Sitzung vom 5. Juni 1912 Reichskanzlerplatz von ungünſtiger Wirkung ſein. Ich möchte Sie nochmals dringend bitten, wenn Sie ſich nicht für die unterirdiſche Anſtalt heute entſcheiden können, die gan ze Vorlage in den Ausſchuß zu ver⸗ weiſen. Stadtv. Laskau: Meine Herren! Ich möchte auch für eine Erweiterung der Ausſchußberatung ein⸗ treten und beantragen, daß ſich der Ausſchuß nicht bloß mit der oberirdiſchen Anſtalt, ſondern überhaupt mit der Frage, ob eine unterirdiſche oder eine ober⸗ irdiſche Bedürfnisanſtalt zu errichten iſt, zu beſchäf⸗ tigen hat. Die Gründe der Sparſamkeit treffen hier gar nicht zu. Der Herr Stadtbaurat hat ſchon aus⸗ geführt, daß die Schwierigkeiten des Grundwaſſers hier nicht vorhanden ſind. Wir werden vorausſichtlich in dieſem Falle die geforderte Summe nicht zu über⸗ ſchreiten brauchen. Ich beantrage daher, die Frage der Erbauung einer Bedürfnisanſtalt im allgemeinen dem Ausſchuß zu überweiſen. (Zuruf.) — Nur für meine Perſon; das habe ich vorhin ſchon geſagt. Stadtv. Klau: Meine Herren! Auch ich bitte, die Vorlage, d. h. die Frage, ob oberirdiſch oder unterirdiſch, in den Ausſchuß zu verweiſen, damit wir darüber entſcheiden können, ob wir das eine oder das andere Syſtem annehmen. Meiner Ueberzeugung nach iſt aus den Gründen, die Herr Baurat Seeling wie auch Herr Kollege Lehmann angeführt haben, an dieſem Platze gerade eine unterirdiſche Be⸗ dürfnisanſtalt geboten. Wenn Herr Kollege Jolen⸗ berg von Sparſamkeitsrückſichten ſpicht, ſo ſage ich, meine Herren: Sparſamkeit iſt eine Tugend, die hoffentlich die Charlottenburger Stadtgemeinde nie verlaſſen wird, und ſie iſt bisher auch bei ihr immer geübt worden, aber eine falſche Sparſamkeit iſt ein noch größerer Fehler. Und hier, meine ich, würde Sparſamkeit tatſächlich ein ſolcher Fehler ſein. Die Gründe, die Herr Kollege Wenzke gegen die Er⸗ richtung einer unterirdiſchen Bedürfnisanſtalt ange⸗ führt hat, daß es ſchwer wäre, eine ſolche Bedürfnis⸗ anſtalt aufzufinden, daß die Glätte der Stufen im Winter namentlich die Benutzung der Anſtalt hindert, ſind doch hinfällig. Wir benutzen heute alle die Untergrundbahn und müſſen dort ebenfalls dieſe Hin⸗ derniſſe überwinden, die bei einer ſolchen Bedürfnis⸗ anſtalt vorhanden ſein ſollen, was ich nicht einſehen kann. Ich wiederhole alſo meinerſeits die Bitte, beide Teile der Vorlage in den Ausſchuß zu verweiſen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren! Es wird Ihnen bekannt ſein, daß der Verkehr nach dem Reichskanzlerplatz von Berlin her, aber auch von Charlottenburg jährlich zunimmt, und daß in der Tat ein großer Mißſtand vorliegt, daß eine Bedürf⸗ nisanſtalt dort überhaupt nicht exiſtiert. Sie werden mit dem Magiſtrat darin übereinſtimmen, daß es ein Bedürfnis iſt, dort eine Bedürfnisanſtalt zu errichten. In dieſer Erkenntnis hat ſich der Magiſtrat mit der Frage beſchäftigt und den Vorſchlag gemacht, eine oberirdiſche Anſtalt dort zu errichten. Der Herr Stadtbaurat hat auf das energiſchſte dagegen Wider⸗ ſpruch erhoben, indem er darauf hinwies, was er auch heute entwickelt hat, daß dort auf dem hervorragenden Platze aus bautechniſchen und äſthetiſchen Rückſichten 255 eine oberirdiſche Bedürfnisanſtalt nicht hingehöre, daß ſie dort der kulminierende Punkt ſein würde, und daß man eine Bedürfnisanſtalt nicht auf einen Platz hinſtelle, um ſie als kulminierenden Punkt wir⸗ ken zu laſſen, daß es das Urteil von ganz Groß⸗ berlin, das ſich dort bewegt, zur Rennbahn hinaus⸗ fährt — es kommen koloſſale Maſſen von Menſchen dorthin —, herausfordern würde, und daß wir dabei ſchlecht abſchneiden würden. Nun war uns das nicht gerade angenehm; denn wir wiſſen ja, wie unterirdiſche Bedürfnisanſtalten von Ihnen beurteilt worden ſind, und daß Sie nicht gewillt ſind, unterirdiſche Bedürfnisanſtalten mit teuren Koſten zu errichten. Der Magiſtrat ſtand ur⸗ ſprünglich auf demſelben Standpunkt; er hätte es gern vermieden, Ihnen eine Vorlage für eine unterirdiſche Anlage zu machen. Die Ausführungen des Herrn Stadtbaurats für den Hochbau gewannen aber immer mehr Freunde, und wir ſahen ein, daß ſie doch berück⸗ ſichtigenswert ſind. Wir dachten, Ihren Zorn dadurch zu beſänftigen, daß wir die Koſten für die unter⸗ irdiſche Bedürfnisanſtalt erheblich herabſetzten, gegen die Summe, die früher eine ſolche Anſtalt erfordert hatte. Es iſt die Lage der unterirdiſchen Bedürfnis⸗ anſtalt dort oben auf dem höchſten Punkte von Char⸗ lottenburg günſtiger, und ihr Bau macht dort weniger Koſten als der Einbau der unterirdiſchen Räume in den Grundwaſſerſtrom, der in dem tieferen Gelände von Charlottenburg beſteht. Wir ſind ſchließlich — einſtimmig, glaube ich — zu der Ueberzeugung ge⸗ langt, daß wir es vor der Gegenwart und vor der Zukunft nicht verantworten könnten, an dieſer Stelle eine oberirdiſche Bedürfnisanſtalt hinzubauen. Sie mögen nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen prüfen, ob Sie dieſe Mehrkoſten, die ſich auf 23 000 ℳ be⸗ laufen, anwenden wollen, um einem mißliebigen Urteil der Gegenwart und der Zukunft zu entgehen, oder ob Sie das letztere riskieren wollen. 23 000 ℳ ſind ein ganzer Happen, das geſtehe ich zu; aber es iſt doch eine Summe, die uns bei unſerm Etat nicht in Schwierigkeiten bringt. Wenn wir uns ferner ſagen, daß eine Sparſamkeit hier unangebracht iſt, dann wird man, glaube ich, mit leichter Mühe über dieſe 23 000 ℳ hinwegkommen. Ich bin nämlich überzeugt, daß beim weiteren Ausbaue des Reichs⸗ lanzlerplatzes im Laufe weniger Jahre eine ober⸗ irdiſche Bedürfnisanſtalt bald wieder abgeriſſen und durch eine unterirdiſche erſetzt werden würde. Das iſt erklärlich. Je mehr unſere Stadt wächſt, deſto mehr machen ſich derartige Erwägungen geltend. Eine ſpätere Stadtverordnetenverſammlung wird mit Leichtigkeit darüber hinwegkommen, anſtelle der ober⸗ irdiſchen Anſtalt eine unterirdiſche zu bauen. Das iſt meine Anſicht. Ich kann nicht verlangen, daß Sie alle ihr zuſtimmen; aber ich glaube, daß es ſo kommen wird, daß man infolgedeſſen eine richtige Sparſam⸗ keit übt, wenn man die unterirdiſche Bedürfnisanſtalt gleich hinbaut. Meine Herren, wie dem aber auch ſein möge, ich möchte Sie bitten, daß die Herren, die gegen unter⸗ irdiſche Bedürfnisanſtalten ſind, nicht aus der Ab⸗ neigung gegen unterirdiſche Bedürfnisanſtalten über⸗ haupt die Vorlage zu Punkt a gleich heute ablehnen, ſondern daß ſie beide Punkte der Vorlage im Aus⸗ ſchuß verhandeln und ſich darüber noch eingehend unterrichten, ob dorthin eine unterirdiſche Bedürfnis⸗ anſtalt gehört, ob wir die Geldmittel haben, und, wenn dieſe Frage bejaht wird, ſie bewilligen. Im andern Falle werden Sie die oberirdiſche Anſtalt ge⸗