238 ſchaften, angeführt ſind, ſind ja zu Dutzenden von Malen widerlegt worden. (Stadtv. Neumann: Das mag für Sie der Grund⸗ gedanke ſein!) — Wie beliebt? — Machen Sie doch deutliche Zwiſchenrufe! (Stadtv. Neumann: Das mag für Sie der Grund⸗ gedanke ſein, die Gewerkſchaften zu unterſtützen, für uns nicht!) — Auch für den Magiſtrat iſt das der Grundgedanke in der Vorlage. — Wenn mit Recht behauptet wird, daß die Subventionierung der Gewerkſchaften der Grundgedanke dieſer Vorlage iſt, und die Gegner kämpfen dagegen an mit Gründen, die ſchon zu Dutzenden von Malen widerlegt worden ſind, dann iſt es ſicherlich kein Vergnügen, gegen dieſe Dinge, die immer und immer wieder vorgebracht werden, noch ſachlich zu polemiſieren. Wenn Sie die Denkſchrift über die Arbeitsloſenverſicherung des Herrn Pro⸗ feſſors Jaſtrow auch ur oberflächlich geleſen hätten, ſo hätten Sie die ſämtlichen Gegeneinwände, die Sie heute auch wieder vorgebracht haben, dort ſchon wider⸗ legt gefunden. Und es iſt nur ein Stück Spekulation auf diejenigen Stadtverordneten, die dieſe Denkſchrift und die Vorgänge beim Werden dieſer Vorlage nicht genau kennen, mit dieſen ollen Kamellen auch heute wiederzukommen. Die Reſolutionen, die Herr Kollege Stadthagen vorgelegt und zu denen er unſere Zuſtimmung er⸗ beten hat, nötigen mich, etwas dazu zu bemerken. Die erſte Reſolution verlangt, der Magiſtrat ſolle mit anderen Gemeinden, insbeſondere aber mit Landge⸗ meinden in Verbindung treten, um arbeitslos Ge⸗ wordenen Arbeitsgelegenheit außerhalb Charlotten⸗ burgs zu ſchaffen. Dieſer Gedanke würde für mich und meine Freunde annehmbar ſein, wenn es nicht in der Reſolution hieße: „insbeſondere mit Landge⸗ meinden“. Das iſt der agrariſche Hinterfuß, der wieder zum Vorſchein kommt. Es iſt der alte Lieb⸗ lingsgedanke des Herrn Kollegen Stadthagen, die ſtädtiſchen Arbeiter auf das Land abzuſchieben und den Agrariern billige Arbeitskräfte zuzuführen. Des⸗ wegen müſſen wir, weil in dieſer Reſolution auch wieder die reaktionäre Fußangel liegt, dagegen ſein. Der zweite Antrag iſt formell nicht richtig ge⸗ faßt. Es wird in der Reſolution geſagt, daß das Reich oder die Reichsregierung Gemeindekörper⸗ ſchaften das Recht verleihen ſoll, Zwangsarbeitsloſen⸗ verſicherungen einzuführen. Die Reichsregierung kann ſolche Rechte nicht verleihen, Herr Kollege Stadt⸗ hagen; was Sie wollen, kann nur auf dem Wege eines Reichsaeſetzes geſchehen. Wenn Sie aber auch formell Ihre Reſolution richtigſtellen wollten, müßten wir trotz alledem auch ſachlich gegen dieſe Reſolution ſein, weil die Zwangsorganiſationen, die Sie ſich denken, unſerer Auffaſſung nach nicht ſegensreich wirken können, und weil ſolche Einrichtung eine Reichs⸗ arbeitsloſen⸗Verſicherung, die wir alle erhoffen und wünſchen, und was ja auch der Wunſch des Herrn Kollegen Stadthagen iſt, weit hinausſchieben würde. Herr Kollege Dr Rothholz hat Zahlen genannt, die durchaus falſch waren. Er ſprach von 60 000 Arbeitern in Charlottenburg, denen nur 3000 organi⸗ ſierte Arbeiter gegenüberſtänden. In der Charlotten⸗ burger Ortskrankenkaſſe ſind 40 000 Arbeiter ange⸗ meldet; dagegen ſind in den Gewerkſchaften in Char⸗ Sitzung vom 22 Mai 1912 lottenburg 7000 Perſonen organiſiert. Das Bild ve.⸗ ſchiebt ſich alſo ganz weſentlich. Herr Kollege Jaſtrow hat ſich über den guten Ton — oder ich will ſagen: über den ſeiner Auf⸗ faſſung nach nicht gerade guten Ton des Herrn Kol⸗ legen Hirſch beſchwert. Ich mache darauf aufmerk⸗ ſam, daß bisher noch niemals ſolch hoher Wert darauf gelegt worden iſt, ob einer der Kollegen ſeine Rede mit ſpöttiſcher oder ſarkaſtiſcher Unterſtreichung ge⸗ halten, oder ob er ſich etwas gröber oder feiner gegen den Gegner gewendet hat. Wenn es allgemein üblich werden ſollte, mit ſolcher Feinfühligkeit gegneriſchen Reden zuzuhören, dann wären wir überhaupt bald am Ende der ſachlichen Debatten angelangt. Es haben aber auch Herren aus der liberalen Fraktion keine Urſache, ſich über den Ton in den Debatten aufzu⸗ halten. Denn es hat auch ſchon Mitglieder der libe⸗ ralen Fraktion gegeben, die ſo geredet haben, daß, Magiſtratsmitglieder ſich gegen den Ton und die Form der Rede verwahrt haben. Wir haben bisher nicht anerkannt, ſagte Herr Kollege Jaſtrow, daß die Liberalen ſozialpolitiſch in Charlottenburg an der Spitze wären. Das haben wir bisher auch nicht tun können. Wenn etwas auf ſozialpolitiſchem Gebiet in Charlottenburg geſchaffen worden iſt, ſo iſt es hin und wieder mit Ihrer Hilfe, aber oft auch ohne die Hilfe der Liberalen geſchaffen worden; denn ſie waren nicht immer ſo ſtark wie jetzt. Und das meiſte, was auf ſozialpolitiſchem Ge⸗ biet geſchaffen worden iſt, iſt der Anregung meiner Ferunde zu verdanken geweſen. Auch die Arbeits⸗ loſenunterſtützung iſt eine Frage, die ſchon vor Jahren von meinen Freunden angeregt worden iſt; Sie haben ſich erſt mit Händen und Füßen dagegen geſträubt und erſt unter dem Zwang der Verhältniſſe ſich der Notwendigkeit, dieſe Einrichtung ſchaffen zu müſſen, nicht verſchließen können. So ſind Sie dann mit uns ein gutes Stück Weges gegangen bis jetzt, wo Sie vor der Wahrmachung Ihrer Zuſage von damals ſtehen. Jetzt aber klammern Sie ſich an den Begriff der Unterſtützung der Gewerkſchaft und ſuchen die Sache ſo darzuſtellen, als wenn Sie die ſozialdemo⸗ kratiſche Partei mit Geldmitteln unterſtützen ſollten. Ach, meine Herren, es handelt ſich ja in letzter Linie auch für Sie nicht um die finanzielle Unter⸗ ſtützung der Gewerkſchaften! Die paar tauſend Mark würden Sie ſchon bewilligen. Sie ſchrecken nur zu⸗ rück vor der offiziellen Anerkennung der Gewerk⸗ ſchaften, die eventuell aus dem § 3 herausgeleſen werden könnte. Und dabei beſchuldigen Sie auch den Magiſtrat — namentlich nachdem ſich Herr Bürger⸗ meiſter Matting hier für die Beibehaltung dieſer Beſtimmungen im § 3 ſo ſehr ins Zeug gelegt hat —, daß der Magiſtrat ebenfalls ſchon auf der Bahn des Umſturzes ſich befinde. Glauben Sie denn wirklich, daß der Herr Bürgermeiſter ein ſo enragierter Freund der Gewerkſchaftsbewegung iſt, daß er ſich nur aus Liebe für die Gewerkſchaften ſo für die Beibehaltung dieſer Beſtimmung des § 3 ins Zeug gelegt hat? Nein, das Gegenteil iſt der Fall! Der Grundgedanke des Magiſtrats und auch der des Herrn Bürger⸗ meiſters iſt der, daß man jetzt erſt einmal die Gewerk⸗ ſchaften zur Grundlage dafür benutzen ſoll, um die ſtädtiſche Arbeitsloſenverſicherung einzuführen um dann ſpäter die Gewerkſchaften beiſeite ſchieben und denſelben mit der ſtädtiſchen Arbeitsloſen⸗Verſiche⸗ rung erfolgreich Abbruch tun zu können. Schr richtial)