218 von der Stadt erhalten, kann man es nicht zumuten, noch der ſtädtiſchen Kaſſe gegen Arbeitsloſigkeit bei⸗ zutreten. Wozu ſollte er denn dann beitreten? (Sehr richtig!) Meine Herren, wir legen aber nicht bloß Ge⸗ wicht darauf, daß die Arbeiter unſerer Kaſſe bei⸗ treten, ſondern wir würden es mit Freude begrüßen, wenn auch große Arbeitgeber die Geſamtverſicherung benutzten. Und meines Erachtens iſt ja auch der Ma⸗ giſtrat als großer Arbeitgeber in der Lage, eventuell die Idee der Arbeitsloſenverſicherungskaſſe in den Kreiſen der ſtädtiſchen Arbeiter zu begünſtigen, publik zu machen, für ſie zu agitieren. Aber, meine Herren, wie ſollte es einem Arbeitgeber möglich ſein, die Ar⸗ beitsloſenverſicherung eventuell für ſeinen Betrieb, für die bei ihm Beſchäftigten einzuführen, wenn er der Weigerung eines großen Teils ſeiner Arbeiter⸗ ſchaft gewärtig ſein muß, die folgende Begründung ins Feld führen kann: nein, wir laſſen uns nicht ver⸗ ſichern, denn wir ſind ja ſchon bei der Gewertſchaft verſichert, und die Stadt bewilligt uns ja ohnedies den Zuſchuß! Daß dann ſelbſt ſoziale Arbeit⸗ geber die Entwicklung unſerer Kaſſe unterſtützen werden, halte ich für ausgeſchloſſen. Und, meine Herren wir würden es ebenfalls mit großer Freude begrüßen, wenn die Gewerk⸗ ſchaften, wenn die Vereine als ſolche von der Be⸗ ſtimmung Gebrauch machen wollen, Mitglieder bei der ſtädtiſchen Kaſſe zu verſichern, entweder in der Form der Zuſatzverſicherung oder der Rückver⸗ ſicherung ihrer Mitglieder, wie z. B. in Cöln. Wenn man die Leiſtungen der ſtädtiſchen Kaſſe denen der Gewerkſchaften gegenüberſtellt, dann müßten die Arbeiter und die Gewerkſchaftsführer ja förmlich mit Blindheit geſchlagen ſein, die von der ſtädtiſchen Kaſſe gebotenen Vorteile auszuſchlagen. Denn was erhält der Verſicherte in der ſtädtiſchen Verſicherungs⸗ kaſſe“ 1 ℳ Tagegeld von der Stadt und außerdem 50 „ Zuſchuß; das macht ein Arbeitsloſengeld von 1,50 ℳ aus, während, wie ich vorhin ſchon aus⸗ führte, bei ſehr vielen Gewerkſchaften der Satz der Arbeitsloſenunterſtützung zwiſchen 50, 60 und 70 3 ſich bewegt. Und ſehen Sie ſich mal die Karenzzeiten an, die bei den Gewerkſchaften und die bei der ſtädtiſchen Arbeitsloſenkaſſe vorgeſehen ſind. Meine Herren, bei der ſtädtiſchen Arbeitsloſenkaſſe wird nur eine Ka⸗ renzzeit von 26 Wochen gefordert; Gewerkſchaften haben aber meiſt eine Karenzzeit von 52 Wochen: alſo überall ſchlägt der Vergleich zugunſten unſerer Kaſſe aus; und was die Hauptſache iſt, die Kaſſe verſpricht bei der großen Arbeiterbevölkerung Char⸗ lottenburgs lebensfähig zu werden, wenn die Gewerk⸗ ſchaften ſich für ſie intereſſieren und wenn ſie uns auch gute Riſiken zuführen. Denn dann iſt es ganz klar, daß ſich die ſchlechten durch die guten Riſiken ausgleichen können. Wenn der Magiſtrat nun der Anſicht iſt, der Beſchlußfaſſung der Stadtverordnetenverſammlung nur dann beizutreten, wenn die Vorlage in allen Teilen Annahme findet, ſo hat ihn dazu meines Er⸗ die Angſt vor der gewerkſchaftlichen Agitation geführt, (Ach! bei den Sozialdemokraten) das heißt vor der gewerkſchaftlichen Agitation, die Sitzung vom 22. Mai 1912 verhindern will, daß eine ſolche Kaſſe in Charlotten⸗ burg eingerichtet wird. Meine Herren, der Herr Re⸗ ferent hat ja ſchon ausgeführt, daß die Gewert⸗ ſchaften in Mannheim gegen ein Syſtem der Arbeits⸗ loſenverſicherung agitiert haben, und ich erinnere ge⸗ rade die Herren Sozialdemokraten daran, daß, als hier davon die Rede war, periodiſche Arbeitsloſenzählun⸗ gen einzuführen — eine Maßnahme, die uns momen⸗ tan vielleicht ſehr nutzbringend geweſen wäre, da uns dann die Reſultate von einer Reihe von Arbeits⸗ loſenzählungen vorlägen — damals die Sozialdemo⸗ kraten verſagten, weil die Zählungen nicht nach dem von ihnen beliebten Modus vorgenommen wurden. (Widerſpruch bei den Sozialdemokraten.) — Herr Kollege Hirſch iſt ja ſonſt ſehr bewandert in dieſen ſtädtiſchen Angelegenheiten; er kann den Vorgang in den Sitzungsberichten der Stadtverord⸗ netenverſammlung nachleſen. (Stadtv. Hirſch: Alles falſch, was Sie ſagen!) Meine Herren, ich erinnere weiter daran, daß, als auch eine gemeinnützige Inſtitution — nicht hier in Charlottenburg allein, ſondern in ganz Deutſch⸗ land — ins Leben gerufen werden ſollte: der pari⸗ tätiſche Arbeitsnachweis, es auch die Gewerkſchaften waren, die im Anfang dieſe gemeinnützige Inſtitution nicht unterſtützten. Aber der paritätiſche Arbeits⸗ nachweis hat ſich durchgeſetzt, und die Gewerkſchaften haben ſich bekehrt, was ich dem Magiſtrat in Erinne⸗ rung zurückzurufen mir erlaube. Die Gewerkſchaften ſtimmen jetzt der Errichtung des ſtädtiſchen Arbeits⸗ nachweiſes zu, worüber ich meine Genugtuung aus⸗ drücke. Mit der Entwicklung der ſtädtiſchen Arbeits⸗ loſenkaſſe dürfte man ähnliche Erfahrungen machen. Wenn wir die Hauptſchwierigkeiten überwunden haben, wenn die Kaſſe erſt im Gange iſt, dann, glaube ich, werden auch die Gewerkſchaften ihren Widerſtand gegen eine Arbeitsloſenverſicherung in unſerm Sinne aufgeben. Und, meine Herren, ich plädiere beſonders für die Arbeitsloſenkaſſe als Freund der Arbeitsloſen⸗ verſicherung, und weil ich die Anſicht vertrete: wenn erſt Charlottenburg eine gute Entwicklung einer Ar⸗ beitsloſenverſicherungskaſſe aufweiſen kann, dann werden wir eine große Arbeitsloſenverſicherungskaſſe in Großberlin bekommen, die eventuell auf Tauſende von Mitgliedern rechnen kann. Denn Großberlin weiſt nicht weniger als eine Arbeiterbevölkerung von mehr als einer Million Perſonen auf. Meine Herren, ich komme nun zu der dritten Art der Verſicherung, zu der ſogenannten Sparver⸗ ſicherung. Dieſe Verſicherung halte ich mehr für ein Dekorationsſtück der Vorlage. Meine Freunde können ſich zum Teil nicht für ſie erwärmen; ſie haben aber ſchließlich nichts dagegen, wenn ſie angenommen wird. Perſönlich kann ich ſagen: ich würde der Streichung dieſer Beſtimmung keine Träne nachweinen. Ich ſchließe, indem ich mich dahin reſümiere. Wir nehmen zwar die Magiſtratsvorlage im ganzen großen an, beantragen aber die Streichung des Satzes in § 3, der die Zuwendung von Zuſchüſſen an die Vereine enthält. (Bravol) Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Herr Kollege Dr Rothholz hat gemeint, der Magiſtrat habe