Sitzung vom 19. Juni 1912 hält das für dringender, der andere jenes. Eine praktiſche Politik muß eben die Aufgaben, wie ſie der Augenblick bringt, erfaſſen und kann nicht immer ab⸗ wägen wollen: kann ich nicht noch ein Weilchen warten, iſt nicht noch etwas anderes dringender? Hic Rhodus, hic salta! kann man nur ſagen. Jetzt iſt es Zeit, jetzt tritt die Forderung an uns heran, und wir müſſen entſcheiden, ob und in welchem Um⸗ fange wir ihr entſprechen wollen. Ich glaube, der Magiſtrat hat das Richtige in Abwägung der Re⸗ präſentationspflichten der Stadt Charlottenburg und ihrer Leiſtungsfähigkeit getroffen, wenn er von Ihnen eine Spende von 20 000 ℳ erbittet. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! Auch unter meinen Freunden ſind einige der Anſicht, daß die Kommune ſich im allgemeinen nur mit den un⸗ mittelbaren Aufgaben zu beſchäftigen hätte, die inner⸗ halb ihrer Mauern vor ſich gehen. Ein anderer Teil einer Freunde ſteht allerdings mehr auf dem Stand⸗ punkte — zu denen rechne ich mich auch —, daß die Verbindung der Städte mit den allgemeinen Auf⸗ gaben von Staat und Reich gar nicht eng genug ſein kann, daß kein Unterſchied zwiſchen den Aufgaben von Stadt und von Land und von Kreiſen uſw. gemacht werden ſoll. Diejenigen, die auf dieſem Standpunkte ſtehen, ſind allerdings der Anſicht, daß bei dieſer nationalen Flugſpende Kreiſe, Landge⸗ meinden uſw., wie das vorhin ſchon von einer Seite betont worden iſt, ebenſo in den Säckel greifen ſollen wie die unmittelbar ſtädtiſchen Gemeinden. Der⸗ artige Aufgaben lediglich den einzelnen Perſonen zu überlaſſen, das iſt ja theoretiſch recht wohl zu recht⸗ fertigen, führt aber doch zu großen Schwierigkeiten und oft nicht zu dem Ziele, das bei ſolchen großen nationalen Aufgaben erreicht werden ſoll. Meine Herren! Gegenüber den Erklärungen, die vorhin von anderer Seite abgegeben worden ſind, möchte ich doch die außerordentliche nationale Wichtig⸗ keit der Aufgabe betonen, die nicht nur auf dem militäriſchen Gebiete liegt — allerdings auf dieſem in ganz hervorragendem Maße —, ſondern auch weſentlich auf dem Gebiete der Entwicklung der In⸗ duſtrie, der Flugzeuginduſtrie; und die Förderung dieſer Entwicklung kommt nicht zum mindeſten auch den deutſchen Arbeitern zugute. Ich möchte das gerade bei dieſer Vorlage hervorheben. Ich erinnere daran, meine Herren, daß wir im Flugweſen eigentlich bahnbrechend geweſen ſind, daß Lilienthal derjenige geweſen iſt, der leider durch frühzeitigen Tod nicht mehr dazu gekommen iſt, die Entwicklung herbeizuführen, die nachher in Frankreich erfolgt iſt. Auf dieſem Gebiete müſſen wir das, was wir infolge dieſes unglücklichen Umſtandes verloren haben, nach⸗ holen, und das wird allen Schichten der Bevölkerung zugute kommen. Nun die Frage der Höhe des Beitrags. Gewiß ſind meine Freunde, glaube ich, alle der Anſicht, daß es der Magiſtrat vielleicht nicht nötig gehabt hätte, uns jetzt ſchon mit dieſer Vorlage zu kommen, daß es vielleicht richtiger geweſen wäre, bei derartigen Sachen unſerer großen Schweſter oder ſagen wir Mutter Berlin den Vortritt zu laſſen. Wir brauchen nicht immer den Vortritt bei ſolchen Sachen zu haben. (Sehr richtig!) Wir könnten da ruhig abwarten, bis Berlin vorgeht, und könnten dann danach unſeren Maßſtab nehmen. 273 Dieſen Wunſch möchte ich hier dem Magiſtrat gegen⸗ über ausſprechen, und ich hoffe, daß er ihm in Zukunft bei ähnlichen Dingen Rechnung tragen wird. Nachdem aber der Magiſtrat ſich über die Sache ſchlüſſig ge⸗ worden iſt und uns eine Vorlage in dieſer Höhe gemacht hat, möchten wir doch alle, auch diejenigen, von denen ich zuerſt geſprochen habe, aus den all⸗ gemeinen Geſichtspunkten der Vorlage zuſtimmen und auch zu der Höhe der Spende die Zuſtimmung ausſprechen. Ich möchte alſo bitten, den Antrag Flatau abzulehnen und die Magiſtratsvorlage an⸗ zunehmen. Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Wir kommen zur Abſtimmung. Der Herr Berichterſtatter hat die Annahme der Magiſtratsvorlage empfohlen; Herr Kollege Dr Flatau hat den Antrag geſtellt, die Summe von 20 000 eℳ auf 10 000 ℳ herabzuſetzen. Unſere Geſchäftsordnung ſieht nicht vor, in welcher Reihenfolge bei einer derartigen Vorlage abgeſtimmr werden ſoll. Ich ſehe den Antrag Flatau als einen Abänderungsantrag an und möchte Ihnen empfehlen, zunächſt über den Antrag Flatau abzuſtimmen und im Falle ſeiner Ablehnung die Magiſtratsvorlage zur Abſtimmung zu ſtellen. Stadtv. Dr Stadthagen (zur Frageſtellung): Es würde doch zweckmäßig ſein, erſt über den weiter⸗ gehenden Antrag abzuſtimmen; denn dann würde, falls dieſer abgelehnt werden ſollte — was ich nicht hoffe —, dem Betreffenden die Möglichkeit gegeben, für den abgeſchwächten Antrag Flatau zu ſtimmen. Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Man kann ſo und ſo entſcheiden. Stadv. Hirſch (zur Frageſtellung): Man kann auch noch anders abſtimmen. Ich glaube, das Richtigſte wäre, wenn man den Antrag Flatau als Eventualantrag auffaßte und nur ſo abſtimmte, daß, wer für den Fall, daß überhaupt etwas bewilligt werden ſoll, ſür den Antrag Flatau iſt. Denn ſonſt würden ja diejenigen, die grundſätzlich überhaupt gegen jede Bewilligung ſind, um zu verhindern, daß 20 000 %ℳ bewilligt werden, gezwungen ſein, für den Antrag Flatau zu ſtimmen, und dieſer würde ange⸗ nommen werden, obwohl vielleicht die Mehrheit der Verſammlung ganz anderer Meinung iſt. Vertreter des Vorſtehers Stadtv. Otto: Herr Kollege Flatau hat ſeinen Antrag als Eventualantrag nicht eingebracht, und ich kann es nicht zulaſſen, daß er hier nachträglich als Eventualantrag charakteriſiert wird. Er iſt als Abänderungsantrag zur Magiſtrats⸗ vorlage eingebracht worden. Ich ſchlage Ihnen vor, die Verſammlung ſelbſt entſcheidet, über welchen Antrag zuerſt abgeſtimmt werden ſoll. Ich bitte diejenigen, die zuerſt über den Antrag 0 7 10 000 %ℳ abſtimmen wollen, die Hand zu er⸗ en. (Geſchieht.) Das iſt die Minderheit. Damit iſt dieſe Reihenfolge abgelehnt, und wir ſtimmen zunächſt über die Ma⸗ giſtratsvorlage ab. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: