290 wir einen Ueberſchuß von 1 361 000 ℳ zu erwarten. Wenn wir alſo dieſe 150 000 ℳ rund, die wir heute für den Armenetat zu bewilligen haben, nicht zu be⸗ willigen hätten, ſo würden wir über 1½ Millionen Mark Ueberſchuß haben. Alſo es wird durch dieſe Pille eine Reduktion des Ueberſchuſſes um 10 vor⸗ genommen. Sie iſt alſo eine kräftig wirkende Re⸗ duktionspille. Wir können uns ja trotzdem mit unſerm Ueber⸗ ſchuß ſehen laſſen; er zeigt durchaus keine hippokra⸗ tiſchen Züge; aber 150 000 ℳs mehr würden uns doch beſſer gekleidet haben. Dieſe Pille iſt nun aus einigen kleinen Ingre⸗ dienzien zuſammengeſetzt und aus einem Hauptmittel, nämlich dem Punkt 5, der da 146 000 ℳ von uns verlangt. Ueber die kleineren Beträge will ich mich hier nicht des weiteren auslaſſen, da es ſich um ver⸗ hältnismäßige Bagatellen handelt, und da ſie ja ge⸗ nügend in der Vorlage erklärt ſind. Für um ſo wich⸗ tiger halte ich es aber, über Punkt 5 zu ſprechen. Da iſt es doch von Bedeutung, daß bei dieſem Punkte eine Etatsüberſchreitung von 60 % vorhan⸗ den iſt. Die Vorlage für 1911 beſagte, daß eine Aus⸗ gabe von 250 000 ℳ entſtehen ſollte, und jetzt kom⸗ men 146 000 %% dazu; das ſind genau 60 %. Ich meine, das gibt doch zu denken Anlaß. Nun habe ich den Akten entnommen, daß im Jahre 1908 im facſcen . auf ſtäd⸗ tiſche Koſten. . 2000. Fälle behandelt worden ſind, im Jahre 1909 . 2333 Fälle, „ „ 1910 3289) „ alſo von einem Jahre zum andern eine Steigerung von . . 1456 Fällen, und im Jahre 1911 4 5050 Fälle, d. h. vom Jahre 1910 zum Jahre 1911 eine Steigerung von 1261 Fällen; reſp. von 1908 bis 1911 hat ſich die Zahl der Fälle um das 2½ fache vermehrt. Und ähnlich iſt es mit den Verpflegungstagen. Im Jahre 1909 waren es 91 0.0 Verpflegungstage, im Jahre 1910 103 000 „ und im Jahre 1911 131 500 Alſo vom Jahre 1909 zu 1910 iſt die Steigerung 11 790 % geweſen, vom Jahre 1910 zu 1911 28 526 Ich meine, daß das doch etwas Ungeſundes iſt, und wenn etwas Ungeſundes in einem Organismus iſt, ſo leidet dieſer im gemsen und ſo leiden die Or⸗ gane. Es iſt klar, daß es, wenn die Steigerung der Fälle und der Verpflegungstage in dieſem Maße an⸗ hält, immer wieder dahin kommen wird, daß Kranke im Krankenhaus nicht werden untergebracht werden können, daß ſie werden abgewieſen werden müſſen, und daß auch ſchließlich das Krankenhaus immer mehr und mehr wird vergrößert werden müſſen. Nun ſteht in den Akten und wohl auch in der Vorlage, daß die Mehrbelaſtung des Armenetats dem Krankenhausetat zugute kommt. Dieſe Bemerkung will mir nicht recht einleuchten. Ja, wenn die Armen⸗ verwaltung das Geld aus fremden Mitteln bekommen und an den Krankenhausetat abgeführt hätte, ſo würden ſich natürlich unſere Finanzen gebeſſert haben. Aber da die Armenverwaltung das Geld aus dem allgemeinen Stadtſäckel nimmt, alſo von den Steuer⸗ zahlern, ſo wird doch unſer Etat, werden doch unſere Finanzen recht belaſtet. Und es kommt noch hinzu, Sitzung vom 19. Juni 1912 50 000 Verpflegungstagen entſprechen, und daß dieſe 50 000 Verpflegungstage doch das Krankenhaus mehr als 200 000 ℳ koſten — jeder Verpflegungstag koſter das Krankenhaus mehr als 4 % —, daß alſo der Aus⸗ gubeetat des Krankenhauſes um mindeſtens 200 000 %ℳ belaſtet wird. Ich will noch hervorheben, daß dieſe 2 1. der Fälle und der Verpflegungstage um ſo mehr in die Augen fallen muß, als, wie ich im Verwaltungs⸗ bericht vom vorigen Jahre auf Seite 174 geleſen habe, der Prozentſatz der unterſtützten Perſonen in den Jahren 1909 und 1910 herabgegangen iſt und die armenärzrliche Hilfe im Jahre 1910 auch zurückge⸗ gangen iſt, desgleichen die Ueberweiſungen an das Krankenhaus. Was iſt nun die Urſache des ſtarken Anwachſens der Fälle und der Verpflegungstage? Da glaube ich wohl nicht fehlzugehen, wenn ich das Syſtem der Ein⸗ ziehung der Gelder beſchuldige. Es iſt hier üblich, daß die Leute, die in das Krankenhaus gehen, eine Anzahlung nicht zu machen brauchen. Anders verhält es ſich aber in den Krankenhäuſern Berlins, mögen dieſe der Stadt gehören, oder mögen ſie Eigenrum irgend einer religiöſen Geſellſchaft ſein, und in den Krankenhäuſern der Vororte. Ich habe mich bei Neukölln und Schöneberg erkundigt. Da wird ver⸗ langt, daß jeder, der in ein Krankenhaus kommt, ſofern er nicht einen Aufnahmeſchein von einer Krankenkaſſe, von einer Berufsgenoſſenſchaft, von der Dienſtboten⸗Krankenkaſſe oder einen Armenſchein vom Armenvorſteher bringt, für einen Monat, alſo 90 %ℳ, zu zahlen hat. Von Neukölln iſt mir geſagt worden, daß ſie äußerſtenfalls auf 45 ℳ herunter⸗ gehen. Ich will ja nun keineswegs ſagen, daß hier in Charlottenburg auch eine totale Aenderung des Ein⸗ ziehungsverfahrens vorgenommen werden ſoll. Ich möchte keineswegs als inhuman und unſozial gelten. Ich meine aber doch, daß die Armenverwanun) ae⸗ 2 ifermaßen einen Jenuskopf haben mußre, das heißr einerſeits ein freundliches Geſicht denjenigen Armen gegenüber, die wirklich im Elend ſind, möge es anch nicht ganz unverſchuldet ſein, daß ſie aber auch anbererſeits ein ernſtes Geſicht aufſetzen muß, wenn es ſich darum handelt, daß die Leute, die zu zahlen in der Lage ſind, herangezogen werden. Wenn man ſo lange, wie ich, hier in Großberlin Arzt iſt und mit⸗ angeſehen hat, wie ſchwer es den Leuten fällt, ſelbſt beſſer ſituierten Leuten, die Liquidation an den Arzt zu zahlen, wie ſehr viele Leute ſich immer und immer wieder davon drücken, die Liquidation zu begleichen, dann kann man natürlich verſtehen, daß es noch viel mehr Leute gibt, die ſich kein Gewiſſen daraus machen, die Stadt zu ſchädigen; denn es iſt bekannt, daß es vielen Leuten viel weniger darauf ankommt, den Staat oder die Stadt zu ſchädigen als einen Privat⸗ mann. Und man darf nicht etwa glauben, daß wir Aerzte — das gleiche wird ja auch hier der Stadt gegenüber der Fall ſein — nur von Leuten in unſeren Einnahmen geſchädigt werden, die im Hof 4 Treppen wohnen und dort ein Zimmer haben, ſondern es ſind — das beſtätigen alle Aerzte, und dieſe Erfahrung habe ich auch gemacht — in doch ziemlich erheblicher Weiſe auch Ausfälle bei Leuten, die am Kurfürſten⸗ damm eine Wohnung von 6, 7, 8 Zimmern haben. Da kann man natürlich doch ſagen, daß es am Prinzip liegt, daß hier das Einziehungsverfahren der Kurkoſten anders iſt als in den anderen Kommun n. daß dieſe 146 000 ℳ, die wir zu bewilligen haben.] Selbſtverſtändlich will ich nichts dagegen haben, daß