240 Wenn wir dabei mit dem Magiſtrat gegangen ſind, dann finde ich es völlig unangebracht, wenn einer der Herren aus der liberalen Fraktion meinen Parteifreunden das Zuſammengehen mit dem Ma⸗ giſtrat zum Vorwurf machen möchte. Laufen Sie denn nicht bei ſehr vielen Vorlagen mit dem Ma⸗ giſtrat zuſammen? Diskreditieren wir deswegen den Magiſtrat, daß er mit Ihnen zuſammengeht? Oder ſuchen wir den ſachlichen Wert einer Magiſtrats⸗ vorlage dadurch herabzuſetzen, weil Sie mit Ihren Anſchauungen denjenigen des Magiſtrats nahe kommen? Sie würden uns in einem ſolchen Fall von Argumentation ſicherlich Kinderei vorwerfen. Ich gehe Ihnen gegenüber im Urteil nicht ſo weit. — Wir würden auf das, was wir im Ausſchuß und in der gemiſchten Deputation von unſeren weitergehen⸗ den Forderungen dran gegeben haben, im Intereſſe der Allgemeinheit und guten Sache weiter verzichten. Wenn jetzt aber die Feinde der Vorlage uns deswegen angreifen, weil wir mit dem Magiſtrat zuſammen gehen, ſo beweiſen ſie damit nur, daß wir auf dem rechten Wege ſind, trotzdem wir diesmal mit dem Ma⸗ giſtrat zuſammengehen. Sie aber, die von ſich immer behaupten, poſitiv arbeiten zu wollen, ſchlagen alles in Scherben. (Heiterkeit.) Und das nur deshalb, damit die Gewerkſchaften nicht anerkannt werden und zu ihrem Rechte kommen. Machen Sie nur ſo weiter, wir kommen auf alle Fälle auf unſere Rechnung, mit dem § 3 und ohne ihn. Nehmen Sie die Vorlage in der vorliegenden Form niſcht an, dann werden Sie bewieſen haben, daß Sie in ſozialpolitiſcher Richtung nicht weiter arbeiten wollen, trotzdem Sie das programmatiſch bei allen Gelegenheiten verſichern. Nehmen Sie die Vorlage aber unverändert an, dann werden wir auch oben drauf ſein. Uns kriegen Sie nicht unter! (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Meyer: Herr Kollege Zietſch iſt im Irrtum, wenn er die Aeußerungen, die mein Freund Jaſtrow und Herr Kollege Dr Stadthagen gegen den von Herrn Hirſch angeſchlagenen Ton machten, ſo auffaßt, als würde in beſonders empfindlicher Weiſe jedes ſcharfe Wort übel genommen, das hier geſagt wird. Das iſt durchaus nicht der Fall. Wogegen ſich beide Herren gewandt haben, und wogegen ich mich mit ihnen namens meiner Freunde wende, das iſt, daß Herr Kollege Hirſch — und auch Herr Kollege Richter hat das getan — daß die Herren der ſozialdemokratiſchen Fraktion zum großen Teil uns gegenüber einen höhniſchen, verächtlichen Ton an⸗ ſchlagen, daß ſie uns bei jeder Gelegenheit entweder unterſtellen, daß wir etwas anderes wollen, als wir ſagen, (Sehr richtig!) oder aber behaupten, daß wir von den Dingen, über die wir reden, keine Ahnung haben. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, dagegen proteſtieren wir; das laſſen wir uns nicht gefallen. Und da haben wir Recht. Ich gebe zu, daß Herr Kollege Zietſch es offen⸗ Sitzung vom 22. Mai 1912 7 bar vermeiden wollte, eine gleiche Tonart hier anzu⸗ ſchlagen. Aber wenn auch er ſchließlich geſagt har: er wolle ſich nichts anmaßen, aber das oder jenes, was Herr Kollege Jaſtrow geſagt habe, beruhe darauf, daß er die Sache nicht kenne — ſo kommt das darauf hinaus, daß er getan hat, was er gerade vermeiden wollte. Was nun die beiden Vorwürfe anlangt, ſo will ich Ihnen ja zu gute halten, daß Sie ſelber nicht glauben, daß wir etwas anderes ſagen, als wir tun mollen. Ich weiß, Sie erwähnen das immer nur, um der Oeffentlichkeit gegenüber uns zu diskreditie⸗ ren. Aber daß Sie uns für ſehr töricht halten, das glaube ich ſeit heute in der Tat auf. Ihre wirkliche Anſicht zurückführen zu dürfen. Denn ſonſt hätten nicht alle drei Herren, die aus Ihren Reihen geſprochen haben, uns gegen⸗ über behaupten können, daß die Gewerkſchaften mit der ſozialdemokratiſchen Partei gar nichts zu tun hätten. Ich kann mich nur dem anſchließen, was Herr Kollege Jaſtrow geſagt und Herr Kollege Stadthagen wiederholt hat: die tatſächlichen Ver⸗ hältniſſe lehren auf Schritt und Tritt das Gegen⸗ teil! Sie haben vorhin Herrn Kollegen Stadthagen aufgefordert, eines der Momente, auf die er hinwies, näher auszuführen. Nun, meine Herren, ich will es⸗ tun. Wie erklären Sie es denn, daß jede Gewerk⸗ ſchaft bei jedem Tarifvertrage verlangt, daß der 1. Mai als Arbeiterfeiertag feſtgeſtellt wird, wenn nicht durch den Zuſammenhang mit der ſozial⸗ demokratiſchen Partei, die in ihrem Parteiprogramm hat, daß der 1. Mai als Arbeiterfeiertag gefeiert werden muß? (Sehr richtig!) Im übrigen aber herrſcht über dieſen Zu⸗ ſammenhang eine ſo völlige Klarheit in allen ſach⸗ kundigen Kreiſen, daß es nicht nötig iſt, den tat⸗ ſächlichen politiſchen Charakter der Gewerkſchaften noch näher zu beweiſen. Indeſſen ich möchte nicht unbetont laſſen, daß mich das durchaus nicht abhält, die Verdienſte der Gewerkſchaften ebenſo anerkennend zu würdigen wie es die Herren der ſozialdemokratiſchen Fraktion tun. (Na, na! bei den Sozialdemokraten.) Das tut jeder von uns, und Herr Kollege Rothholz hat mir ausdrücklich noch einmal beſtätigt, was ich nach ſeiner Rede auch bereits nicht bezweifelt habe, daß ihm gar nicht eingefallen iſt, dieſe Verdienſte zu leugnen. Wir denken nicht daran, die Verdienſte der Gewerkſchaften um die wirtſchaftliche und kultu⸗ relle Hebung der Arbeiter in Abrede zu ſtellen. Sie haben ewas ganz Falſches, wie Herr Kollege Stadt⸗ hagen ſchon konſtatierte, aus den Reden, die von bürgerlicher Seite gehalten ſind, herausgehört, offen⸗ bar, weil Sie ſich ganz anders präpariert haben. Nach den Angriffen von der linken Seite muß es den An⸗ ſchein haben, als ſollten die gewerkſchaftlich organi⸗ ſierten Arbeiter von der Arbeitsloſenverſicherung aus⸗ geſchloſſen werden. Dagegen haben Sie ſich gewendet, und wenn die Herren, die den Standpunkt des heute eingebrachten Antrages vertreten haben, das wollten, wäre der Widerſtand vollſtändig berechtigt. Aber ich ſtelle feſt — und das ſcheint mir notwendig feſtzu⸗ ſtellen —, daß den Freunden dieſes Antrages nichts. ferner liegt, als irgend eine Ausnahmebeſtimmung