232 Dr Rothholz angenommen werden ſollte, das ganze Problem für geſcheitert halten muß. (Sehr richtig!) Stadtv. Jaſtrow: Meine Herren! Sowohl Herr Kollege Richter wie Herr Kollege Hirſch ſagten: wenn wir dieſe Unterſtützung der Gewerkſchaftskaſſen ſtreichen wollten, dann würde Charlottenburg, das doch durch ſeine bisherigen Taten an der Spitze der Gemeinden auf ſozialem Wege geſchritten iſt, ſich unglaublich blamieren, und es würde ſeinen guten Ruf verlieren. Die ſozialdemokratiſchen Kollegen werden mir zugeben, daß ſie bisher noch nie aner⸗ tannt haben, daß Charlottenburg tatſächlich ſoziale Leiſtungen zu verzeichnen habe. (Widerſpruch und Rufe bei den Sozialdemokraten: Wir haben ſie ja angeregt!) Sie haben immer behauptet, daß, ſolange die liberale Fraktion ausſchlaggebend iſt, nie etwas Richtiges ge⸗ ſchaffen worden iſt und geſchaffen werden wird. (Erneute Zurufe bei den Sozialdemokraten: Schulfragen!) Das haben Sie unendlich oft behauptet. Meine Herren, es iſt ſchade, daß Herr Kollege Hirſch fortgegangen iſt; aber ich denke, daß er es ſich ſelbſt geſagt hat, daß dieſer anmaßende Ton, in dem er zu uns geſprochen hat, die wir dieſen Antrag ge⸗ ſtellt haben, die wir die Unterſtützung der Gewerk⸗ ſchaften ſtreichen wollen, uns in keiner Weiſe im⸗ poniert hat. Aber ich muß ſagen, daß die Tonart, in der der Vertreter des Magiſtrats, Herr Stadtrat Dr Spiegel, zu uns geſprochen hat, nicht weit von der Tonart ab⸗ wich, welcher ſich der Herr Kollege Hirſch befleißigte. (Sehr richtig!) Er ſagte unter anderem: es bleibt von der Vorlage nur ein minderwertiger Reſt, (Bürgermeiſter Matting: Bleibt es auch!) die viele Arbeit, die geleiſtet worden iſt, wird da⸗ durch ins Lächerliche gezogen. (Stadtv. Zietſch: Stimmt ja auch!) Ich behaupte, daß es nicht richtig iſt, wenn der Ver⸗ treter des Magiſtrats ſich geſtattet, einer ſo großen Majorität gegenüber, die ſich hier wahrſcheinlich bei der Abſtimmung zeigen wird, derartiges zu ſagen. (Sehr richtig!) Ich behaupte, daß der Reſt, den wir hier annehmen wollen, gerade der Kernpunkt der Vorlage iſt, (Zuſtimmung und Widerſpruch) daß der gerade den Arbeitern die Gelegenheit gibt, die auch ſonſt im Leben jeder Menſch, jeder Privat⸗ mann ergreift, ſich gegen Notlagen zu verſichern, um ſich dann in dieſem Falle durch die Verſicherung aus der Not der Arbeitsloſigkeit retten zu können. Einen Sitzung vom 22. Mai 1912 lächerlichen Reſt kann ich dieſe Verſicherungskaſſe abſolut nicht nennen. Nun wurde hier behauptet, daß die Gewerkſchaf⸗ ten durchaus unpolitiſcher Natur ſind, (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sind ſie auch!) und zwar wüßte das jedes Kind. Das iſt möglich, das will ich nicht beſtreiten, daß das jedes Kind weiß. Aber jeder erwachſene Menſch, jeder, der Zeitungen lieſt und den wirklichen Vorgängen ins Geſicht ſieht, der weiß es doch ganz genau, daß die Gewerkſchaften durchaus politiſcher Natur ſind. (Zuſtimmung und Widerſpruch.) — Abſolut politiſch, meine Herren, da hilft Ihnen gar nichts. Wenn eine Gewerkſchaft es ſich wirklich einmal herausnimmt, und das kommt höchſt ſelten vor, aus den politiſchen Tendenzen der Sozialdemo⸗ kratie herauszugehen, dann kommt die Parteileitung und ſagt: Achtung, oder Ihr fliegt hinaus! (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Iſt ja nicht wahr!) Natürlich ſage ich das aus der mir von Ihnen zu⸗ Igeſchriebenen Unkenntnis der Dinge heraus, (Rufe: Ja, ja! bei den Sozialdemokraten) aber wenn Sie iich ins Herz ſehen, dann wiſſen Sie, daß es richtig iſt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Dann irren Sie ſich gewaltig!) Die Gewerkſchaften ſind politiſcher Natur, und wir haben nicht die geringſte Veranlaſſung, derartige poli⸗ tiſche Tendenzen durch ſtädtiſche Mittel zu unter⸗ ſtützen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: da haben wir es jal) Das verlangen andere Parteien auch nicht, und des⸗ wegen können und werden wir es nicht machen. Wenn die Gewerkſchaften tatſächlich allen Ar⸗ beitsloſen noch mehr helfen wollen, als es bisher nur bei einem Teile derſelben geſchieht, (Rufe bei den Sozialdemokraten: Tun ſie jal) dann müßten Sie ja hier unſere Abſichten kräftig unterſtützen. Sie helfen nur den Organiſierten; Sie wiſſen aber auch, daß eine ganze Anzahl von Arbeitern eriſtiert, die nicht in den Gewerkſchaften organiſiert ſind. Warum ſtehen Sie dieſen Arbeitern ſo fremd und herzlos gegenüber, warum wollen Sie denen nicht auch helfen? warum wollen Sie denen nicht zuge⸗ ſtehen, daß ſie aus einer Verſicherungskaſſe etwas bekommen? warum boykottieren Sie ſolche Kaſſen? (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Die lehnen wir ja auch nicht ab!) Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Meine Herren! Ich muß doch bitten, die ſtändigen Zurufe zu unterlaſſen.