Sitzung vom 19. Juni 1912 Und wir finden endlich — und das berührt eine große Anzahl meiner Fraktionsgenoſſen beſonders ſympathiſch — auch den Hinweis auf ſoziale Zwecke. Der Herr Referent hat Ihnen bereits näheres dar⸗ über mitgeteilt. Wir ſehen in der Fürſorge für die⸗ jenigen wagemutigen Leute, die bei der nun einmal augenblicklich noch vorhandenen Gefährlichkeit des Flugweſens im Laufe der Jahre an ihrem Körper zu Schaden kommen werden, vielleicht ſogar ihr Leben verlieren werden — wir ſehen in der Sicherung dieſer Perſonen und ihrer Familien einen ſchönen Zweck, und wir hoffen auch, daß dieſes Gefühl der Sicherung weitere Kräfte zur ruhigeren und deswegen auch er⸗ folgreicheren Arbeit auf dieſem Gebiete anſpornen wird. Sie werden mir zugeben, daß dies allerdings Kulturaufgaben von ſo weiter Ausdehnung ſind, daß man mit guten Gründen und mit Fug und Recht Bewilligungen aus ſtädtiſchen Mitteln für ſie vor⸗ nehmen kann. Man kann ja im einzelnen, abgeſehen von denjenigen Aufgaben, die uns die Städteordnung und die Geſetzgebung als direkt ſtädtiſche bezeichnen, ſehr oft zweifelhaft ſein, was eigentlich in den Rah⸗ men kommunaler Aufgaben fällt. In den letzten Jahren hat man dieſen Begriff entſchieden zu erwei⸗ tern geſucht, und vielleicht mit Recht. Aber es iſt auch in dieſem Saale des häufigeren darauf hingewieſen worden, daß man ſich gewiſſe Schranken in dieſer Be⸗ ziehung ſetzen muß, und daß man die allzu große Hineinbeziehung von allen möglichen Dingen, die nur ſehr indirekt mit dem Städteweſen und mit der Städteverwaltung zu tun haben, mit Vorſicht hand⸗ haben ſoll. Einige meiner Freunde will es bedünken, daß auch unſer Magiſtrat der Erweiterung dieſes Be⸗ griffs ſtädtiſcher Aufgaben nicht ſehr abhold iſt. Wenn der Magiſtrat in Zukunft auf die Stimmung in dieſer Verſammlung einiges Gewicht in dieſer Beziehung legt, ſo dürfte es vielleicht zweckmäßig ſein, wenn er eher an eine Einengung als an eine Erweiterung des Begriffs herantreten wollte. (Bravo! bei den Liberalen.) Stadtrat Seydel: Nur einige Worte, meine Herren! Herr Stadtv. Dr Frentzel hat im erſten Teile ſeiner Rede ausgeführt, daß er die Auffaſſung des Magiſtrats über den Zweck dieſer Spende nicht ganz zu teilen vermöchte. Er hat dem Magiſtrat ſozu⸗ ſagen vorgeworfen und iſt mit ihm nicht einig darin, daß er in den Vordergrund der Aufgaben, die das Flugzeug zu löſen habe, die kriegeriſchen ge⸗ ſtellt habe. Ich glaube, daß Herr Dr Frentzel die Vorlage mißverſtanden hat. Wir ſind im Gegenteil in jeder Hinſicht ſeiner Anſicht und glauben auch, dieſe Anſicht in der Vorlage zum Ausdruck gebracht zu haben. Es heißt hier — um das wörtlich nachzu⸗ weiſen —: „Man mag es bedauern, daß das Flugzeug auch Kriegszwecken dienen wird. — In⸗ deſſen wird man bei dieſem Gedanken nicht ſtehen bleiben dürfen. Man wird weiterhin bedenken müſſen“ — fährt die Vorlage etwa fort —, „daß dieſe neue und wertvolle Kultureinrichtung ge⸗ rade vielleicht letzten Endes ein Mittel werden wird, um den Frieden zu fördern.“ Das iſt der Gedankengang des erſten Abſatzes. Der zweite Abſatz beginnt dann ſofort mit dem, was von den beiden Herren Vorrednern unterſtrichen worden iſt, nämlich: „Wie dem auch ſei, ſo muß doch jeder — gleichgültig, welcher Partei er angehört — erkennen, daß die Förderung des Flugweſens zu den drin⸗ gen dſten Kulturaufgaben einer Nation ge⸗ 271 hört.“ Ich meine, wenn man die Vorlage ſo lieſt — ſo, wie ſie bei näherem Hinſehen allein aufgefaßt werden kann —, dann wird man überzeugt ſein, daß der Magiſtrat durchaus mit Herrn Dr Frentzel in dem, was er will, einig iſt. Stadtv. Richter: Meine Herren! Man kann wohl für die Eroberung der Luft an ſich begeiſtert ſein, deshalb braucht man noch lange nicht für dieſe Vor⸗ lage Begeiſterung zu empfinden. Die Begründung, die der Herr Magiſtratsvertreter gegeben hat, kann auch die Bedenken, die meine Freunde gegenüber der Vorlage haben, nicht zerſtreuen. Herr Stadtrat Seydel hat ja das, was in der Vorlage ſteht, noch unter⸗ ſtrichen. Die Vorlage ſpricht nur davon, daß die Förderung des Flugweſens zu den dringenden Kul⸗ turaufgaben der Nation gehört; Herr Stadtrat Seydel hat das verſtärkt und geſagt, ſie gehöre zu den drin⸗ gendſten Aufgaben. Ich bin der Meinung — und auch meine Freunde haben dieſe Meinung —, daß es noch weit dringendere Aufgaben für unſere Nation gibt als die Förderung des Flugweſens. Die Er⸗ oberung der Luft, mit der ſich ja die Menſchheit ſeit Jahrtauſenden beſchäftigt, kann es, glaube ich, ver⸗ tragen, wenn nicht in dieſem Schnellzugstempo wei⸗ ter gearbeitet wird, in einem Tempo, bei dem in mancher Beziehung alles in Scherben gerät. Im Gegenteil, wenn da ein klein wenig mehr Vorſicht und Ruhe angewandt würde, ſo würde manches blühende Menſchenleben erhalten bleiben und manche Voraus⸗ ſetzung für dieſe Vorlage von vornherein wegfallen. Aber es ſieht nun einmal ſo aus, daß nicht die Gründe, die hier zur Dekoration der Vorlage mit auf⸗ geführt worden ſind — daß die Ausgeſtaltung des Flugweſens die Ausſicht auf eine Mehrung unſerer Verkehrsmittel eröffne —, maßgebend ſind, ſondern daß in allererſter Linie das Flugweſen Kriegszwecken dienen ſoll. Jeder, der die Lage der Flugzeuginduſtrie einigermaßen kennt, wird zugeben müſſen, daß die Flugzeuginduſtrie lediglich von Aufträgen der Mili⸗ tärverwaltung lebt. (Stadtv. Zietſch: Sehr richtig!) Jede Förderung, die die Flugzeuginduſtrie erfährt, kommt nicht nur indirekt, ſondern auch direkt dem Militarismus zugute. Einem derartigen Beſtreben können meine Freunde nicht Vorſchub leiſten. Wenn wirklich eine nationale Aufgabe vorläge, wenn hier wirklich ein Gegenſtand vorhanden wäre, an dem ſich die nationale Begeiſterung entfachen könnte, dann, meine Herren, brauchten Sie nicht ſtädtiſche Mittel in den Dienſt dieſer Aufgabe zu ſtellen, ſondern dann hätten Sie Mittel in Hülle und Fülle, um den Auf⸗ gaben gerecht zu werden. Aber es ſieht eben nicht ſo aus: das, was hier zu einer nationalen Aufgabe ge⸗ ſtempelt wird, iſt keine nationale Aufgabe, ſondern ſoll nur mit künſtlichen Mitteln dazu gemacht werden. Die Begeiſterung, von der hier in ſchönen Worten ge⸗ redet worden iſt, iſt nicht ſo groß für die Flugzeug⸗ ſpende, und weil ſie eben nicht ſo groß iſt, darum ſoll mit allen Mitteln dahin gearbeitet werden, durch Beiträge der deutſchen Kommunen, daß die ganze e nicht mit einem kläglichen Fiasko endet. Alſo nochmals, meine Herren, wenn eine wirk⸗ lich nationale Aufgabe vorliegt, dann überlaſſen wir es dem freiwilligen Opfermute der deutſchen Staats⸗ bürger, und dann wird genug zuſammenkommen. Wenn die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Frentzel einen Sinn haben ſollen und wenn Sie,