268 werden wir alle beiſtimmen — in einen Druck der Lehrer auf die Schüler ausarten, ſich von ihnen Privatunterricht geben zu laſſen. Im vorliegenden Falle aber, meine Herren, iſt es ja etwas ganz an⸗ deres: nicht, daß die Lehrer es verlangt hätten, ſondern wir; ſie werden von uns gezwungen, ihren Schülern Nachhilfe zu erteilen. Glauben Sie nicht, daß alle Lehrer die doch nur mit 2 ℳ beſoldeten Stunden ſo gern geben. Eine ganze Anzahl würde Gelegenheit haben, an der Fortbildungsſchule, an Privatſchulen, an der Kunſtgewerbeſchule u. a. viel beſſer beſoldete Stunden zu geben, und ſie würden das vorziehen. Aber wir ſtehen auf dem Standpunkt: wenn es ſchon unvermeidlich iſt, daß die Kräfte der Lehrer zur Erteilung von Nachhilfeunterricht in Anſpruch genommen werden, ſo iſt es am zweckmäßigſten, daß ſie denjenigen zugute kommen, für die der Lehrer in allererſter Linie zu ſorgen hat: ſeinen eigenen Schülern. Wir haben es für notwendig erachtet, den Schülern der Gemeindeſchulen beizuſpringen, indem wir Privatunterricht einführten, und da haben wir gemeint: gerade der Klaſſenlehrer iſt dazu der geeig⸗ netſte, er weiß am beſten, wann und in welchem Um⸗ fange Nachhilfeunterricht notwendig iſt, und er wird auch wiſſen, wann es möglich iſt, das Kind aus dem Nachhilfeunterricht wieder zu entlaſſen. Gerade im Intereſſe einer ſparſamen Wirtſchaft wird es liegen, daß der Klaſſenlehrer dieſen Unterricht übernimmt. Die Anſichten der Lehrer feſtzuſtellen, hatten wir eine beſondere Veranlaſſung. Es lag eine Peti⸗ tion des Rektorenvereins vor, daß der Nachhilfeunter⸗ richt in der gegenwärtigen Form abgeſchafft werden ſollte Dieſe Petition nötigte uns, einmal zu unter⸗ ſuchen, wie man denn im allgemeinen in den Lehrer⸗ kreiſen darüber denkt. So haben wir denn an ſämt⸗ liche Schulleiter und an ſämtliche Lehrer, die dabei beteiligt geweſen find, eine Anfrage gerichtet. Ich glaube wohl, bei einer neuen Sache wird die Ver⸗ waltung gut tun, ſich ſo gut als möglich zu infor⸗ mieren. Aus den Tauſenden von Anſichten, die da⸗ mals zu uns gekommen ſind, haben wir ſo manches lernen können, und ich glaube, wir werden von Zeit zu Zeit wieder einmal anfragen müſſen — nur nicht allzu viel. Dem Herrn Stadtverordneten ſind wir auch mit der Fürſorge für die Kinder zu weit gegangen. Die Summe — das gebe ich zu —, welche wir für den Nachhilfeunterricht eingeſtellt haben, iſt ja nicht unerheblich, und es iſt durchaus anzuerkennen, wenn eine Stadtgemeinde ſo große Aufwendungen für die Schüler macht. Aber, meine Herren, ich glaube, e⸗ handelt ſich doch um ein recht großes Problem. Wir haben es alle bedauert — in vielen Beratungen iſt das zum Ausdruck gekommen —, daß früher ein ſo geringer Teil unſerer Gemeindeſchüler das Ziel der Schule erreichte. Im allgemeinen pflegt man doch eine Schule danach zu beurteilen, ob die Kinder auch das erreichen, was ſich die Schule als Ziel geſteckt hat; und wenn nur die Hälfte dieſes Ziel erreicht, ſo iſt das ein ſehr beſcheidenes Reſultat — und wir waren immer ſo ſtolz auf unſere Schule! Wenn wir die Gemeindeſchule dazu bringen könnten, daß die große Mehrheit der Schüler das Ziel der Schule erreicht, dann, glaube ich, würden die etwa 100 000 ℳ, weiche es koſtet — denen aber auf der andern Seite gewiſſe Erſparniſſe gegenüber ſtehen —, doch gut aufgewendet werden. Bei 26 000 Schülern iſt eine Summe von 100 000 ℳ wohl doch nicht zu hoch. Sitzung vom 19. Juni 1912 Schließlich iſt geſagt worden: in Großberlin wird jetzt eine neue Schulorganiſation geplant, und es wäre befremdlich, wenn wir uns unmittelbar vor⸗ her auf eine andere Organiſation einlaſſen wollten. Nun, meine Herren, ich habe ja die Ehre, an den Vorberatungen mitzuwirken. Es iſt in den Lehrplan⸗ konferenzen ſehr ſtark gearbeitet worden; faſt jede Woche finden ein paar Sitzungen ſtatt, und die Be⸗ ratungen ſind noch nicht abgeſchloſſen; aber ſo weit, glaube ich, kann man es doch ſchon überſehen, daß die Organiſation, welche hier in Charlottenburg getroffen worden iſt, dadurch nicht berührt werden wird. Ich glaube, nach der Richtung hin kann ich, ohne indiskret zu ſein, den Herrn Stadtverordneten beruhigen. Stadtv. Schwarz: Der Herr Stadtſchulrat ſagt: Es wäre ein Irrtum von mir, daß es 40 % ſein müßten. Ich bitte, mir einen Augenblick Gehör zu ſchenken, um feſtzuſtellen, auf welcher Seite der Irr⸗ tum iſt. Auf Seite 230 heißt es im Schlußſatz: Die übrigen 1596 Kinder genoſſen 3z. 3. der Umfrage im Februar 1911 noch Nachhilfeunter⸗ richt. Auch von ihnen konnte beim Semeſter⸗ ſchluß noch eine größere Anzahl mit befriedi⸗ gendem Ergebnis aus dem Nachhilfeunterricht entlaſſen werden, doch ſteht eine genauere Zahlenangabe nicht zur Verfügung. Auf Seite 231 wird fortgefahren: „Von dieſen letzteren“. „Von dieſen letzteren“ kann alſo entweder ſich beziehen auf die größere Zahl unter dieſen 1596 Kindern, oder auf die 1596 Kinder. Bezieht es ſich auf dieſe, ſo ſind 631 faſt 40 %; bezieht es ſich aber auf jene Teilzahl, dann ſind 631 Kinder ein noch höherer Prozentſatz als 40 %, in keinem Falle aber nur 4 %. Der Herr Schulrat hat uns dann geſagt, die Koſten für den Nachhilfeunterricht ſeien erheblich. Ich habe ein Kurioſum feſtzuſtellen. Im vorletzten Abſatz auf Seite 233 heißt es: Die Geſamtausgabe für den Nachhilfeunter⸗ richt der evangeliſchen Normal⸗ und B⸗Klaſſen VI und „, ſowie in den Normal⸗ und E Klaſ⸗ ſen IV und 111 der weſtlichen Schulen — in welchen damals allein Nachhilfeunterricht er⸗ teilt werden durfte — betrug 44 39 ℳ. Es handelt ſich um das Etatsjahr 1910/11. Nun be⸗ trägt der Iſtbetrag in Kapitel I1II1 des Ordinariums für das Jahr 1910 57 679 %ℳ, alſo 12 940 ℳ mehr, als hier angegeben iſt. Der Iſtbetrag für 1909 be⸗ trägt allerdings nur 38 896 ℳ; aber ſelbſt noch die halbe Summe der beiden Zahlen, d. h. der Durch⸗ ſchnitt der beiden Etatsjahre 1909 und 1910, näm⸗ lich 48 000 ℳ, iſt noch um 3261 ℳ höher als die hier angegebene Summe, trotz der früher geringeren Gegenleiſtung. Das iſt ein Kurioſum. Ich kann nicht auf alles eingehen, was der Herr Stadtſchulrat geſagt hat. Ich möchte ganz kurz zu⸗ ſammenfaſſen. Es ſind zwei Punkte, die uns vor allen Dingen zu beſchäftigen haben. Die eine Frage iſt die hygieniſche Frage. Denn die Lehrer der B-Klaſſen haben geſagt, daß die Schüler derſelben, die geſund geworden ſind, auch in N⸗Klaſſen mit⸗ kommen. Wir müſſen alſo vor allen Dingen die Kinder geſund zu machen ſuchen. Wir müſſen des⸗ halb ſtatiſtiſch feſtſtellen: iſt durch den Nachhilfe⸗ unterricht etwas gegen die Geſundheit der Kinder geſchehen? Dieſe Feſtſtellung iſt nicht gemacht wor⸗ den. Die Sicherung der Geſundheit der Kinder er⸗ ſcheint mir auch pädagogiſch als der Hauptgeſichts⸗ punkt; denn unter allen den Arten der Differenzie⸗