270 Sitzung vom beſonderen Schwierigkeiten begegnen. Es darf aber nicht vergeſſen werden, daß die wirtſchaftliche Lage unſerer Piloten noch ſehr weſentlich der Beſſerung bedarf. Unſere Flieger, und ganz beſonders die aus dem Zivilſtande, befinden ſich faſt ausnahmslos in einer gewiſſen Abhängigkeit von den Fabriken für Flugzeuge, und ihre Einnahmen ſtehen in keinem Verhältnis zu dem Gefahrenriſiko, dem ſie ſich dau⸗ ernd in Ausübung ihres Berufes ausſetzen. Aus eigenen Mitteln Aufwendungen für ſich und ihre Familien, für die Folgen der noch immer in ſo großer Zahl bedauerlicherweiſe eintretenden Unglücks⸗ fälle zu machen, iſt ihnen unmöglich. Private Ve⸗⸗ ſicherungsgeſellſchaften aber lehnen ſolche Riſiken ab oder übernehmen ſie doch nur zu unerſchwinglich hohen Prämien. Wenn man nun das Verſicherungs⸗ weſen überhaupt als eine der vornehmſten Aufgaben auf dem Gebiete der ſozialen Fürſorge betrachtet, ſo beſteht hier zweifellos eine unabwendbare Pflicht zum Schutze der Flieger. Meine Herren! Es iſt eine große Zahl von deutſchen Städten uns — laſſen Sie mich ſagen — mit gutem Beiſpiele vorangegangen, es ſind nam⸗ hafte Beträge der Nationalflugſpende von deutſchen Städten zugewendet worden, und es hat ſich auch hier in der Provinz Brandenburg unter Führung des Reichskomitees ein Ausſchuß gebildet, dem wiederum ein Ausſchuß für die Stadt Charlottenburg ſich an⸗ gliedert, dem die von uns erbetenen 20 000 %ℳ über⸗ wieſen werden ſollen. Meine Herren! Es handelt ſich hier um eine Volksſpende zur Förderung des für unſere Volks⸗ wirtſchaft zweifellos bedeutungsvollen Flugweſens. Es ſoll mit der Nationalflugſpende der Welt ein Bei⸗ ſpiel gegeben werden deutſcher Einmütigkeit, deutſcher Vaterlandsliebe und Opferfreudigkeit. Das deutſche Volk iſt vor eine große nationale Aufgabe geſtellt, der es — ſo hoffen wir — hinblickend auf das republika⸗ niſche Frankreich, ſich hoffentlich gewachſen zeigen wird. (Sehr richtig!) Es gilt, zu beweiſen, daß in einem ſolchen Augenblick alle Unterſchiede der Parteien, der Konfeſſionen und der ſozialen Schichtungen verſchwinden müſſen. Hel⸗ fen wir hierzu, meine Herren, ſeien wir nicht kleinlich, feilſchen wir nicht, bewilligen wir dieſe 20 000 %ℳ Ich bitte Sie, die Vorlage des Magiſtrats anzu⸗ nehmen. (Bravo!) Stadtv. Dr Frentzel: Meine Herren, die Hal⸗ tung, die meine Freunde dieſer Vorlage gegenüber einnehmen, iſt keine einheitliche. Aber auch die⸗ jenigen, die ihr am wohlwollendſten gegenüberſtehen und die ſchließlich zu demſelben Ergebnis kommen wie der Herr Referent und die volle vom Magiſtrat ge⸗ forderte Summe bewilligen wollen, ſchöpfen den Grund zu dieſem Vorgehen, die Berechtigung zu die⸗ ſer Bewilligung nicht etwa aus der Magiſtratsvorlage ſelber, ſondern ſie ziehen Gründe zu dieſem ihrem Vorgehen heran, die ſich zum Teil mit den Ausfüh⸗ rungen des Herrn Referenten wenigſtens in dem erſten Teile ſeines Referats decken. Denn meine Freunde ſind ziemlich übereinſtimmend der Anſicht, daß die Magiſtratsvorlage in keiner Weiſe den Be⸗ weis erbracht hat, daß es ſich hier um eine Ange⸗ legenheit handelt, die aus kommunalpolitiſchen, aus ſtädtiſchen Mitteln unterſtützt zu werden verdient. (Stadtv. Zietſch: Sehr richtig!) 19. Juni 1912 Die Magiſtratsvorlage beſitzt meiner Anſicht nach nicht gerade eine große Werbetraft; ſie iſt ſo allge⸗ mein und unbeſtimmt gehalten, daß man dasjenige, was einen großen Teil meiner Freunde zur Annahme der Vorlage bewegt, nicht aus ihr herausleſen kann. Wir finden zwar auch in der Magiſtratsvorlage einen Hinweis auf Kulturaufgaben, die dieſe Nationalflug⸗ ſpende erfüllen ſoll; aber bei dieſem Hinweis begnügt man ſich und verweiſt im übrigen auf die Anlagen. Wir finden den Hinweis auf die Verbeſſerung der Verkehrsverhältniſſe, die durch die Vervollkommnung der Flugzeuge erreicht werden kann, ein Ausblick, der in jedenfalls doch noch ſehr ferne Zeit führt und augenblicklich noch rein theoretiſch iſt. Nicht dem Raume nach, wohl aber dem gedanklichen Werte nach ſteht im Vordergrund der Magiſtratsvorlage der Hinweis auf die Kriegszwecke, denen die Nationalflugſpende dienen ſoll, der Hinweis darauf, d a ß man aus dem Flug⸗ fahrzeug eine Verteidigungs⸗ und eine Angriffswaffe im Falle eines Krieges ſchmieden will. Es ſind meiner Anſicht nach auch dieſe Ausführungen noch beſonders dadurch unter⸗ ſtrichen, daß man auf das konkurrierende Beiſpiel an⸗ derer Länder, insbeſondere Frankreich, hinweiſt, und⸗ es iſt ja bekannt, daß die ganze große Bewegung, die in Frankreich für die Aviatik eingeſetzt hat, ihren Urſprung und ihre letzten Gründe in der Hoffnung hat, wenigſtens auf einem Gebiete eine gewiſſe Supe⸗ riorität für den Fall eines Krieges vor anderen Nati⸗ onen, insbeſondere vor Deutſchland, zu haben. Mag man nun glauben, daß ſolche Beſtrebungen patriotiſch, ideal und weiſe ſind, mag man auch mit mir der Anſicht ſein, daß ein großes Volk, welches de n Frieden will, ſich am beſten für den Krieg da⸗ durch rüſtet, daß es alle ſeine Kräfte anſpannt, um möglichſt gerüſtet dazuſtehen, mag man dieſe Anſicht bis zum letzten teilen, ſo wird doch keiner auf die Idee kommen, daß die Ver wirklichung die⸗ ſer Ideen Aufgabe kommunaler Tätig⸗ keit ſein kann und ſein wir d. Das iſt und wird immer Aufgabe des Reiches und der Reichsbe⸗ hörden, alſo insbeſondere der Reichsregierung und des Reichstags bleiben müſſen und bleiben, die allein darüber urteilen können, welche Kräfte der Nation für dieſe Zwecke verfügbar ſind, und in welcher Weiſe ſie richtig und zweckmäßig angewandt werden. Würde alſo dieſer Hinweis auf die Kriegszwecke der einzige Grund ſein, den man für die Verwendung unſerer Mittel anführen könnte, ſo würden allerdings wohl nur ſehr wenige Männer unter meinen Freunden für die Bewilligung der 20 000 ℳ einzutreten geneigt ſein. Indeſſen gibt es — und der Herr Referent hat das ſehr klar ausgeführt — doch eine ganze Reihe von Gründen, die einen großen Teil — ich glaube, es wird die Mehrheit meiner Freunde ſein —, wie bereits geſagt, dazu beſtimmen werden, die 20 000 anzunehmen, und dieſe Gründe, dieſe Verwendungs⸗ zwecke der Flugſpende ſind im weſentlichen die — um ſie im allgemeinen mit einem Namen zu be⸗ zeichnen — Kulturaufgaben, die wir darin ſehen, daß die zuſammengebrachten Gelder zur Vervollkomm⸗ nung der Technik, in erſter Linie der Flugtechnik, dienen ſollen. Wir wiſſen, daß jene Vervollkomm⸗ nung der Technik, alle Studien, die in irgendeinem Zweig der Technik aufgewendet werden, befruchtend und erweiternd auf alle Zweige der Technik wirken. So wird hier tatſächlich durch weitere Kenntnis das ideelle Nationalvermögen vergrößert und verbreitert werden können.