Sitzung vom 5. Juni 1912 iſt, vorläufig keine unterirdiſchen Bedürfnisanſtalten zu bauen. (Zuruf: Das iſt dasſelbe!) — Nein, „vorläufig“ iſt nicht dasſelbe. — Ich möchte mich alſo, falls ich das geſagt haben ſollte, dahin be⸗ richtigen. (Die Verſammlung beſchließt die Ueberweiſung der geſamten Magiſtratsvorlage an einen Ausſchuß von 11 Mitgliedern und wählt zu Ausſchußmitglie⸗ dern die Stadtv. Bergmann, Harniſch, Jaſtrow, Jolenberg, Klick, Marzahn, Neukranz, Rieſenberg, Wenzke, Wilk und Wöllmer.) Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Ich greife zurück auf Punkt 3 der Tagesordnung. Für den dort beſchloſſenen Ausſchuß werden in Vorſchlag gebracht die Herren Kollegen Baumann, Dr Byk, Dr. Damm, Dunck, Jacobi, Mottek, Panſchow, Scharnberg, Wenig, Wenzke und Zietſch. — Andere Vorſchläge werden nicht gemacht; ich ſtelle feſt, daß die Herren gewählt ſind. Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung: Vorlage betr. Barackenbau für das Krankenhaus Weſtend. — Druckſache 171. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Bauer: Meine Her⸗ ren! Die heutige Vorlage iſt ein alter Bekannter aus dem Januar dieſes Jahres. Sie iſt damals von der Stadtverordnetenverſammlung abgelehnt worden, weil man meinte, man käme mit den bisherigen Ba⸗ racken aus. Nun beruht die Wiedereinbringung der Vorlage auf dem Vorſchlage der Krankenhausdepu⸗ tation, die ſich überzeugt hat, daß die Sache dringend notwendig iſt; ſie beruht nicht auf einer gewiſſen Hartnäckigkeit etwa des Magiſtrats, mit der er von neuem ſeinen Antrag vorbringt. Die Verhältniſſe ſind in der Tat derartig, daß es nicht möglich ſein wird, dieſe Vorlage abzulehnen. Die Diphtheritis⸗ und Scharlachepidemie iſt mit Schwankungen ver⸗ laufen; augenblicklich iſt wieder ein Anſteigen der einzelnen Erkrankungsziffern bemerkbar. Die Ziffer der täglichen Belegung der Infektionsabteilungen im Krankenhauſe, ſowohl der äußeren wie der inneren, war im Januar 174, im März 201. Auch bei den einzelnen Infektionskrankheiten ſind die Schwan⸗ kungen ziemlich bedeutend, zum Teil ſind ſie höher als im Januar, zum Teil niedriger. Für Diphthe⸗ ritiskranke betrug die Zahl im April durchſchnitt⸗ lich 34,4, für Scharlachkranke am 1. April 1912 65, am 22. Mai 40. Hierzu kommt, meine Herren, daß Sie dieſe Zahlen nicht ohne weiteres miteinander vergleichen können. Es kann wohl ſein, daß in irgend einem Pavillon, im Scharlach⸗, Diphtherie⸗, Maſern⸗ oder Tuberkuloſepavillon Platz iſt und daß ein anderer Pavillon überfüllt iſt. Man kann nicht ſagen: es gibt ſo und ſo viele Betten für Infektionskranke, von dieſen iſt nur die Hälfte beſetzt, alſo ſind 50 % frei —, ſondern man muß ſagen: einzelne Abteilungen ſind überfüllt, in anderen ſind Plätze frei. Ich kann nicht ohne weiteres dieſe Abteilungen miteinander ver⸗ tauſchen, kann nicht Maſernkranke auf die Scharlach⸗ ſtation legen, wo ſonſt Scharlachkranke ſind, nicht Diphtheritiskranke auf die Maſernſtation, die nach⸗ her mit Maſernkranken belegt wird. Das geht nicht, 257 weil die Infektionsgefahr zu groß iſt. Sie müſſen bei der Infektionsabteilung mit einer großen Reihe von Betten rechnen, die frei ſtehen. Das liegt in der Natur der Infektionskrankheiten begründet. Man kann hierauf nicht die gewöhnliche Statiſtik anwen⸗ den, die ergeben würde, daß ſo und ſo viele Betten frei ſind. Ferner kommt hinzu, daß in der Infektions⸗ abteilung für beſondere Fälle noch Maßnahmen ge⸗ troffen werden müſſen. Bei dem koloſſalen Verkehr, der nach allen Richtungen herrſcht, können uns einmal Pocken⸗ oder Cholerafälle plötzlich eingeliefert werden. Von der Peſt will ich nicht reden, obwohl es nicht außer dem Bereiche der Möglichkeit liegt, daß plötz⸗ lich eine Peſtinfektion vorkommt. Für ſolche Fälle muß das Krankenhaus gerüſtet ſein; es muß nicht bloß aus Gründen der Sicherheit der Einwohner, ſondern auch aus geſetzlichen Gründen gerüſtet ſein. Die Gemeinden ſind durch das Reichsſeuchengeſetz ver⸗ pflichtet, für derartige Fälle Vorkehrung zu treffen, und wenn wir ſie nicht ſelbſt treffen, kann es uns blühen, daß eines ſchönen Tages die Aufſichtsbehörde kommt und uns dazu zwingt. Das iſt geſetzliche Be⸗ ſtimmung, um deren Erfüllung wir nicht herum⸗ kommen. Alſo derartige Maßnahmen müſſen im voraus getroffen werden. Ein Pocken⸗ oder Cholera⸗ kranker darf nicht mehr auf die gewöhnliche Abtei⸗ lung gelegt werden, die im Augenblick freigemacht wird, ſondern es müſſen geeignete Räume vorhanden ſein. Bisher hat man ſich ſo helfen können, daß man je zwei halbe Pavillons für dieſe Zwecke freigemacht hat. Das iſt gegenwärtig nicht mehr möglich, weil die Belegungsziffern der Infektionsabteilung zu groß ſind. Man muß für mindeſtens zwei Infektionskrank⸗ heiten gerüſtet, es müſſen alſo zwei Räume hierzu vorhanden ſein. Cholera kann jeden Augenblick vor⸗ kommen. Choleraverdacht wird häufig von den Kol⸗ legen in der Stadt geäußert, namentlich in den heißen Sommermonaten. Darauf muß auch Rückſicht ge⸗ nommen werden; denn man kann nicht wiſſen, ob der Verdacht beſtätigt wird oder nicht. Pockenfälle kön⸗ nen auch bei dem Verkehr mit Rußland vorkommen; das iſt möglich. Für alle dieſe Fälle muß alſo das Krankenhaus gerüſtet ſein. Dazu reichen die verfüg⸗ baren Räume nicht aus. Es müſſen außerdem Vor⸗ kehrungen getroffen werden, um eventuell Angehörige derartiger Verdächtiger oder Erkrankter zu iſolieren. Dazu dient die vorhandene Döckerſche Baracke; ſie kommt nicht, wie die Herren etwa meinen, für der⸗ artige Infektionsfälle in Betracht, ſondern genügt ſelbſt dieſem Bedürfnis der Unterbringung von Fa⸗ milien nur noch recht mäßig. Es bleibt alſo nichts übrig, als neue Baracken zu ſchaffen. Es wäre ja vielleicht zweckmäßig, und es iſt auch in der Krankenhausdeputation davon die Rede ge⸗ weſen, daß man hier reinen Tiſch mache und über⸗ haupt einen neuen Infektionspavillon baue. Das wäre gewiß zweckmäßig. Aber es würde dem augen⸗ blicklichen Bedürfnis nicht genügen. Der Pavillon würde in zwei bis drei Jahren fertig ſein, und in der Zwiſchenzeit wären wir für die Vorkommniſſe, die möglich ſind, nicht gerüſtet. Ich möchte alſo dringend bitten, daß Sie die Vor⸗ lage des Magiſtrats, die im Januar abgelehnt worden iſt, jetzt mit der erneuten Begründung annehmen. Ich möchte noch hinzufügen, daß ja dieſe Baracke nur für den augenblicklichen allererſten Bedarf genügt. Es kann vorkommen, daß wir plötzlich vor dem Ausbruch einer Epidemie ſtehen; dann würde natürlich eine