226 entnehmen. Die freien Gewerkſchaften ſind es jeden⸗ falls nicht. Die freien Gewerkſchaften in Köln haben einen andern Standpunkt eingenommen, ſie haben ſich genau auf denſelben Standpunkt geſtellt, auf dem der Deutſche Gewerkſchaftskongreß ſteht, und dieſer hat ſich erſt auf ſeiner letzten Tagung im vorigen Jahre in Dresden für gemeindliche und ſtaatliche Zuſchüſſe zur gewerkſchaftlichen Arbeitsloſenfürſorge ausgeſprochen. Das iſt der Standpunkt des weitaus größten Teiles der deutſchen Gewerkſchaften, und auch in Cöln haben die freien Gewerkſchaften eine andere Haltung nicht beobachtet. Schon in Ihrem eigenen Intereſſe ſollten Sie nicht immer mit der Cölner Kaſſe operieren. Die Cölner Kaſſe iſt ja ein Beiſpiel dafür, wie eine Kaſſe nicht geſtaltet werden ſoll. Es wird Ihnen bekannt ſein, daß die Kaſſe in Cöln gezwungen geweſen iſt, ihr Statut weſentlich zu än⸗ dern. Was ſpeziell unſere Gewerkſchaften in Cöln betrifft, ſo haben ſie erklärt, daß ſie ſich dafür be⸗ danken, mit ihren Beiträgen einer verfehlten Grün⸗ dung, die nicht leben und nicht ſterben kann, das Daſein zu verlängern. Das iſt die Anſicht der Ge⸗ werkſchaften in Cöln über die Kaſſe. Es tut mir leid, daß Herr Rothholz durch den Artikel irregeführt worden iſt. Dann ſagt Herr Rotholz, und dagegen muß ich mich ganz beſonders verwahren, wenn dieſer Vor⸗ wurf überhaupt ernſt zu nehmen ſein ſollte: würden einzelne Mitglieder der Gewerkſchaften zu hohe Arbeitsloſenunterſtützung bekommen, dann würden die Gelder der Parteikaſſe zufließen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Er berief ſich als Beweis hierfür darauf, daß ja auch bei den Streiks diejenigen, die eine zu hohe Streik⸗ unterſtützung bekommen, das Geld in die Parteikaſſe abführen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das iſt toll!) Ich will nicht den Ausdruck ſagen, der mir auf der Zunge ſchwebt, ſehr ſchmeichelhaft wäre es nicht für Herrn Rothholz, ich glaube nicht, daß der Vorſteher den Ausdruck durchgehen laſſen würde. Wann und wo iſt es jemals vorgekommen, daß Arbeiter, die bei einem Streik eine zu hohe Unterſtützung be⸗ kommen haben, ihre Gelder in die Parteikaſſe ab⸗ geführt haben? (Widerſpruch und Zuruf bei den Liberalen: Das hat er nicht geſagt!) — Das haben Sie geſagt! (Widerſpruch des Stadtv. Dr Rothholz.) Ich gebe gern zu, daß Ihre Rede ſo konfus war — auch Herr Stadtrat Spiegel hat es angedeutet — (Glocke des Vorſtehers.) Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Herr Kollege Hirſch, ich muß Sie unterbrechen. Sie dürfen von der Rede eines Stadtverordneten nicht ſagen, daß ſie konfus geweſen iſt. Stadtv. Hirſch: Sagen wir, daß Sie ſo wenig ſyſtematiſch waren und ſich ſo in Widerſprüchen be⸗ weil ihnen das Syſtem nicht gefallen hätte. Sitzung vom 22. Mai 1912 wegt haben, daß Sie vielleicht ſelbſt nicht wiſſen, was Sie an einzelnen Stellen geſagt haben. — Wann und wo, frage ich, iſt es vorgekommen, daß Streik⸗ unterſtützungen in die Parteikaſſe gefloſſen ſind? Herr Rothholz hat da die Glocken läuten hören und weiß nicht, wo. Es iſt nämlich vorgekommen und wiederholt vorgekommen, daß gewerkſchaftlich orga⸗ niſierte Arbeiter, die ſelbſt während eines Streiks oder während einer Ausſperrung in Arbeit ſtanden, einen Teil ihres Verdienſtes in Form höherer Bei⸗ träge an die Streikkaſſe abgeführt haben. (Zurufe bei den Liberalen: Das iſt geſagt worden!) — Streikkaſſe und Parteikaſſe iſt einmal etwas ganz anderes, und zweitens hat Herr Rothholz das auch nicht geſagt. (Zurufe bei den Liberalen: Doch!) Daß die gewerkſchaftlich organiſierten Arbeiter von ihrem Verdienſt etwas für ihre im Streik befind⸗ lichen Brüder an die Streikkaſſe abführen, das iſt etwas ganz anderes, das iſt eine anerkennenswerte Tat, das iſt der Ausdruck eines ſtarken Solidaritäts⸗ gefühls. Dafür ſollte man die Arbeiter loben, nicht aber das als Grund gegen den vernünftigen Ausbau der Arbeitsloſenunterſtützungskaſſe anführen. Ebenſo falſch iſt auch das, was Herr Rothholz über die Arbeitsloſenzählungen in Charlottenburg geſagt hat. Er behauptete, die Gewerkſchaften hätten ſich an den Zählungen nicht mehr beteiligt, Ach nein, die Gewerkſchaften haben jahrelang die Ar⸗ beitsloſenzählungen hier in Charlottenburg vorge⸗ nommen, und ſie haben ſchließlich beſchloſſen, ſich an den Zählungen nicht mehr zu beteiligen, weil ſie geſehen haben, daß die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung alle Anträge von unſerer Seite auf Ein⸗ führung einer Arbeitsloſenunterſtützung abgelehnt hat. 7 (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Da haben ſich die Gewerkſchaften geſagt: wir ſind nicht dazu da, Sonntag für Sonntag herum⸗ zulaufen und der Gemeinde unſere Arbeitskraft zu opfern, wenn wir doch ſehen, daß das alles nur Spielerei iſt. Das iſt der Grund geweſen, alſo etwas anderes, als was Herr Rothholz hier angeführt at. Meine Herren, der wahre Grund der ab⸗ lehnenden Haltung der Herren Rothholz und Stadt⸗ hagen kommt ja in den Worten zum Ausdruck, es ſei ausgeſchloſſen, daß ſozial geſinnte Arbeitgeber ſich an der Entwicklung der Kaſſen beteiligen würden, wenn die Gewerkſchaften unterſtützt werden; denn die Arbeiter würden ja dann ſagen: ach, wir ſind ſchon verſichert, die Stadt zahlt ja an die Gewerk⸗ ſchaften Zuſchüſſe. Das iſt alſo der wahre Grund. Sie fürchten, daß durch die Unterſtützung der Ge⸗ werkſchaften der Maſſenbeitritt von Arbeitgebern für ihre Arbeiter verhindert wird; ſie fürchten, daß da⸗ durch das Beſtreben gewiſſer Arbeitgeber verhindert wird, ihre Arbeiter durch Wohltaten in eine wirt⸗ ſchaftliche Abhängigkeit zu bringen. (Lachen bei den Liberalen und bei der vereinigten alten Fraktion.)