſie ſo ſchuldlos ſind wie ein neugebore⸗ nes Kind, (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) für die ſie gar nichts können, alſo Lehrperſonen, die unter ungünſtigen Bedingungen, die an Privatſchulen herrſchen, ſich ihren Lebensunterhalt durch Ausfül⸗ lung ihres Berufes erwerben. Herr Kollege Liepmann ſagt: die Lehrerinnen haben ja die freie Wahl, an welche Schule ſie gehen wollen. Ach, meine Herren, wenn die Lehrerinnen die freie Wahl hätten, dann würde keine einzige Privatſchule auch nur eine einzige Lehrerin haben. (Sehr richtig!) Es gibt keine einzige Lehrerin, die es dann nicht vorziehen würde, an eine ſtädtiſche Schule zu gehen. Von einer freien Wahl kann alſo da gar keine Rede ſein. Dieſe armen Perſonen, die im öffentlichen Schuldienſt nicht unterkommen können, nehmen dort Stellungen an, die eben ſo ſchlecht bezahlt ſind, daß die Stadt wieder die Verpflichtung fühlt, weil es ſich um ein Gebiet handelt, das eigentlich von der Stadt mit zu beſorgen iſt, hier ſozial einzugreifen, dafür zu ſorgen, daß dieſe Lehrerinnen in irgend einer Weiſe im Alter verſorgt ſind, und dabei den Schul⸗ leiterinnen dann gewiſſe Bedingungen aufzuerlegen, auch für eine einigermaßen auskömmliche Mindeſt⸗ bezahlung mit regulärem Aufſteigen zu ſorgen. Wie kann man bei einer ſolchen ſozialen Maßnahme einen Unterſchied machen in der Perſon der Lehrerin, ob ſie an einer ſolchen oder an einer anderen Privatſchule unterrichtet“ Sobald ſie an einer Privatſchule un⸗ terrichtet und der Magiſtrat eine ſoziale Fürſorge für Lehrerinnen an Privatſchulen mitunterſtützen will, mit demſelben Moment müſſen all dieſe Per⸗ ſonen umgriffen ſein. Es kommt hinzu, daß Sie, die Sie die Schul⸗ leiterinnen durch Ausnehmen ihrer Lehrperſonen von ſolchen ſtädtiſchen Maßnahmen treffen wollen, dieſen Schulleiterinnen am Ende gar noch einen Gefallen tun. Denn dieſe Schulleiterinnen müſſen gewiſſe Laſten auf ſich nehmen, wenn die ſtädtiſche ſoziale Fürſorge miteingreifen ſoll. Der Magiſtrat ſieht ja vor, daß nicht ganz wahllos die ſoziale Fürſorge für alle Schulen eingreifen kann, ſondern es müſſen, da⸗ mit eine gewiſſe Grundlage geſchaffen wird die Schul⸗ leiterinnen ſich zu gewiſſen Mindeſtgebühren und be⸗ ſtimmten Beiträgen verſtehen. Die Schulleiterinnen werden alſo belaſtet und keineswegs entlaſtet. (Sehr wahr!) Mit derjenigen ſozialen Fürſorge, welche die Schul⸗ leiterinnen entlaſtet, beſchäftigt ſich ja die erſte Vor⸗ lage des Magiſtrats, bei welcher die intoleranten Schulleiterinnen von vornherein auch vom Magiſtrat ausgenommen ſind. Dieſe weitere ſoziale Fürſorge aber verlangt von den Schulleiterinnen eine gewiſſe Unterwerfung und Unterordnung unter die Beſtim⸗ mungen, die der Magiſtrat vorſieht. Nun kann ich mir ſehr wohl denken, daß unter dem Druck der öffentlichen Meinung dieſe Schul⸗ leiterinnen es nicht fertig bekommen, bei den Be⸗ ſprechungen mit dem Herrn Stadtſchulrat zu ſagen: nein, wir nehmen uns davon aus, wir wollen von dieſer ſozialen Fürſorge nichts wiſſen; ſondern, wie