228 Und wie ſoll denn irgend in der Welt eine materielle Unterſtützung der Gewerkſchaften eintreten dadurch, daß für jeden Arbeitsloſen, den ſie unter⸗ ſtützen, die Stadt 50 pCt. Zuſchuß hinzugibt? Nicht einen Pfennig darf ja die Gewerkſchaft dem Arbeits⸗ loſen weniger geben, weil die Stadt einen Zuſchuß gibt; denn ſo bald ſie einen Pfennig weniger gibt, wird der ſtädtiſche Zuſchuß um einen halben Pfennig vermindert. Es iſt ja gar nicht möglich, daß ſie dadurch Gelder frei bekommt. Es müßte denn ſein, daß, was angedeutet iſt, der eben Unterſtützte nun etwas von ſeiner Unterſtützung an die Parteikaſſe abgibt. Dafür iſt geſorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachſen! (Zuruf: Iſt ja gar nicht geſagt!) — Doch, es iſt behauptet worden. Ich ſehe in dem Zuſammenarbeiten der Ge⸗ meinden auf wirtſchaftlichem Gebiete mit den großen Vereinigungen der Arbeiterſchaft ein hoffnungs⸗ reiches Weiterfördern unſerer Entwicklung, und ich glaube, man hat keinen Grund, ſich dagegen zu ſträuben, weil man fürchtet, daß möglicherweiſe eine Begünſtigung eintritt; ich kann, wie geſagt, nicht ein⸗ ſehen, daß dieſe Befürchtung irgendwie begründet iſt. Nun ſagt Herr Kollege Rothholz, wenn auch nicht mit dieſen Worten, aber dem Sinne nach: die Vorlage gibt demjenigen, der ſchon hat, wer hat, dem wird gegeben. In der Tat ſind ja zweifellos die⸗ jenigen, die ſchon durch eine Vereinigung Unter⸗ ſtützung bekommen, beſſer daran als diejenigen, dic keiner Vereinigung angehören und nichts erhalten. Ja, ſteht denn das bei den Sparern, bei den Mit⸗ gliedern der ſtädtiſchen Arbeitsloſenkaſſe anders? Auch da handelt es ſich um Leute, die geſpart haben; (Sehr richtig!) auch da handelt es ſich um Leute, die an die Arbeits⸗ loſenkaſſe Beiträge gezahlt haben, alſo ein Recht auf Arbeitsloſenunterſtützung haben, die alſo auch ſchon etwas haben. Gewiß, die Frage der Arbeitsloſen⸗ unterſtützung überhaupt zu löſen, iſt nicht die Abſicht der Vorlage, ſondern ſie beſchreitet nur einen Weg, den wir, wie ich meine, gehen können. Bei der Häufigkeit, mit der wir jetzt wirtſchaftlichen Kriſen gegenüber⸗ ſtehen, und mit der wir unter ihnen leiden, wäre es doch ſehr wünſchenswert, daß die Gemeinden, da andere Wege vor der Hand ganz ausſichtslos ſind, ſich doch einmal zu einem Schritte aufraffen. Was die Verquickung der Vorlagen betrifft, ſo lann ich verſtehen, daß der Magiſtrat auf dem Stand⸗ punkt ſteht und auch die Herren Kollegen von der äußerſten Linken auf dem Standpunkt ſtehen: ent⸗ weder die ganze Vorlage oder gar nichts. Ich habe ſchon in meinem Bericht auseinandergeſetzt, daß auch iim Ausſchuß häufig behauptet und häufig geſagt wurde — und das hat durchaus nicht widerlegt werden lönnen —, daß die anderen beiden Wege der Unter⸗ ſtützung der Arbeitsloſen, der Unterſtützung an die Sparer und an diejenigen, welche Beiträge zu einer ſtädtiſchen Arbeitsloſenunterſtützung zahlen, wahr⸗ ſcheinlich nur minimale Erfolge aufweiſen werden. (Bürgermeiſter Matting: Sehr richtig!) Es iſt gar kein Zweifel darüber nach dem, was wir an anderen Stellen beobachtet haben. Sitzung vom 22. Mai 1912 Herr Kollege Dr Rothholz meinte, wenn er die Wahl hätte, ſo würde er die Sparmöglichkeit abſchaffen und nur die ſtädtiſche Arbeitsloſenkaſſe halten. Ich ſtehe gerade auf dem entgegengeſetzten Standpunkt; denn ich muß ſagen: wenn ich ein Arbeiter bin, der ſich gegen Arbeitsloſigkeit verſichert, ſo tue ich das am liebſten, indem ich ſpare; denn da habe ich gar nichts zu verlieren, da bleibt mir mein Geld; während ich doch ſchlechter geſtellt bin, wenn ich Beiträge zahle. Die Arbeitsloſenkaſſe, allein gehalten, kann uns auch beträchtlich teuer zu ſtehen kommen. Es iſt von mir ſelbſt ſchon hervorgehoben und hier wiederholt be⸗ tont worden: die ſchlimmſten Riſiken würden dieſer Kaſſe zufließen, weil für ſie bei den Berufsvereinen gar keine Verſicherungsmöglichkeit gegen Arbeitsloſig⸗ keit beſteht. Deshalb ſtehe ich auf dem Standpunkt, daß die Vorlagen gemeinſam — die mich nicht begeiſtern; daraus mache ich gar kein Hehl — zu akzep⸗ tieren ſind als ein Verſuch, den man wohl unter⸗ nehmen kann. Was die Anträge des Herrn Kollegen Stadthagen betrifft, ſo kann ich dem erſten Teil für den Fall zu⸗ ſtimmen, daß die Vorlagen angenommen werden, nämlich dem Teil, daß der Magiſtrat mit Land⸗ gemeinden in Verbindung treten ſoll, um durch einen umfaſſenderen Arbeitsnachweis Maßnahmen gegen Arbeitsloſigkeit zu treffen. Den zweiten Antrag, zu petitionieren, daß den Gemeinden oder Gemeindever⸗ bänden das Recht verliehen wird, zwangsweiſe be⸗ ſtimmte Gruppen der Arbeiterſchaft gegen Arbeits⸗ loſigkeit zu verſichern, halte ich für vorläufig völlig ausſichtslos und deshalb für überflüſſig. Stadtv. Richter: Meine Herren! Daß Herr Kol⸗ lege Rothholz und Herr Kollege Stadthagen, der leider den Saal verlaſſen hat, ſolche Ausführungen ge⸗ macht haben, nimmt mich eigentlich nicht wunder. Denn ſie kennen, glaube ich, die Arbeitsloſigkeit aus eigener Erfahrung nicht und vor allen Dingen auch die Tätig⸗ keit der Gewerkſchaften ſehr wenig. Meine Herren, alle diejenigen Körperſchaften oder diejenigen Herren Ihrer oder anderer PNarteirichtung oder Staats⸗ beamten, die jemals mit Gewerkſchaften dauernd zu tun gehabt haben, ſind über die Tätigkeit der Gewerk⸗ ſchaften und ihre Leiſtungen weſentlich anderer Mei⸗ nung. Ich könnte Ihnen hier viele Urteile anführen, die Ihnen zeigen können, daß die Tätigkeit der Ge⸗ werkſchaften von allen einſichtigen Politikern durchaus hoch geſchätzt wird. Meine Herren, ich habe hier leider nicht alle Aus⸗ führungen mit anhören können, aber die wichtigſten und zwar feindlichſten Aeußerungen gegen die vom 4 vorgeſchlagenen Einrichtungen habe ich doch gehört. Meine Herren, es wird hier immer ſo hin⸗ geſtellt — und es iſt mir unerfindlich, wie ſo etwas geſagt werden kann —, daß mit der Arbeitsloſenunter⸗ ſtützung gleichzeitig eine politiſche Partei unterſtützt wird. Meine Herren, bedenken Sie doch einmal, daß das Geld, das tatſächlich der Arbeitsloſe durch die Stadt erhalten würde, doch nur eine ganz geringe Zeit in ſeinem Beſitz bleibt. Wohin fließt es denn letzten Endes wieder? Es fließt ja gerade in die Taſchen derjenigen, die Sie, meine Herren, in Ihrer Mehrzahl vertreten. Der Arbeitsloſe hat ja gar nicht die Mög⸗ lichkeit, das Geld zu behalten. Und wenn ich Ihnen bei dieſer Gelegenheit in Erinnerung zurückrufen darf, wie bei der letzten Metallarbeiterausſperrung im vergangenen Jahre gerade der Verband Berliner De⸗ tailliſten an die Induſtriellen eine Eingabe gerichtet