Sitzung vom 22. Mai 1912 einen Teil des Genter Syſtems betrachtet, ſo liegt das daran, daß auch in Gent ſelbſt das Sparſyſtem ebenſo wenig Bedeutung gewonnen hat wie anderwärts. Die auf dem Wege der Unterſtützung der Sparer bis jetzt ſtattgefundene Arbeitsloſenverſicherung iſt überall äußerſt geringfügig geblieben. Dasſelbe muß man von den bisherigen Verſuchen ſagen, durch die Ge⸗ meinde eine eigene Arbeitsloſenverſicherungskaſſe ein⸗ zurichten. Wir haben dafür in Deutſchland lediglich zwei Beiſpiele gehabt: das iſt die Stadt Leipzig, bei welcher dieſer Verſuch bald im Sande verlief und auf⸗ gegeben werden mußte, und die Stadt Cöln, wo ſie in beſonderer Weiſe aufgebaut und durch beträchtliche Stiftungen unterſtützt war, und wo trotzdem der Be⸗ ſtand der Kaſſe nur dann weiter erhalten werden kann, wenn ſie reorganiſiert wird, und zwar in der Richtung des Genter Syſtems. Für eine ſtädtiſche Arbeitsloſen⸗ verſicherungskaſſe gibt es alſo, wenigſtens bei uns in Deutſchland, keine weiteren Beiſpiele, und wir würden den Verſuch — als einen ſolchen bezeichnet es der Magiſtrat auch in ſeiner Vorlage — als eine der erſten Städte machen. Die Spa r einrichtung iſt ebenfalls bisher nur ſehr wenig verſucht worden, wie überhaupt die Beſtre⸗ bungen zur Unterſtützung der Arbeitsloſen auf gemeind⸗ lichem Wege immer noch nur recht vereinzelt auftreten —, weſentlich deswegen, weil die Ueberzeugung allge⸗ mein iſt, daß ein wirklich nennenswerter, wirklich be⸗ deutſamer ſozialer Fortſchritt nur erfolgen könnte, wenn obligatoriſche Einrichtungen, und zwar vom Staate oder Reiche geſchaffen würden. Da das in abſehbarer Zeit nicht in Ausſicht ſteht, ſind immer⸗ hin einige ſozial empfindende Gemeinden mit Ver⸗ ſuchen vorgegangen, und da haben wir z. B. als Spar⸗ einrichtung eine Kaſſe in Mannheim gehabt — ich rekapituliere, wenn ich das ſage, auch Verhandlungen im Ausſchuß —, die lediglich darauf baſtert war. Aber auch dieſe Kaſſe kann in der bisherigen Form nicht weiter aufrechterhalten werden; es ſind innerhalb von 9 Monaten des Beſtehens der Kaſſe im ganzen 13 Sparer gemeldet geweſen — was das bei der großen Induſtriebevölkerung in Mannheim bedeutet, ergibt ſich von ſelbſt —, und zwar, weil die Gewerk⸗ ſchaft dieſe Arbeitsloſenverſicherung ſehr mißgünſtig anſah und eigentlich boykottiert hat. Fernerhin wurde die Form des Sparens und gleichzeitig die Unterſtützung derjenigen Arbeitsloſen, welche durch Berufsvereinigungen unterſtützt werden umd darauf ein Anrecht haben, in Erlangen durchge⸗ führt — entſprechend der Kleinheit der Stadt und ihrer geringen Induſtrie nur in kleinem Maßſtabe —, in größerem Umfange in Straßburg und in unſerer Nachbarſtadt Schöneberg, wo ja der von Straßburg gekommene Oberbürgermeiſter Dominicus die Sache mit beſonderem Eifer betrieben hat. Die Herren wird es intereſſieren, daß ich dank der Freundlichkeit des Herrn Oberbürgermeiſters die amtliche Zuſammen⸗ ſtellung der Ziffern mitteilen kann, welche ſich bei der Kaſſe in Schöneberg im letzten Etatsjahre ergeben haben. Vom 1. April 1911 bis zum 31. März 1912 waren von 1020 wegen Arbeitsloſigkeit in Schöne⸗ berg überhaupt unterſtützten Perſonen 22 Sparer; von den übrigen 998 gehörten 939 den freien Gewerk⸗ ſchaften an, alſo die weitaus meiſten; 3 gehörten dem Hirſch⸗Dunckerſchen Gewerkverein, 6 den chriſt⸗ lichen Gewerkſchaftsverbänden und 50 ſonſtigen Be⸗ rufsvereinigungen an. Von den aufgewandten 10 391 %ℳ kamen auf Sparer 510, auf Gewerkſchafts⸗ mitglieder 9320, auf Mitglieder aller übrigen Vereini⸗ gungen 559 ℳ. 215 Aus dieſer Mitteilung ergibt ſich das Verſtändnis dafür, daß gerade der meiſtſtrittige Punkt b des § 3 der erſten Vorlage eine ſo ſehr verſchiedene Auffaſſung finden konnte und einen großen Widerſtand hervor⸗ rief. Freilich ſollte man politiſche Erwägungen bei ſolchen wirtſchaftlichen und ſozialen Einrichtungen möglichſt außer acht laſſen. Sie finden, daß ſich der Ausſchuß zunächſt mit Anträgen zu befaſſen hatte, die Angelegenheit eigent⸗ lich überhaupt zu vertagen. In ſeiner erſten Sitzung war, wie Sie auf Seite 183 der Druckſachen, der erſten Seite unſerer Vorlage, erſehen, der Antrag ein⸗ gebracht, der Stadtverordnetenverſammlung zu empfehlen, dem Beſchluſſe des Deutſchen Städtetages beizutreten. Der Deutſche Städtetag, der im Herbſt vorigen Jahres in Poſen verſammelt war, und zu dem Mitglieder des Magiſtrats und Ihres Ausſchuſſes ebenfalls anweſend waren, war in ſeiner großen Mehr⸗ heit der Meinung, daß die Frage im gegenwärtigen Zuſtande der Entwicklung nicht als eine Angelegen⸗ heit der Gemeinden anzuſehen, daß vielmehr dar⸗ auf hinzuarbeiten ſei, für einzelne Berufe ſtaatliche Zwangseinrichtungen zu treffen, oder wenigſtens den Städten, die ſich dazu verſtehen wollten, die Berech⸗ tigung zur Schaffung ſolcher Zwangseinrichtungen zu erteilen. Die Verhandlungen des Städtetages haben eine weitere Förderung wirklicher ſtädtiſcher Verſiche⸗ rungen nicht geliefert. Es wurde immer hervorge⸗ hoben, daß Durchgreifendes eben nur auf dem Wege der Zwangseinrichtung und nur auf geſetzlicher Baſis geleiſtet werden könnte, und daß durch freiwillige Schaffung einer ſolchen Einrichtung durch Gemeinden michts würde erreicht werden können. Allerdings wird dabei immer überſehen, daß von anderer Seite auf freiwilligem Wege in der Tat ſehr Erkleckliches erreicht worden iſt. Es iſt allgemein bekannt, daß von den freien Gewerkſchaften z. B. im Jahre 1909 8½ Millionen zum Zwecke der Arbeitsloſenunter⸗ ſtützung aufgewendet worden ſind, und daß auch die Hirſch⸗Dunckerſchen und andere Gewerkvereine be⸗ trächtliche Summen für dieſen Zweck aufbringen. Im Ausſchuſſe war weiter ein Antrag eingebracht worden, daß der Magiſtrat erſucht werden ſollte, wegen Einführung einer Arbeitsloſenverſicherung mit den Großberliner Gemeinden, mindeſtens mit Berlin und den größeren weſtlichen Vororten in Verbindung zu treten. Wir wiſſen, daß ſolche Abſichten ſelten zum Gelingen führen. Wir finden nicht immer den nötigen Reſonanzboden, namentlich bei der Hauptgemeinde Berlin ſelbſt, und der Ausſchuß meinte deshalb, wenn man einen Fortſchritt machen wollte, ſolche Beſtre⸗ bungen nicht abwarten zu können. Beide Anträge ſind, wie Sie aus der Vorlage erſehen, gegen 2 Stim⸗ men abgelehnt und vielmehr ein Vorgehen unſerer⸗ ſeits, unabhängig von anderen Gemeinden, beſchloſſen worden. Ich muß nun noch auf den § 3, der bei den Abſtimmungen des Ausſchuſſes ein verſchiedenes Er⸗ gebnis gefunden hatte, mit einigen Worten eingehen, indem ich verſuche, Ihnen die Stimmungen hier wiederzuſpiegeln, welche die Gegner und die Freunde der Vorlage geltend machten. Die Gegner hoben hervor, man treibe die Ar⸗ beiter den freien Gewerkſchaften zu, denjenigen Körperſchaften, von denen, wie ich ausgeführt habe, das weitaus Meiſte in Hinſicht der Unterſtützung der Arbeitsloſen geleiſtet wird. Andererſeits wurde dem⸗ gegenüber geſagt, daß es doch eben nicht ausſchließlich die freien Gewerkſchaften ſeien, deren Mitglieder durch ſolche ſtädtiſchen Zuſchüſſe unterſtützt würden, ſondern