204 über haben. Herr Kollege Liepmann hat ganz richtig zum Schluſſe ſeiner Rede die Anſchauungen meiner Fraktion genannt. Ich für meine Perſon will den Leiterinnen dieſer Schulen weder einen Gefallen tun, noch will ich beſtimmten Schichten unſerer Bevölke⸗ rung einen Gefallen tun. — Meine Herren, wenn man ſich die Namen der Schülerinnen anſieht, die dieſe Schulen beſuchen, ſo kommt man zu der Auf⸗ faſſung, daß es gewiſſe Schichten der Bevölkerung ſind, die nicht zur breiten Maſſe gehören. — Wenn einzelne Bürger unſerer Stadt ihre Kinder gern in derartigen Zirkeln unterrichten laſſen wollen, dann mögen ſie das freundlichſt mit ihrem Gelde tun, dann mögen ſie die Lehrerinnen auch mit ihrem Gelde pen⸗ ſionieren. Das Geld der Allgemeinheit iſt für ſolche Zwecke nicht vorhanden. Das iſt meine Anſicht. (Bravo!) Bürgermeiſter Matting: Meine Herren! Die Ausführungnen des Herrn Stadtv. Neumann laſſen mich hoffen, daß, wenn Ihnen die endgültige Vor⸗ lage des Magiſtrats über dieſe Frage zugegangen ſein wird, der Stadtv. Neumann für die Vorlage des Magiſtrats im Sinne der heutigen Auffaſſung des Magiſtrats ſtimmen wird. Denn wenn auch natürlich dadurch, daß wir einen beſtimmten Teil der Ver⸗ ſicherungsquote übernehmen, die die Privatſchulvor⸗ ſteherinnen aufwenden müßten, um den Verpflich⸗ tungen aus dem Reichsgeſetz zu entſprechen, eine ge⸗ wiſſe Unterſtützung der Schulvorſteherinnen eintritt, ſo legen wir doch anderſeits durch unſere Bedingungen den Schulvorſteherinnen derartige Laſten auf, daß das, was ſie in Geſtalt des Zuſchuſſes zur Verſiche⸗ rung von uns bekommen, reichlich abgegolten wird durch dasjenige, was ſie, wenn ſie unſere Bedingungen erfüllen wollen, den Leherinnen an Gehalt und ſon⸗ ſtiger Fürſorge gewähren müſſen. Deshalb gerade konnte in dem Ausſchuſſe das Wort geſprochen wer⸗ den: möglicherweiſe gibt es Schulvorſteherinnen, die geradezu dabei ſparen, wenn ſie ſich dieſe Wohltat des Magiſtrats nicht verſchaffen, weil ſie dann eben ihre Lehrerinnen ſo viel ſchlechter ſtellen können und jede Kontrolle über die Art der Behandlung ihrer Lehre⸗ rinnen wegfällt. Das iſt eine mittelbare Wohltat zu⸗ gunſten der Lehrerinnen, die der Magiſtrat mit ſeiner Vorlage erzielen wollte und die keinesfalls als eine Unterſtützung der Privatſchulen oder Schulvorſtehe⸗ rinnen, ſondern lediglich als eine Kräftigung der Poſition der Lehrerinnen an den Schulen angeſehen werden kann. Stadtv. Dr Landsberger: Meine Herren! Ich möchte zunächſt Herrn Kollegen Borchardt erwidern, daß er mir nicht nachgewieſen hat, daß ich übertrieben habe. Ich pflege das überhaupt nicht zu tun; ich gebe mir Mühe, meine Argumente ſo vorzubringen, daß ich zu ihrer Hervorhebung einer Uebertreibung nicht bedarf. Ich habe nicht geſagt, daß im öffent⸗ lichen Leben der Antiſemitismus — ich habe übrigens den Ausdruck gar nicht einmal gebraucht — die häß⸗ lichſte Erſcheinung iſt, ſondern ich habe geſagt: eine der häßlichſten Erſcheinungen. Vielleicht ſteht Herr Kollege Borchardt doch auf dem Standpunkt, daß er das wenigſtens anerkennen wird. Aber das iſt nur eine rein perſönliche Sache. Ich muß auf zwei Punkte zurückkommen, die von ihm und auch von anderen Herren hier in der Debatte vorgebracht worden ſind. Sitzung vom 8. Mai 1912 Zunächſt muß ich ſagen: es iſt erforderlich, die Lehrerinnen von der Vergünſtigung mit auszu⸗ nehmen, die an ſolchen eximierenden Schulen wirken, wenn man die volle Kennzeichnung dieſer Schulen wirklich ſeitens der Stadt ausſprechen und zum Aus⸗ druck bringen will. Sie ſind nicht ſo „unſchuldig wie ein neugeborenes Kind“ — ein Ausdruck, den Herr Kollege Dr Borchardt gebraucht hat —, ich halte es ſogar für eine gewiſſe Beleidigung des Lehrerinnen⸗ ſtandes, wenn man ihnen das nachſagt. Ich weiß ſehr wohl, daß auch die Notlage jemand auf einen falſchen Weg bringen kann, das kann vorkommen; immerhin muß er ſich bewußt ſein, daß er, wenn er ſich an ſolchen Schulen bewirbt, gewiſſe Chancen auf⸗ gibt, daß er ſich gegen Beſtrebungen ganz ernſter Art in Widerſpruch ſetzt und daher die Konſequenzen zu tragen hat. Intolerant wollen wir gegen die Lehrerinnen nicht ſein, wie wir überhaupt nicht intolerant ſein wollen. Hier handelt es ſich darum, daß wir ganz im Einverſtändnis mit dem Magiſtrat denjenigen Schu⸗ len eine entſchiedene Bekämpfung entgegenſetzen wol⸗ len, die ſolche Intoleranzpolitik treiben. Und nun bin ich ſehr überraſcht geweſen, aus einem demokratiſchen Munde, wie dem des Kollegen Borchardt, den Appell an den Magiſtrat hier vorge⸗ bracht zu hören (Sehr richtig! und Heiterkeit bei den Liberalen) und die Hoffnung ausgedrückt zu hören, daß der Magiſtrat in dieſer Sache ſeiner Ueberzeugung und ſeiner Empfindung folgen werde. (Sehr gut!) Von dem Magiſtrat iſt ebenfalls zu meiner Ueberraſchung geäußert worden, daß er gegen den Sinn deſſen, was, wie wir hoffen, meine Herren, bei Ihnen die Mehrheit finden wird, eine Vorlage brin⸗ gen wird. Ich habe im Gegenteil die feſte Erwar⸗ tung, daß, wenn die Majorität der Stadtverordneten⸗ verſammlung ſich in dem Sinne des Antrags Meyer äußern ſollte, übrigens auch des Ausſchußantrags — denn der will ja auch nicht das, was Herr Kollege Borchardt und was der Magiſtrat will, da eben bloß beſtimmte Schulen, die einen gewiſſen Prozentſatz zu⸗ laſſen, nicht getroffen werden ſollen — alſo wenn die Mehrheit der Stadtverordnetenverſammlung ſich auf den Standpunkt, ſei es des Antrags Meyer, den wir empfehlen, ſei es des Ausſchußantrags, den eine noch größere Mehrheit dieſer Verſammlung empfehlen würde, ſtellt, dann habe ich allerdings die beſtimmte Erwartung, daß Magiſtrat uns eine Vorlage bringen wird, die dieſer Meinungsäußerung entſpricht, (Sehr gut!) und ich glaube, Magiſtrat könnte fich darauf ver⸗ laſſen, daß wir eine Vorlage, die dieſer Aeußerung nicht entſpricht, ablehnen werden. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Daß wir aus dem Munde gerade des Herrn Kollegen Borchardt eine Empfehlung ſolcher Politik des Magiſtrats erleben, iſt überraſchend.