278 mehrere unterirdiſche Bedürfnisanſtalten Unter den Linden zu errichten. Wie iſt es denn? Vor ein paar Jahren haben Sie mich nach London geſchickt. Ich habe die Londoner Verhältniſſe nach der Richtung hin ſtudiert. Meine Herren, kein Menſch ſtößt ſich dort daran, die Stufen in dieſe Anſtalten hinabzuſteigen, ich habe überhaupt keine oberindiſchen Anſtalten dor: geſehen. (Zurufe.) Dort finden Sie unterirdiſche Bedürfnisanſtalten mit 15 bis 20 Kloſetts nebeneinander. Alſo dort 1 man daran gewöhnt und ſieht zu, daß man die Pläge der Stadt nicht durch oberirdiſche Anſtalten ve. ſchandelt. Wenn Sie nicht darauf eingehen wollen, eine . Anſtalt zu bauen, dann rate ich Ihnen, s Modell einer unſerer kleinen älteſten hölzernen Sennrmanſeten wie wir ſie haben, zu 4.1 und zwei ſolche dorthin zu ſetzen. Dann haben S die Möglichkeit, dieſe in 5 oder 6 Jahren wieder 1 zunehmen. Die Durchführung des Ausſchußantrages betrachte ich als ein Unglück für den Platz. , (Bravol) Stadtv. Ruß: Meine Herren! Ich war an⸗ fänglich ſehr gegen eine unterirdiſche Anſtalt auf dem Reichskanzlerplatz. Nach den Ausführungen unſeres Sachverſtändigen aber, des Herrn Baurats für den Hochbau, muß ich doch ſagen, daß die Angelegenheit im Augenblick auf einen toten Puntt angelangt zu ſein ſcheint. Wir werden uns, das glaube ich, nunmehr nicht entſchließen können, an dieſer Stelle, wo ſie bisher geplant iſt, eine oberirdiſche Anſtalr hinzuſtellen. Ich muß auch zugeben: wer den Platz genau angeſehen hat, der muß zu dem Schluß kommen, daß es ein ſehr ſchlechter Punkt für einen ſolchen Koloß iſt — ich muß es als einen Koloß be⸗ zeichnen. Der ſchöne Platz würde nicht ins Auge fallen, wenn man an ihm vorbeigeht, ſondern immer die Bedürfnisanſtalt! Ich möchte dechalb anheim⸗ geben, ob wir nicht die ganze Vorlage dem Magiſtrat noch einmal mit der Bitte zurückgeben, uns eine neue Vorlage zu machen und zu prüfen, ob eine unter⸗ irdiſche Bedürfnisanſtalt an jener Stelle nicht doch noch mit weniger Mitteln herzuſtellen ſei; ber genauer Kalkulation, glaube ich, muß dies zu er⸗ reichen ſein; denn in andern Städten ſind unterirdiſche Anſtalten durchaus nicht für ſo hohe Beträge errichtet worden. Aber, meine Herren, ich warne Sie, an der jetzt in Ausſicht genommenen Stelle die oberirdiſche Anſtalt zu bauen! Was Herr Kollege Jolenberg ſagt, daß man fallen reſp. im Winter ausgleiten kann, wenn man in eine unterirdiſche Anſtalt hinuntergeht ſo glaube ich, daß dieſes Argument fortfällt. Wir gehen auch in die Untergrundbahn jahraus jahrein hin⸗ unter, ohne zu fallen! Man kann Vorrichtungen treffen, durch welche eventuelle Glätte zu ver⸗ meiden iſt. Zum Schluß kommend, neige ich, der ich ur⸗ ſprünglich ein Gegner der unterirdiſchen Anſtalten war, aber nur wegen der ſo ſehr hohen Koſten, jetzt dazu, mich zu bekehren, und werde einer neuen Vor⸗ lage, die nicht einen ſo großen Preis fordert, gerne zuſtimmen. Sitzung vom 19. Juni 1912 Stadtrat Boll: Meine Herren! Ich muß auch noch das Wort nehmen. Der Magiſtrat hat wieder⸗ holt durch Herrn Baurat Bredtſchneider prüfen laſſen, ob ſich die Koſten für die unterirdiſchen Anſtalten nicht noch mehr verringern laſſen. Das iſt ſehr ſorgfältig geprüft worden, und Herr Baurat Bredtſchneider iſt auf den Preis gekommen, der Ihnen in der Vorlage mitgeteilt iſt. Alſo eine erneute Prüfung durch den Magiſtrat würde keinen weiteren Zweck haben. Weiter wollte ich mitteilen, daß die PIätze, die von einzelnen Ausſchußmitgliedern in der Nähe des Reichskanzlerplatzes angegeben waren, geprüft ſind, und daß ſich bei allen herausgeſtellt hat, daß irgend ein Hindernis die Errichtung der Anſtalr dort un⸗ möglich machte, z. B. ein Verkehrshindernis, der Bau der Untergrundbahn, die unter der bezeichneren Stelle hinweg geht, uſw. Es war unmöglich, an einer andern Stelle in der Nähe des Reichskanzlerplatzes die Anſtalt unterzubringen. Es iſt doch wichtig das hat auch Herr Bürgermeiſter ſchon betont —, daß die Anſtalt auch geſehen werden muß. Der Ver⸗ ékehrsſtrom geht über den Reichskanzlerplatz: die Menge, die an Renntagen und an Sonntagen dort vorüberkommt, geht nur über den Reichskanzlerplatz, ſie kommt nicht in die Nebenſtraßen. Am beſten iſt für die Anſtalt ein Platz in der Nähe der Untergrund⸗ bahn geeignet. Es war angeregt worden, auch noch zu erwägen, ob wir uns nicht mit der Untergrundbahn in Ver⸗ bindung ſetzen ſollten, daß ſie die Anſtalt mit ihrem Bahnhof in Verbindung brächte. Auch dieſe Frage iſt im Magiſtrat erörtert worden. Die Untergrundbahn hat ſtrikte abgelehnt, eine ſolche Kombination ins Auge zu faſſen. Ich möchte bei dieſer Gelegenheit auch noch ein weiteres mitteilen. Ich habe vor acht Tagen den Beſuch der Bedürfnisanſtalten in der letzten Stunde vor dem Schließen prüfen laſſen — ich will zunächſt die Zahlen von den unterirdiſchen Anſtalten mit⸗ teilen —: an der Charlottenburger Brücke waren in der letzten Stunde vor dem Schluß um 11 Uhr 3 Per⸗ ſonen, an der Dovebrücke eine, in der Anſtalt am Knie in der letzten Stunde vor dem Schluß um 11 Uhr 2 Perſonen, an der Seſenheimer Straße 5 Perſonen. Sie ſehen, daß der Beſuch ſo minimal iſt, daß es wirklich nicht ein ſo dringendes Bedürfnis iſt, die Anſtalten länger offen zu halten. Wir haben dem Ausſchuß auch mitgeteilt, daß bei einer unter⸗ irdiſchen Anſtalt es etwa 150 ℳ koſten würde an ſachlichen und perſönlichen Ausgaben — pro Jahr natürlich —, wenn man ſie ungefähr eine Stunde längen offen halten würde. Die oberirdiſchen Anſtalten haben auch durchaus keinen beſſeren Beſuch in der letzten Stunde: Wil⸗ helmsplatz 7 Perſonen, Friedrich⸗Karl⸗Platz 3 Per⸗ ſonen, Knobelsdorffſtraße 5 Perſonen, Schloßbrücke 2 Perſonen, Tegeler Weg 2 Perſonen, Goslarer Platz 2 Perſonen, Wittenberaplatz 8 Perſonen, Kur⸗ fürſtendamm 3 Perſonen, Savignyplatz 3 Perſonen, Karl⸗Auguſt⸗Platz 8 Perſonen und Amtsgerichts⸗ platz 3 Perſonen. Sie ſehen, der Beſuch iſt doch recht mäßig, und ich glaube nicht, daß dieſer Beſuch uns nötigen ſollte, das viele Geld auszugeben. Ich meine, wir können vorläufig die weitere Entwicklung ab⸗ warten. Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Der Magiſtrat und meine Freunde ſind ja ganz gleicher Anſicht darin, daß man den Reichskanzlerplatz nicht