234 tariſch bezeichnet wird. Der Herr Magiſtratsvertreter hat vorhin ſelbſt geſagt, er wiſſe nicht, ob ſie ſich noch in den Grenzen der parlamentariſchen Formen bewegt habe. Ich möchte es bei dieſem Zweifel belaſſen. (Heiterkeit.) Stadtrat Dr Spiegel: Auch ich wollte ja nur meinem Zweifel Ausdruck geben im Gegenſatz dazu, daß bezüglich meiner Ausführungen ein Zweifel nicht beſteht. Wenn dann der Herr Vorredner, Herr Stadtv. Jaſtrow, in einer Form, die ja wohl ſcherzhaft ſein ſollte, Anſpielungen auf ein Verhältnis zwiſchen dem Magiſtrat und der ſozialdemokratiſchen Fraktion machte, ſo wird er ſich wohl durchaus bewußt ge⸗ weſen ſein, daß derartige Uebereinſtimmungen eben nur dann vorkommen können, wenn die Gründe, die die Sozialdemokraten beſtimmen, auf der einen Seite und die Gründe, die den Magiſtrat beſtimmen, auf der anderen Seite zu demſelben logiſchen Schluſſe führen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das iſt in dieſem Falle eingetreten, und wir vom Magiſtrat können nur mit Genugtuung regiſtrieren, daß die ſozialdemokratiſche Fraktion ihren ab⸗ weichenden Standpunkt gegenüber einzelnen Teilen der Vorlage im Intereſſe des Ganzen aufgegeben hat. (Bürgermeiſter Matting: Sehr richtig!) Wir wollen nur wünſchen, daß andere Fraktionen dieſes Hauſes auch einmal ein kleines Opfer — nicht der Ueberzeugung, ſondern der praktiſchen Erwägung — zugunſten des großen Ganzen, das wir gern zu⸗ ſtande bringen wollen, darbringen werden. (Sehr gut!) Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn in dieſem Falle ſich ein ſolches Verhältnis zwiſchen dem Magiſtrat und den anderen Fraktionen nicht her⸗ ſtellen läßt. (Bravol) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! Sie werden mir, glaube ich, zugeben, daß ich mich in meinen Ausführungen vollkommen frei davon ge⸗ halten habe, auf die politiſchen Tendenzen der freien Gewerkſchaften einzugehen. Von dem Vertreter der ſozialdemokratiſchen Fraktion, Herrn Kollegen Hirſch, wie auch nachher vom Herrn Kollegen Richter iſt dieſe Enthaltſamkeit nicht geübt worden. Im Gegen⸗ teil, die beiden Herren haben ſo geſprochen, als hätte ich — ich glaube, auch der Kollege Rothholz, er wird aber wohl ſelbſt noch das Wort nehmen, ich will daher nur für meine Perſon ſprechen — als hätte ich eine ganz andere Rede gehalten. Die Herren haben augenſcheinlich eine ganz andere Rede von mir er⸗ wartet, als ich ſie hier heute gehalten habe. (Sehr gut! und Heiterkeit.) Ich will auch in bezug auf die politiſche Tätigkeit der Gewerkſchaften nicht zu weitſchweifig werden; ich Sitzung vom 22. Mai 1912 will nur das feſtſtellen, was der Kollege Hirſch hier ſelber geſagt hat. Er hat geſagt, und zwar nach dem ſtenographiſchen Bericht, den ich eingeſehen habe: „ich wünſche“ — der Kollege Hirſch ſpricht ja ſehr gern im Tone der römiſchen Imperatoren — „ich wünſche, daß jedes Mitglied der freien Gewerkſchaften bei der Sozialdemokratie organiſtert iſt“. Meine Herren, ein beſſerer Beweis dafür, daß man zwiſchen den freien Gewerkſchaften und der ſozialdemokratiſchen Partei keinen Unterſchied machen kann, iſt, glaube ich, nicht zu führen, als ihn der Kollege Hirſch geführt hat. (Sehr richtigl) Man könnte ja noch an anderes erinnern, an den 1. Mai uſw. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Bittel) Aber ich will, wie geſagt, nicht weitſchweifig werden. Ferner hat Herr Kollege Hirſch geſagt: der eigentliche Zweck der Gewerkſchaften iſt es, für die Arbeiter eventuell durch Streiks wirtſchaftliche Vor⸗ teile zu erreichen. Das iſt der eigentliche Zweck der Gewerkſchaften, fuhr er fort, die Unterſtützungen ſind der Nebenzweck. Da habe ich allerdings „hört! hört!“ gerufen, nicht weil mir das unbekannt iſt — durch⸗ aus nicht, die Herren glauben allerdings, daß ich von der Sache nichts verſtehe; mag ja ſein, aber das war mir ſehr wohl bekannt — ich habe nur „hört! hört!“ gerufen, weil dieſe Worte von einem Sozialdemo⸗ kraten ſelber hier in öffentlicher Verſammlung aus⸗ geſprochen und damit unſere Auffaſſung der Sachlage zugegeben wurde. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Was denn?!) Sachlich iſt ja von den Herren der ſozialdemo⸗ kratiſchen Partei eigentlich ſehr wenig debattiert wor⸗ den. Sie haben an einer Stelle — oder war es der Herr Magiſtratsvertreter? ich weiß es nicht mehr genau — von dem Anſchwellen des Armenetats ge⸗ ſprochen, wenn man nicht dieſen Weg beſchreiten wollte, wenn beſonders die Gewerkſchaften nicht die Unterſtützung der Arbeitsloſen eingeführt hätten. (Zuruf: Das war Stadtv. Hirſchl) Es wurde geſagt: dieſe Millionen — die wohlverſtan⸗ den im ganzen Deutſchen Reich von den Gewerkſchaf⸗ ten aufgebracht werden — entlaſten die Armenver⸗ waltungen. Nein, meine Herren, davon kann gar keine Rede ſein. Die ſozialdemokratiſchen Gewerkſchaften (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Gibt es nicht!) — ich nenne ſie ſozialdemokratiſch, wie es mir ge⸗ fällt —, die Mitglieder dieſer Gewerkſchaften laſſen ſich nicht ihr Wahlrecht nehmen, und die fallen der Armenverwaltung nicht zur Laſt; (Zurufe bei den Da haben wir es ja! Ob Sie in dieſer Weiſe eine Arbeitsloſenunterſtützung machen oder in anderer Weiſe vorgehen, dafür finden Sie immer Wege. Ferner wurde uns der Vorwurf gemacht, daß wir hier reaktionäre, arbeiterfeindliche Tendenzen