276 Sitzung vom verordnetenverſammlung geſagt worden war, und auch der Magiſtrat konnte für ſeine unterirdiſche Anſtalt keine neuen Argumente beibringen. Ich glaube, daß der Magiſtrat ſeine Poſition nicht beſonders dadurch verbeſſert hat, daß er erklärt hat: die unterirdiſchen Anſtalten roſten nicht nur hinſichtlich der Erlichtung ſehr viel mehr, ſondern auch die Betriebskoſten einer unterirdiſchen Anſtalt ſind Jarz erheblich hoher. Das kam ſo. Es war davon die Rede, daß die beiden unterirdiſchen Anſtalten in Charlottenburg, am Knie und in der Seſenheimer Straße, nur von 7 Uhr bis 10 Uhr im Winter und von 7 bis 11 Uhr im Sommer geöffnet ſind. Als man ſich darüber be⸗ ſchwerte, daß das eigentlich ein Zuſtand ſei, der für Krähwinkel wohl, aber nicht für Charlottenburg paſſe, eine Stadt mit großem Verkehr, da ſagte der Magiſtrat: ja, das koſtet zu viel Geld, 150 eℳ die Stunde im Jahre. Daraus kann man nun errechnen, daß der Betrieb einer ſolchen unterirdiſchen Anſtalt in 16 Stunden etwa 2400 ℳ koſtet und in 24 Stunden, wie es notwendig wäre, 3600 %ℳ. Alſo die Errichtung einer unterirdiſchen Anſtalt macht nicht nur bedeutend mehr Koſten, ſondern der Be⸗ trieb iſt auch ſehr viel koſtſpieliger. Wie geſagt, der Magiſtrat hat ſeiner Stellung damit nicht genützt. Was die Zeitdauer betrifft, während der die unterirdiſchen Anſtalten geöffnet ſind, ſo iſt doch das eigentlich unſerm großſtädtiſchen Getriebe nicht ange⸗ meſſen. Stellen Sie ſich den Zuſtand vor, mein( Herren, wenn unſer Opernhaus eröffnet ſein wird, und die Leute, die das Opernhaus nach 10 Uhr ver⸗ laſſen, nach der Seſenheimer Straße zu keine Ge⸗ legenheit finden, auch nach dem Knie zu keine Ge⸗ legenheit finden — wenn der Gipfel der Aeſthetik in Charlottenburg erreicht ſein wird und überall unter⸗ irdiſche Anſtalten errichtet ſein werden: wie dann unſere Straßen nach 10 und nach 11 Uhr bei einem derartigen Betriebe ausſehen werden! Das ſpricht wohl auch gegen die Errichtung von unterirdiſchen Anſtalten. Der Ausſchuß ſchlägt Ihnen nunmehr vor, die Magiſtratsvorlage zu a und b abzulehnen und den Magiſtrat zu erſuchen und zu ermächtigen, den Bau einer oberirdiſchen Bedürfnisanſtalt auf dem Reichs⸗ kanzlerplatz, und zwar auf der auch für die Er⸗ richtung der unterirdiſchen Anſtalt vorgeſehenen Stelle, auszuführen, ſofern nicht an einer der in den Reichskanzlerplatz einmündenden Straßen ein ge⸗ eigneter Platz gefunden werden ſollte. Ferner ſchlägt er vor, die Form der Bedürfnisanſtalt gegenüber dem abgelehnten Entwurf einfacher und weniger in die Augen fallend zu geſtalten, insbeſondere für eine Her⸗ abminderung der Höhe zu ſorgen. Im übrigen ſoll an dem Umfange und der inneren Einrichtung nichts geündert werden. Meine Herren, ich bitte Sie, dem⸗ entſprechend zu beſchließen. Stadtv. Marzahn: Ich bin einigermaßen er⸗ ſtaunt darüber, daß der Magiſtrat den Mut hatte, uns die Vorlage zu unterbreiten. Es iſt mir ganz unverſtändlich, wie man auf die Idee kommen konnte, den Reichskanzlerplatz durch die Errichtung eines ſolchen Bauwerks verunzieren zu wollen. Auch die vom Magiſtrat zunächſt ins Auge gefaßte unter⸗ irdiſche Bedürfnisanſtalt müßte doch mit einem Auf⸗ bau, wenigſtens aber mit Säulen oder Pfeilern ver⸗ ſehen werden, die das Firmenſchild, wodurch die Anſtalt kenntlich wird, tragen. Der Reichskanglerplat bildet jetzt bereits das Haupteingangstor für Char⸗ 19. Juni 1912 lottenburg bzw. für Berlin und er wird es auch in dauernd ſteigendem Maße bleiben. Hierauf ſollten wir doch in erſter Linie Rückſicht nehmen und peinlich darüber wachen, daß dieſer herrliche Platz nicht ver⸗ unziert wird, ſondern uns in ſeiner jetzigen ſchönen Wirkung erhalten bleibt. Die uns durch die Neue Weſtendgeſellſchaft aufoktroyierte unglückſelige Bau⸗ ordnung für Neuweſtend birgt bereits ſo vielr Uebel⸗ ſtände in ſich, daß dadurch mit Recht der größte Un⸗ wille der Bürgerſchaft erregt worden iſt. Wir ſollten uns daher doch wirklich hüten, den beſtehenden Uebel⸗ ſtänden unſerſeits noch neue hinzuzufügen. Ich bin überzeugt, daß es dem Magiſtrat gelingen wird und muß, in einer der in den Reichskanzlerplatz ein⸗ mündenden Straßen ein Plätzchen für die Errichtung einer Bedürfnisanſtalt zu finden. Bedenken Sie, daß der Reichskanzlerplatz der Stadt heute zur Zierde gereicht, daß wir auf ihn ſtolz ſein können, und daß er bei jedem Freude auslöſt, der ihn ſieht, und zwar nicht nur bei unſeren Mitbürgern, ſondern namentlich auch bei den vielen Fremden, die zu uns kommen. Ich möchte Sie deshalb im Auftrage der größten Zahl meiner Freunde bitten, nur Punkt 1 des Aus⸗ ſchußantrages zuzuſtimmen, Punkt 2 dagegen abzu⸗ lehnen und von der Errichtung einer Bedürfnisanſtalt Abſtand zu nehmen, vielmehr den Magiſtrat zu er⸗ ſuchen, uns eine neue Vorlage zu unterbreiten, die die Errichtung einer Bedürfnisanſtalt in einer der in den Reichskanzlerplatz einmündenden Straßen vorſieht. Ich möchte das zum Antrag erheben. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren! Herrn Stadtv. Marzahn möchte ich mir erlauben zu er⸗ widern, daß der Magiſtrat jederzeit den Mut haben wird, das vor Ihnen zu vertreten, was er für richtig hält. Im übrigen aber, glaube ich, mutet Ihnen der Ausſchuß viel mehr zu, nämlich indem er Ihnen empfiehlt, den Magiſtrat zu ermächtigen, auf dem Reichskanzlerplatz auf diejenige Stelle, wo der Ma⸗ giſtrat die unterirdiſche Bedürfnisanſtalt hin⸗ ſetzen wollte, eine oberir diſche hinzuſetzen. In einem Punkt begegnen wir uns mit Herrn Stadtv. Marzahn: wir halten allerdings den Reichs⸗ kanzlerplatz für einen äſthetiſch ſo hervorragenden Punkt unſerer Stadt, daß die allergrößte Zurück⸗ haltung hinſichtlich ſeiner Ausgeſtaltung geboten iſt. (Bravo! bei der Vereinigten alten Fraktion.) Anderſeits aber kann man doch an der Erkenntnis nicht vorübergehen, daß es ein Platz iſt, an dem der Verkehr in mächtigen Strömen vorbeiflutet, und daß unbedingt eine ſolche Anſtalt auf dieſem Platze oder in ſeiner unmittelbaren Nähe notwendig iſt. Nun ſagt Herr Stadtv. Marzahn: ſucht mal in der Nähe herum, da werdet ihr und müßt ihr etwas finden. Ich wünſchte nur Herr Stadtv. Jolenberg hat uns ja auch den Rat gegeben —, die Herren machten ſich ſelber einmal die Mühe und ſuchten einen ſolchen Platz. Wir haben uns vergeblich be⸗ müht, ſowohl die Deputation für das Reinigungs⸗ weſen wie der Magiſtrat, einen ſolchen Platz aus⸗ findig zu machen. Denn, meine Herren, der Platz muß doch wenigſtens einigermaßen im Zuge des Ver⸗ kehrs liegen. Ich will nicht in die Details hinein⸗ ſteigen; (Heiterkeit)