230 vielſeitig, zunächſt auf geiſtig⸗ſittlichem Gebiet: Schaffung und Erweiterung von Bildungs⸗ gelegenheit durch Arbeiterbibliotheken, Arbeiter⸗ leſeſäle, Vorträge über allgemein bildende Gegenſtände, Fachkurſe zur beruflichen Weiter⸗ bildung, Ausgleichung der Fehler einer vernach⸗ läſſigten Lehrlingsausbildung; ſodann in wirt⸗ ſchaftlicher Hinſicht: Verbeſſerung und Siche⸗ rung der Lohnverhältniſſe durch Abſchluß feſter Tarifverträge, Unterſtützung bei Arbeisloſigkeit, wenn ſie infolge von Konjunkturveränderungen oder techniſchen Umwälzungen ſowie bei Streiks und Ausſverrungen eintritt, unentgeltliche Be⸗ ratung durch die Arbeiterſekretariate, koſtenloſe Vertretung vor dem Reichsverſicherungsamt — uſw.; ich will das nicht weiter leſen; nur den Schluß⸗ ſatz will ich Ihnen noch mitteilen: Der erzieheriſche Wert und bildende Einfluß der Gewerkſchaften auf die Arbeiter wurde von den Unternehmern vielfach überſehen — ebenſo wie von Ihnen, meine Herren — oder nicht zugeſtanden, obwohl gerade dieſe Seite der gewerkſchaftlichen Tätigkeit, durch welche die Leiſtungsfähigkeit der deutſchen Ar⸗ beiter ſehr gehoben und gefördert wird, auch den Unternehmern ſelbſt zugute kommt. Das ſteht in den Berichten der württembergiſchen Gewerbeaufſichtsbeamten vom Jahre 1907. Und dann ſagt ein Mann, der Ihnen jedenfalls auch nicht unbe⸗ kannt iſt, in bezug auf die Gewerkſchaftsvertreter: Ich bin von Leipzig mit der größten Hoch⸗ achtung von den Männern geſchieden, die ſich jahraus, jahrein dieſer Tätigkeit hingeben, und es iſt mir nicht zweifelhaft, daß ſie an ſich um das Vielfache geeigneter ſind, Vereinbarungen über die Arbeitsbedingungen im Holzgewerbe, die den tatſächlichen Verhältniſſen und der Bil⸗ ligkeit entſprechen und für beide Teile vorteil⸗ hafter ſind, herbeizuführen als irgend ein Schiedsrichter, weil ſie eben die erfahrenſten Sachverſtändigen ſind. Das, meine Herren, hat Seine Erzellenz der Miniſter Berlepſch 1908 in der „Sozialen Nraxis“ ausgeführt. Alſo, meine Herren, Sie ſehen hier von zwei Seiten Urteile, die weſentlich von dem Bilde ab⸗ weichen, das hier die Kollegen Stadthagen und Roth⸗ holz von den Gewerkſchaften entworfen haben, (Stadtv. Dr Rothholz: Gar nicht!) und dieſe Urteile, meine Herren, ſind dadurch zuſtande gekommen, weil die betreffenden Perſönlichkeiten ſich eben mit den Gewerkſchaften und ihren Einrichtungen beſchäftigt haben. Wenn nun Herr Kollege Rothholz dazwiſchen ruft, er hätte etwas Derartiges nicht geſagt, er hätte hier nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Gewerk⸗ ſchaften nicht förderlich ſeien für all das, was hier auch in der Vorlage gefordert wird, daß ſie nicht unter⸗ ſtützungsfähig ſeien, dann iſt es aber, wenn er es auch nicht wörtlich geſagt hat, durch alle ſeine Ausführun⸗ gen wie ein roter Faden hindurchgezogen. Meine Herren, das können Sie nicht abſtreiten: Sie haben ſich in der Geſamtheit Ihrer Ausführungen darauf beſchränkt, das, was hier den Gewerkſchaften reſp. ihren Einrichtungen zugute kommen ſoll, zu be⸗ kämpfen und alles das, was den Gewerkſchaften feind⸗ lich iſt oder feindlich wirken muß, eben zu ſtärken. Das können Sie nicht beſtreiten. Sie mögen es ja be⸗ ſtreiten wollen oder es verſuchen, um vielleicht zu ver⸗ Sitzung vom 22. Mai 1912 hindern, daß die wenigen Arbeiter, die ſchließlich Ihrer Partei noch nachlaufen, Ihnen abwendig werden. Aber, meine Herren, ich kann Ihnen ver⸗ ſichern, gerade in den Kreiſen derjenigen Gewerk⸗ ſchaften, die Ihrer Parteirichtung naheſtehen, gerade in den Kreiſen der Hirſch⸗Dunckerſchen Gewerkvereine iſt die Empörung über Ihre Haltung genau ſo vor⸗ handen wie in den Kreiſen der freien Gewerkſchaften. Bei unſeren Gewerkſchaften, die uns naheſtehen, denen wir angehören, iſt das nicht verwunderlich. (Stadtv. Meyer: Ich denke, ſie ſtehen Ihnen nicht nahe!) — Sie ſtehen mir ſehr nahe, ich bin ſogar Mit⸗ glied, Vertreter einer Gewerkſchaft. (Heiterkeit.) Davon, glaube ich, ſind Sie alle ſchließlich in⸗ formiert, und der Zwiſchenruf iſt meiner Anſicht nach, ich will nicht ſagen ſinnlos, aber zwecklos. (Heiterkeit.) Wir haben noch nie abgeſtritten, daß wir den Gewerkſchaften naheſtehen; wir arbeiten darin mit, und wir wünſchen, wie auch Herr Kollege Hirſch ſchon ſagte, nichts ſehnlicher, als daß alle Gewerkſchafts⸗ mitglieder auch der politiſchen Bewegung ſich widmen reſp. der Sozialdemokratie beitreten. (Zurufe.) — Wir haben es leider noch nicht erreichen können, hoffen aber, mit Ihrer Mithilfe ſehr bald dahin zu kommen, (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten) und wir hoffen fernerhin, daß auch die wenigen, die unſeren Reihen noch fernſtehen, die wenigen Hirſch⸗ Dunckerſchen Arbeiter und die wenigen chriſtlichen Arbeiter, die es noch gibt, die noch Ihnen nachlaufen, aus Ihrer Haltung einſehen lernen, daß ſie gründlich auf dem Holzwege ſind. Aber, meine Herren, ich glaube, alles das kann bei der Beurteilung dieſer Vorlage ausſcheiden, (Stadtv. Erdmannsdörffer: Sehr richtig!) wenn wir uns darauf beſchränken wollen, denen wirk⸗ lich zu helfen, denen ſie zugute kommen ſoll. Wir wollen der Arbeitsloſigkeit abhelfen, der unverſchul⸗ deten Arbeitsloſigkeit — Sie alle ſagen es und be⸗ mühen ſich, trotzdem Sie das Wort ſtets im Munde führen, nach Kräften, das, was der Magiſtrat vor⸗ ſchlägt, zunichte zu machen! Ich habe Ihnen ſchon ge⸗ ſagt: die Vorlage enthält manches, was meine Freunde gewiſſermaßen vor den Kopf ſtößt, und dem ſie nur mit gewiſſen Bedenken zuſtimmen können — genau ſo wird es bei Ihnen ſein —, und wenn wir trotzdem unſer Bedenken ausſchalten, ſo tun wir es lediglich aus dem Grunde, um das Reformwerk, das hier geſchaffen werden ſoll, zuſtande kommen zu laſſen, damit wir in dieſer Richtung endlich etwas vorwärts kommen. Die Beratungen über dieſe Vorlage gehen hier in Char⸗ lottenburg ſchon viele Jahre hindurch, und wenn Sie heute hier nicht endlich etwas Poſitives ſchaffen, dann wird es dahinkommen, daß man ſagt, daß Charlotten⸗