246 Stadtv. Gebert: Meine Herren! Wir ſind Ihnen jetzt eigentlich ſehr dankbar, daß Sie ſich auf den Standpunkt des Magiſtrats ſtellen. Herr Direktor Profeſſor Dr Dubislav hat durch ſeine Ausführungen mit dafür geſorgt, daß jetzt die entlaſſenen Schüler ſich darum bekümmern: was bedeutet Sozialismus? und wir haben ohne weiteres den Vorteil dabei. Aber, wie geſagt, wir ſtehen auf dem Standpunkt: in die Schule gehört die Politik nicht hinein. Wir bedauern es lebhaft, daß der Magiſtrat nicht einen anderen Standpunkt eingenommen hat. Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Zander und des Herrn Kollegen Stadthagen geben mir lediglich Ver⸗ anlaſſung zu einer Frage, nämlich zu der Frage, ob die beiden Herren es für angebracht halten, daß die Leiter unſerer höheren Schulen Nachforſchungen darüber anſtellen, inwieweit Kinder ſozialdemokra⸗ tiſcher Eltern bei ihnen ſind. Nach dem, was Herr Kollege Stadthagen hier eben ausgeführt hat, müßte es ja eine der dringendſten Aufgaben aller Schul⸗ leiter ſein, nicht nur bei höheren Schulen, ſondern auch bei Volksſchulen, ſehr ängſtlich nachzuforſchen: ſind unter unſeren Schülern nicht auch Kinder ſolcher Eltern, die dieſer frevelhaften Partei angehören? und dieſer armen Kinder müßten die Schulleiter ſich dann ganz beſonders annehmen, um einen Zwieſpalt zwiſchen ihnen und ihren Eltern hervorzurufen. Das folgt mit deutlicher Klarheit aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Stadthagen, und ich erlaube mir die Frage, ob er dieſe Konſequenz ziehen will. Will er ſie nicht ziehen, dann haben ſeine ganzen Aus⸗ führungen keinen Sinn und fallen platt zu Boden. Stadv. Zander: Meine Herren! Ich habe hier ſchon ſo oft erklärt, daß ich das, was Herr Kollege Hirſch über mich perſönlich ſagt, ſo wenig eſtimiere, (Stadtv. Hirſch: Sie haben eben kein Ehrgefühll) daß ich auf dieſe „echt Zanderſche Bemerkung“ nichts weiter zu ſagen brauche. Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Herr Kollege Hirſch, Sie haben eben den Zwiſchenruf ge⸗ macht: „Sie haben kein Ehrgefühl“. (Stadtv. Hirſch: Das war die Antwort darauf!) Ich halte einen ſolchen Zuruf für vollkommen unzu⸗ läſſig. Das Wort iſt nicht mehr erbeten worden. Stadtv. Zietſch (perſönliche Bemerkung): Wenn ich den Herrn Vorſteher vorhin richtig verſtanden habe, hat er den über mich verhängten Ordnungs⸗ ruf nur bedingungsweiſe ausgeſprochen. Ich habe natürlich im Rahmen einer perſönlichen Bemerkung und in geſchäftsordnungsmäßigen Formen keine Gelegenheit, mich über den Ordnungsruf ſelbſt aus⸗ ſprechen zu können; ich will deshalb davon abſehen. Ich will nur bemerken, daß der Herr Vorſteher ge⸗ ſagt hat, er gründet ſeinen Ordnungsruf auf eine ihm nicht im Stenogramm vorliegende Aeußerung von mir. Einer meiner Freunde hat ſtenographiert, was ich geſagt habe. Danach habe ich geſagt: „Bei einem Teil der Herren, zu deren Sprecher ſich Herr Sitzung vom 22. Mai 1912 Zander gemacht hat, ſind die Profitintereſſen das Heiligſte“. (Rufe: Na alſo!) — JIa, bitte ſehr, es iſt ein großer Unterſchied darin! Ich habe meine zweite Aeußerung nur dem Gedächt⸗ nis nach zitiert und glaubte dann richtig zu zitieren. Profitintereſſe iſt etwas anderes als Profitgier, es iſt etwas weſentlich anderes. Ich habe auch geſagt: Bei einem Teil der Herren, zu deren Sprecher ſich Herr Kollege Zander gemacht hat. (Zurufe: Wie?) — Ia, bitte, laſſen Sie mich doch ausſprechen! Rr Ich meine den Teil der Herren, die nicht im Hauſe anweſend ſind. (Lachen bei der vereinigten alten Fraktion.) Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Es iſt ſchwer, anzunehmen, daß nun dieſe ſtenographiſche Aufzeichnung unter allen Umſtänden zutreffend iſt; ſie iſt eine private. Immerhin nehme ich an, da ſie in dem Augenblick, wo die Worte geſprochen ſind, erfolgt iſt, daß ſie zutreffend iſt. Dann habe ich zuzugeben, daß zwiſchen Profitgier, wie ich ſagte, und Profitintereſſe, wie Herr Kollege Zietſch geſagt haben will, ein weſentlicher Unterſchied be⸗ ſteht. Ich kann aber nicht zugeben, daß die Form, die Herr Kollege Zietſch gewählt hat: „bei einem Teil der Herren, zu deren Sprecher ſich Herr Zander gemacht hat“, nun unter allen Umſtänden die Auslegung zuließe, als ob hier Herren außer⸗ halb der Verſammlung gemeint ſind. (Sehr richtig!) Herr Kollege Zietſch muß ſich den Vorwurf gefallen laſſen, daß er ſich zweideutig ausgedrückt hat. Er hat jetzt erklärt, er habe dabei an die Herren, die außerhalb dieſer Verſammlung ſind, gedacht; ich habe das und ich glaube, in Einklang mit der Auffaſſung der Mehrheit dieſer Verſammlung — nicht getan. Ich halte meine Auffaſſung für durch⸗ aus berechtigt (Sehr richtig!) und daher den Ordnungsruf aufrecht. Ich gebe aber Herrn Kollegen Zietſch den Rat, in Zukunft ſich etwas präziſer auszudrücken. (Heiterkeit.) Stadtv. Zietſch (perſönliche Bemerkung): Den Rat des Herrn Vorſtehers nehme ich dankend an, wie ich jedem Rate dankend entgegenſtehe. Ich beſtreite aber, daß, wenn ich von den Profit⸗ intereſſen von Mitgliedern wirklich geſprochen habe, das einen berechtigten Grund abgeben könnte, über mich einen Ordnungsruf zu verhängen. Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Das iſt Sache des Vorſtehers. Damit iſt der Punkt erledigt. Gegen die Vorſchläge des Wahlausſchuſſes ſind Einwände nicht erhoben Ich ſchließe die öffentliche Sitzung. (Schluß der Sitzung 10 Uhr 30 Minuten.)