222 der Stadt wohnhaft ſind, einer Unterſtützung auf dem hier geplanten Wege teilhaftig werden zu laſſen. Es iſt aber auf der andern Seite auch nicht zu verkennen, daß die Verwaltung auch ein Intereſſe an den Ge⸗ werbebetrieben in der Stadt hat und daß deshalb die⸗ jenigen, die in der Stadt wohnen und in den zur Stadt gehörigen Betrieben arbeiten, gewiſſermaßen ein doppeltes Intereſſe für die Stadtverwaltung bieten, ſo daß ſich eine Einſchränkung, wie ſie vor⸗ geſehen war, doch auch ſachlich rechtfertigen läßt. Ich kann Ihnen, wie geſagt, da darüber kein Magiſtrats⸗ beſchluß gefaßt werden konnte, heute nicht ſagen, ob der Magiſtrat einer Aenderung, wie ſie der Aus⸗ ſchuß vorſchlägt, zuſtimmen wird oder nicht. Dagegenkann ich Ihnen ſagen und habe Ihnen ſchon im Ausſchuſſe ge⸗ ſagt, daß der Magiſtrat der Aende⸗ rung, die heute von dem Herrn Dr. Rothholz und von dem Herrn Stadtv. Dr Stadthagen befürwortet wird, nicht zuſt immen kann. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte hier gleich gegen die Anſicht proteſtieren, daß der Magiſtrat etwa aus Voreingenommenheit handle, und Herr Dr Stadthagen hatte wirklich nicht nötig, uns um eine Prüfung ohne Voreingenommen⸗ heit zu erſuchen. Wenn infolge des heuti⸗ gen Beſchluſſes die Arbeit vieler Jahre vergeblich werden ſollte, dann trifft nicht den Magiſtrat die Verant⸗ wortung daföür. Meine Herren, vergegenwär⸗ tigen Sie ſich doch einmal, wie ſich dieſe Arbeit vieler Jahre abgeſpielt hat! Der Magiſtrat hat ſich auf Ihren Wunſch mit Erwägungen beſchäftigt, ob und in welcher Form ſich die Verwendung öffentlicher Mittel für die Förderung der Arbeitsloſenverſicherung empfiehlt. Der Magiſtrat hat Ihnen eine ausführliche Denkſchrift vorgelegt, in der mein verehrter Vor⸗ gänger, Profeſſor Dr Jaſtrow, unter Zuſammen⸗ ſtellung des vorliegenden Materials die Anſichten aus⸗ einanderſetzte, zu denen er gelangt war und die er der gemiſchten Kommiſſion unterbreitete. Profeſſor Jaſtrow war der Anſicht, daß die ein zig mög⸗ liſchen Träger der Arbeitsloſen ver⸗ ſicherung die Berufsvereinigungen ſeie n. Er hat eine Satzung ausgearbeitet, die in erſter Linie ganz allein auf die Unterſtützung dieſer Berufsvereinigungen nach dem Genter Syſtem hinausging; er wollte nur ſo nebenbei noch allenfalls die auch zum Genter Syſtem gehörigen Zuſchuß⸗ leiſtungen auf Sparkaſſenguthaben gelten laſſen. Erſt in der gemiſchten Kommiſſton iſt dann von der Mehr⸗ heit mit Nachdruck betont worden, daß ſie lediglich eine Einführung des Genter Syſtems nicht für richtig hielte, daß ſie der nur zuſtimmen könnte, wenn gleich⸗ zeitig auch eine ſelbſtändige ſtädtiſche Arbeitsloſen⸗ verſicherungskaſſe eingerichtet würde. So kam dieſes Statut noch mit hinein. Wir haben damit eine Ord⸗ nung ſchaffen wollen, die alle Möglichkeiten bietet. Nun kommen Sie, meine Herren, und wollen nur das Letzte beibehalten und wollen die Grundlage des Ganzen, wie ſie Ihnen vorgelegt war und wie ſie auch die gemiſchte Kommiſſion angenommen hatte, beſeitigen! Sie werden zugeben, daß in dieſem Falle die vollkommene Ver⸗ ſchiebung des Ganzen und damit die Gefährdung nicht von ſeiten des Ma⸗ giſtrats herbeigeführt iſt. Sitzung vom 22. Mai 1912 Ich muß nun auf die Gründe eingehen, die für dieſes Vorgehen von den Herren Vorrednern ange⸗ führt worden ſind. Da iſt es ſehr merkwürdig, daß in dem einen Satze immer das Gegenteil von dem be⸗ wieſen wird, was der Vorderſatz geſagt hat. (Zurufe: Na, nal) Herr Dr. Rothholz behauptet: wenn wir eine ſolche Unterſtützung der Berufsvereinigungen beſchließen, dann würde eine große Unzufriedenheit bei den nicht Organiſierten beſtehen; ſie würden ſich beſchweren, daß diejenigen, die es nicht nötig haben, eine Unterſtützung bekommen ſollen, ſie ſelbſt aber nicht; denn die Ge⸗ werkſchaften würden ja nicht angehalten, eine Ver⸗ ſicherung einzuführen, und ſie bekämen Zuſchüſſe aus der Stadtkaſſe, ohne daß ſie an die Stadtkaſſe etwas ablieferten. Und dann führte nachher derſelbe Herr Dr. Rothholz aus, daß ja die Bedingungen bei unſerer ſtädtiſchen Kaſſe ſoviel günſtiger und verlockender wären als bei den Gewerkſchaften, daß die Gewerk⸗ ſchaften gar nichts anderes tun könnten, als ihre Leute bei uns zu verſichern. Ja, die Zuſchüſſe werden doch geleiſtet in dem einen Falle wie in dem andern, und wenn man ſich unter ſehr viel günſtigeren Bedingun⸗ gen verſichern und dann auch noch den Zuſchuß be⸗ kommen kann, ſo kann man ſich wahrlich nicht über 34 Zurückſetzung gegenüber den Organiſterten be⸗ agen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr Dr Stadthagen ſagt etwas, was auch aus den Ausführungen des Herrn Dr Rothholz hervor⸗ leuchtete: auf dieſe Weiſe würden diejenigen unter⸗ ſtützt, die es nicht nötig haben, und man ſollte doch der Notlage da ſteuern, wo ſie am größten iſt. Dieſer Satz iſt ſehr ſchön, und wenn wir ihn befolgen wollen, dann lehnen wir am beſten die ganze Sache ab; denn die ganze Vorlage iſt ſo aufgebaut, daß wir uns nach Möglichkeit doch die guten Riſiken auch für unſere Kaſſe ſichern wollen. Wir haben gewiſſe Vorſichts⸗ maßregeln treffen müſſen. Wenn wir den Grundſatz des Herrn Dr Stadthagen befolgen wollten, dann müßte es nicht heißen: „der ſtädtiſchen Arbeitsloſen⸗ verſicherungskaſſe kann beitreten, wer in den beiden vorangegangenen Jahren je mindeſtens 48 Marken für die Alters⸗ und Invaliditätsverſicherung geklebt hat“ —, ſondern es müßte ungefähr heißen: „es kann beitreten, wer weniger als 30 Marken ge⸗ klebt hat“. (Sehr richtig!) Denn das ſind zweifellos diejenigen, die es noch viel nötiger haben, als diejenigen, die in der Regel ſtändig beſchäftigt waren. — Daß man ſo ſchlechte Riſiken ausſchließen muß, das iſt ein Uebelſtand all dieſer Verſicherungen, das gebe ich ohne weiteres zu, und ich ſtimme mit den Herren Vorrednern vollkommen darin überein: eine wirklich zweckmäßige und gründliche Arbeits⸗ loſenverſicherung iſt nur möglich, wenn ſie obliga⸗ toriſch wird, und es wäre das Mindeſte, was für eine gute Verſicherung notwendig iſt, daß den Gemeinden oder größeren Gemeindeverbänden das Recht gegeben wird, eine ſolche Verſicherung, ſei es allgemein, ſei es für einzelne Berufe, obligatoriſch einzuführen. Aber wir wiſſen doch ganz genau, meine Herren, daß es bis dahin weite Wege hat. Der Deutſche