224 Weiter wird beklagt, daß die Beiträge nach den⸗ jenigen, die die Berufsvereinigung zahlt, abgeſtuft werden, daß alſo die Stadt nicht gleichmäßig, ſon⸗ dern nach beſtimmten Maßſtäben unterſtützt. Darin wird eine gewiſſe Ungleichheit geſehen. Ganz ge⸗ wiß. Man mag dieſe Ungleichheit beklagen, aber ſie entſpricht den tatſächlichen Verhältniſſen; ſie ent⸗ ſpricht der Möglichkeit des einzelnen, für die Zeit der Arbeitsloſigkeit höhere oder geringere Beiträge aufzubringen, reſp. ſie entſpricht der Lage in dem betreffenden Gewerbe, das je nach der größeren oder geringeren regelmäßigen Arbeitsloſigkeit die Tage⸗ gelder abſtufen muß. Die Stadt wird ſich, wenn ſie auf halbwegs verſicherungstechniſchem Boden ſich be⸗ wegen will, nicht ganz von dieſer Skala losmachen können. Daß dieſe Skala nicht nach oben mißbraucht werden kann, dafür ſorgt der in unſerer Ordnung feſtgeſetzte Höchſtbetrag des Zuſchuſſes von im ganzen 1 ℳ. Und nun wollen Sie doch immer micht ver⸗ geſſen, daß es demjenigen, der bei ſeiner Berufs⸗ vereinigung inſofern ſchlecht geſtellt iſt, als dieſe über⸗ haupt keine Verſicherung hat oder, falls ſie eine hat, nur geringe Tagegelder gewährt, — das es jedem möglich iſt, bei den günſtigen Bedingungen, die wir ſtellen, bei unſerer ſtädtiſchen Kaſſe eine Zuſatzver⸗ ſicherung zu nehmen, wozu er dann auch einen weite⸗ ren Zuſchuß von der Stadt erhalten würde, oder ſich allein bei dieſer Kaſſe zu verſichern. Meine Herren, ich komme auf das Weſentliche meiner Ausführungen zurück. Wir ſehen in dem von der gemiſchten Kommiſſion vorgeſchlagenen und von uns angenommenen Syſtem einen Weg, der allen An⸗ forderungen gerecht wird, und wir ſehen in dem Wege, den die Herren Dr Rothholz und Dr Stadthagen vorſchlagen, einen Weg zur Schaffung eines Syſtems, das nicht haltbar iſt und das unſere mühe⸗ volle Arbeit nur ins Lächerliche ziehen würde. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich glaube deshalb nicht in Ausſicht ſtellen zu können, daß der vorliegende Magiſtratsbeſchluß irgend eine Aenderung erfahren wird. (Bravo!) Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Von dem Kollegen Zietſch iſt mit der nötigen Unterſtützung der Antrag eingegangen, über den Antrag Rothholz zu § 3 namentlich abzuſtimmen. (Bravo! und Rufe: Nanul) Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Daß die Herren Rothholz und Stadthagen die Arbeiten des Magi⸗ ſtrats ins Lächerliche ziehen wollen, nehme ich nicht an. Ich glaube vielmehr, daß ſie ihre reaktionären, arbeiterfeindlichen und antiſozialen Anſchauungen deshalb vorgetragen haben, (Lachen bei den Liberalen und bei der vereinigten alten Fraktion) weil ſie es nicht beſſer verſtehen. Es iſt bedauerlich, daß derartige rückſchrittliche Anſchauungen, wie wir ſie ſeit langen Jahren in dieſem Saale nicht ver⸗ nommen haben, hier laut werden können. Wenn etwa ſolche Anſchauungen ſich Bahn brechen, dann wird die Zeit nicht mehr fern ſein, wo die Char⸗ Sitzung vom 22. Mai 1912 lottenburger Stadtverwaltung, die früher einmal ſtolz auf ihr ſoziales Empfinden war, in bezug auf ſoziale Geſinnung und die Betätigung des ſozialen Gedankens von allen anderen Gemeinden weit über⸗ trumpft wird. (Lachen.) Allerdings halte ich den Herren Rothholz und Stadt⸗ hagen mildernde Umſtände zugute; (Heiterkeit) ſie beſtehen in ihrer grenzenloſen Unkenntnis der gewerkſchaftlichen Bewegung. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Alles, was die Heren hier in bezug auf die Gewerk⸗ ſchaften vorgetragen haben, war von A bis 3 falſch. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr Rothholz und mit ihm Herr Stadthagen wollen in dem § 3 die Gewährung von Beihilfen an die Gewerkſchaften ſtreichen, d. h. ſie wollen der Vor⸗ lage den eigentlichen Kern nehmen, ſie wollen die Vorlage ſo geſtalten, daß ſie für jeden, dem überhaupt an einer vernünftigen Arbeitsloſenunterſtützung etwas gelegen iſt, unannehmbar wird. Der Herr Vertreter des Magiſtrats hat ihnen bereits nach⸗ gewieſen, daß das, was ſie wollen, das Wertvollſte aus der Vorlage herausnimmt. Ich habe nicht nötig, das, was Herr Stadtrat Spiegel geſagt hat, zu wiederholen, ich möchte hier nur namens meiner Freunde erklären, daß wir, wenn der Antrag Roth⸗ holz angenommen wird, der Vorlage irgendwelche Bedeutung nicht beimeſſen und geſchloſſen dagegen ſtimmen werden. (Zurufe bei der vereinigten alten Fraktion.) — Nielleicht tun wir Ihnen damit einen Gefallen; vielleicht wollen Sie überhaupt die Arbeitsloſen⸗ verſicherung zu Fall bringen und Sie wählen deshalb dieſen Umweg. (Zuruf bei den Liberalen.) Herr Stadtv. Rothholz ſagt, er hätte überhaupt keine Abneigung gegen die Gewerkſchaften. Nein, aus Ihrer ganzen Rede ging hervor, daß ſie gar keine Abneigung gegen die Gewerkſchaften haben, Sie haben nur Abneigung gegen irgend etwas, was Ihnen als Gewerkſchaft vorſchwebt, was aber in Wirklichkeit gar keine Gewerkſchaft iſt. Sie malen ſich die Bilder aus und ſagen: das ſind die Gewerk⸗ ſchaften. So ſtellen ſich die Gewerkſchaften in Ihrem Kopfe dar. Aber wie die Gewerkſchaften in Wirk⸗ lichkeit ausſehen, was ſie für Ziele verfolgen, das iſt Ihnen ganz gleichgültig, das führen Sie uns nicht vor. Meine Herren, in Wirklichkeit kommt doch das, was Sie wollen, darauf hinaus, daß die Gewerk⸗ ſchaften Ihnen dazu dienen ſollen, die von der Stadt errichtete Kaſſe lebensfähig zu erhalten. Die Ge⸗ werkſchaften ſollen Propaganda dafür machen, die Gewerkſchaften ſollen Propaganda machen für ein