Sitzung vom 8. Mai 1912 den Haltung des Magiſtrats nicht bekommen, und deshalb, fürchte ich auch, wird die Hoffnung des Herrn Kollegen Meyer kaum in Erfüllung gehen. Herr Kollege Meyer rechnet darauf, daß die Mit⸗ glieder des Abgeordnetenhauſes, die zugleich dieſer Verſammlung angehören, im Abgeordnetenhauſe im Sinne unſeres Beſchluſſes tätig ſein werden. Ich zweifle gar nicht daran, daß die Kollegen das tun werden. Aber wir geraten doch angeſichts der Hal⸗ tung des Magiſtrats in eine ſehr unangenehme Situ⸗ ation. Denn wenn wir im Landtage unſere Anſich⸗ ten entwickeln, wenn wir ſagen: die Stadtverord⸗ netenverſammlung ſteht auf dem und dem Stand⸗ punkt, dann braucht die Regierung gar nichts weiter zu tun, als die Vorlage des Magiſtrats zur Hand zu nehmen und zu ſagen: ſeht mal, welche ſchönen Gründe — ſchön natürlich nur vom Standpunkt der preußiſchen Regierung — welche ſchönen Gründe euer Magiſtrat gegen euren Beſchluß anführt! Nun, meine Herren, fragt es ſich, welchen Weg wir jetzt einſchlagen ſollen. Es bliebe ja die Mög⸗ lichkeit, daß wir allein uns mit einer Petition an den Landtag wenden. Ich war urſprünglich geneigt, einen ſolchen Antrag zu ſtellen. Aber nach näherer Ueberlegung ſagte ich mir doch, daß es beſſer iſt, wenn wir von einer Petition Abſtand nehmen. Wir wür⸗ den, wie die Lage ſich nun einmal geſtaltet hat, nichts weiter damit erreichen, als daß wir die Zahl der Pe⸗ titionen, die in den Papierkorb wandern, vermehren. Aber, meine Herren, wenn unſere Wünſche keine Be⸗ rückſichtigung finden, wenn jede Hoffnung auf eine beſſere Ausgeſtaltung der Steuergeſetze verſchwunden iſt, dann trägt die Schuld daran der Magiſtrat mit ſeiner völlig ablehnenden Haltung. Ich glaube, daß der Magiſtrat durch ſeine Stellungnahme lediglich dem preußiſchen Finanzminiſter einen Dienſt er⸗ wieſen hat, der ſich bei der ablehnenden Haltung, die er bisher eingenommen hat, in Zukunft auf den Char⸗ lottenburger Magiſtrat berufen kann. Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Meine Herren! Wir ſtehen auf demſelben Standpunkt, den der Herr Vorredner eben ausgeführt hat: daß wir mit einer Petition, die wir eventuell eingereicht haben würden, und zwar allein eingereicht haben würden, lediglich die Anzahl der Petitionen vermehrt haben würden, die in den Papierkorb wandern. Und wir haben ſehr ernſtlich die Abſicht gehabt, die Petition einzureichen, und haben umfangreiches Material dafür geſammelt. Insbeſondere haben wir auf Ihr Erſuchen, auf die Reſolution hin, uns an die Gemeinden Berlin, Schöneberg, Wilmersdorf, Rirdorf, Spandau, Steg⸗ litz, Friedenau, Zehlendorf, Schmargendorf gewandt, alſo wohl alle Gemeinden, die hier überhaupt in Frage kommen, haben ſie gleichzeitig um Stellung⸗ nahme in dieſer Frage erſucht und angefragt, ob ſie ſich einer Petition anſchließen würden, und haben außerdem noch ſtatiſtiſche Unterlagen uſw. von ihnen erfordert. Das Reſultat, meine Herren, iſt nun eben dasjenige geweſen, was wir in der Vorlage Ihnen angeführt haben: ein allgemein negatives. Denn von dieſen Gemeinden haben ſich Wilmersdorf, Rir⸗ dorf und Spandau alattweg ablehnend verhalten, Schöneberg, Steglitz, Schmargendorf und Zehlendorf haben ſich abwartend verhalten, Berlin hat eine un⸗ beſtimmte Antwort gegeben, und lediglich Friedenau hat geantwortet, es würde ſich einer Petition an⸗ ſchließen. Nach dieſem Schlag ins Waſſer, was die Gemeinſamkeit einer Aktion hier in Groß⸗Berlin 209 betraf, haben wir uns geſagt, daß auch unſer Vor⸗ gehen ſo vereinzelt ſein würde, daß es nicht richtig ware, vorzugehen. Ich wollte nur Herrn Stadtver⸗ ordneten Hirſch auf ſeine direkte Anfrage, woher wir das wüßten, daß ſich die Gemeinden ablehnend ver⸗ halten, erwidern, daß eine ſehr eingehende Umfrage ſtattgefunden hat, daß ſehr eingehendes Material in meinen Akten vorhanden iſt, das hier zur Verfügung ſteht. Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Es iſt ja ſehr nett, daß der Magiſtrat uns jetzt die Auskunft gibt. Aber meine Anfrage war durchaus berechtigt. Denn in den Akten, die uns zur Verfügung ſtehen, iſt ab⸗ ſolut nichts davon enthalten. Die Akten enthalten nichts weiter als den Wortlaut der Vorlage nebſt Begründung. Es wäre ſehr erwünſcht, wenn in einer ſo wichtigen Frage auch in den Akten, die der Stadt⸗ verordnetenverſammlung zur Verfügung ſtehen, das notwendige Material zur Beurteilung des Stand⸗ punktes des Magiſtrats enthalten wäre. Der Herr Kämmerer irrt ſich, wenn er ſagt, daß der Magiſtrat auf demſelben Standpunkt ſtehe, dem ich Ausdruck verliehen habe, daß nämlich die Peti⸗ tion nur in den Papierkorb wandern würde. Nein, meine Herren, ich bin nicht der Meinung, daß eine Petition, die wir gemeinſam eingereicht hätten, auf alle Fälle in den Papierkorb gewandert wäre, ſon⸗ dern ich habe nur geſagt, daß, wenn wir, die Stadt⸗ verordnetenverſammlung, jetzt allein vorgehen, nach⸗ dem dieſe Antwort des Magiſtrats im Druck vor⸗ liegt, unſere Petition zweifellos in den Papierkorb wandern wird. Darüber beſteht ja doch gar kein Zweifel, daß für den Magiſtrat in erſter Linie finan⸗ zielle Erwägungen maßgebend geweſen ſind. Der Magiſtrat will — das ſcheint mir die Hauptſache zu ſein — auf die Einnahme von 200 000 ℳ nicht ver⸗ zichten. Das iſt der weſentliche Grund, aus dem er ſich der Abſendung einer Petition widerſetzt. Hätte der Magiſtrat uns geſagt: die übrigen Gemeinden haben teils abgelehnt, teils wollen ſie ſich abwartend verhalten, nur eine hat zugeſtimmt, wir können des⸗ halb nicht gemeinſam vorgehen — ſo wäre es etwas ganz anderes, als wenn er uns hier, wie es ge⸗ ſchehen iſt, mitteilt: die und die Gründe ſprechen gegen eine Heraufſetzung des ſteuerfreien Exiſtenz⸗ minimums. Tatſächlich ſteht der Magiſtrat auf dem Standpunkt, daß Zenſiten mit einem Einkommen von 900 bis 1200 ℳ nicht ſteuerfrei ſein ſollen. Das iſt der wirkliche Grund der Ablehnung, nichts anderes. Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Meine Freunde nehmen lediglich von der Antwort des Magiſtrats Kenntnis. Für meine Perſon möchte ich aber doch einige Worte zu der Angelegenheit ſagen. Ich ſtehe perſönlich auf dem Standpunkt, daß eine Steuerbefreiung überhaupt nicht richtig iſt. (Stadtv. Hirſch: Hört! hört!) In den Ausführungen des Magiſtrats ſind ja auch dafür Gründe angedeutet. Es iſt ausdrücklich darauf hingewieſen, daß zum großen Teil ſolche Leute in Betracht kommen, die nicht verheiratet ſind, und daß dieſe ſehr wohl die kleinen Beträge zahlen können. Meine Herren, ich ſtehe nicht auf dem Standpunkt, wie man vielleicht nach einem Zuruf des Herrn Kollegen Hirſch annehmen könnte, daß man Leute mit einem geringen Einkommen hoch beſteuern ſollte. Nein, durchaus nicht. Der Steuerſatz für diejenigen,