322 Sitzung vom 4. Punkt 1: Vorlage betr. Zuſchuß an das Kuratorium der Unfall⸗ ſtationen vom Roten Kreuz. — Druckſache 225. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren! Meine Freunde haben gegen die Bewilligung der hier be⸗ antragten Summe nichts einzuwenden; aber bei dieſer Gelegenheit möchte ich doch anregen, ob der Stadtrat für die hygieniſchen Einrichtungen nicht ſein Augen⸗ merk einmal auf eine Verbeſſerung der Unfall⸗ ſtationen überhaupt richten möchte. Das Rettungs⸗ weſen in Charlottenburg wie in ganz Groß⸗Berlin gibt doch zu manchen Bedenken Veranlaſſung und könnte ſicher in mancher Beziehung verbeſſert werden. Ich habe dabei zunächſt nur einen Punkt im Auge, den ich erwähnen will. Es handelt ſich bei Unfällen, die ſich auf der Straße ereignen und bei denen die Verunglückten einer ſolchen Rettungsſtation zugeführt werden, doch im weſentlichen um Knochenbrüche. Da beſteht nun in Groß⸗Berlin die Gepflogenheit, ſolche Verunglückten in Droſchken oder Automobilen, die herangeholt werden, nach der Unfallſtation hinzu⸗ bringen. Nun ſtelle man ſich vor, daß ein ſolcher Mann, der ſich vielleicht ein Bein gebrochen hat, von Perſonen, die in der Behandlung ſolcher Unfälle doch durchaus nicht erfahren ſind, die ſich aus dem Publi⸗ kum auf der Straße zuſammenfinden, in eine Droſchke gehoben, dann zu der Unfallſtation gefahren und dort ebenſo in unzweckmäßiger Weiſe wieder aus der Droſchke herausbefördert wird. Da muß man doch ſagen: wenn der Bruch ſelbſt zunächſt nur leicht war, ſo kann durch die Art des Transportes ſehr leicht be⸗ wirkt werden, daß er ein ſchwerer geworden iſt. Das Rettungsweſen der Stadt Wien, das ich zwar aus eigener Anſchauung nicht kenne, das aber allgemein als vorbildlich gilt, kennt einen ſolchen Transport Verunglückter nicht, ſondern da wird von der Rettungsſtation nach dem Orte des Unfalls ein Wagen mit einer Trage geſandt, ſo daß der Ver⸗ unglückte in ſachgemäßer Weiſe auf die Trage gelegt und in dieſer Form dann nach der Station befördert wird. Ich ſollte meinen, etwas Derartiges müßte ſich auch in Groß⸗Berlin oder zum mindeſten in Charlottenburg durchführen laſſen, und ich wollte den Herrn Stadtrat bitten, ſeine Aufmerkſamkeit dieſem Punkte einmal zuzuwenden. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Dem Kuratorium der Unfallſtationen vom Roten Kreuz wird der bei Ordinarium Kapitel XIV B Abſchnitt 11 für 1911 — Be⸗ ſchaffung und Anbringung von Schildern, die auf die nächſte Unfallſtation hinweiſen — er⸗ ſparte Betrag von 498 ℳ als einmaliger Zu⸗ ſchuß bewilligt.) Vorſteher Kaufmann: Punkt 2 der Tagesord⸗ nung: Vorlage betr. Annahme einer Schenkung. Druck⸗ ſache 226. Stadtv. Gredy: Meine Herren! Meine Freunde ſtimmen der Magiſtratsvorlage gern zu und teilen die Dankbarkeit, die wir alle der hochherzigen Stif⸗ terin gegenüber empfinden. Wir möchten dem Ma⸗ giſtrat folgendes anheimſtellen: in der Vorlage iſt nicht geſagt, in welcher Art die Stiftung verwendet September 1912 werden ſoll, und wir möchten anregen, daß die 20000 ℳ, wie verſchiedene andere Stiftungsſummen, die wir beſitzen, zinsbringend angelegt werden und der jährliche Zinsertrag im Sinne der Stiftern ver⸗ wendet wird. Ich bitte den Magiſtrat um Auskunft, ob dies ſeinen Abſichten entſpricht. Stadtrat Samter: Der Magiſtrat hatte ur⸗ ſprünglich allerdings die Abſicht, das ganze Kapital zu verwenden; aber nach den Beſtimmungen der Schenkungsurkunde ſteht nichts im Wege, auch ſo zu verfahren, wie der Herr Vorredner es wünſcht. Ich glaube nicht, daß der Magiſtrat Bedenken haben wird, wenn ein ſolcher Antrag hier angenommen werden würde, ebenſo zu beſchließen und dem Antrage zuzu⸗ ſtimmen. Stadtv. Gredy: Ich ſtelle den Antrag, den Ma⸗ giſtrat zu erſuchen, die 20 000 ℳ zinsbringend an⸗ zulegen und die jährlichen Zinſen im Sinne der Stif⸗ terin zu verwenden. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte den Herrn Antragſteller doch bitten, ſeinen Antrag vielleicht ſo zu ſtellen, daß der Magiſtrat, wenn die Stiftungs⸗ urkunde es zuläßt, das Kapital zinsbringend anlegt. (Zurufe vom Magiſtratstiſch: Sie läßt es zul) Nach den Ausführungen des Herrn Stadtrats Samter habe ich verſtanden, daß ſeine Auffaſſung iſt, es ſei nicht zuläſſig. (Erneute Zurufe vom Magiſtratstiſch: Doch, es iſt zuläſſig!) — Es iſt zuläſſig? Stadtv. Gredy: Nach meiner Auffaſſung der Urkunde iſt unſer Vorſchlag vollſtändig zuläſſig. Aber da der Herr Stadtverordnetenvorſteher glaubt, es ſei dieſe Vorausſetzung an meinen Antrag zu knüpfen, ſo tue ich es ganz gern. Ich beantrage deshalb noch 1. „falls die Stiftungsurkunde es zu⸗ äßt.“ Vorſteher Kaufmann: Meine Herren! Herr Kollege Gredy hat namens ſeiner Freunde der Stif⸗ terin den Dank ausgeſprochen. Er hat inſofern mir etwas vorgegriffen, als ich namens der ganzen Ver⸗ ſammlung der hochherzigen Stifterin den Dank und die Hoffnung ausſprechen will, daß ſie Nachahmung in der Bürgerſchaft finden möge. (Bravo!) (Die Verſammlung beſchließt mit großer Mehr⸗ heit nach dem Antrage des Magiſtrats und dem Zu⸗ ſatzantrage des Stadtv. Gredy, wie folgt: a) Die von Frau Oberbergrat Clara Wachler der Stadtgemeinde gemachte Schenkung von 20 000 ℳ wird unter dem Ausdruck des auf⸗ richtigſten Dankes angenommen. 5) Der Magiſtrat wird ermächtigt, die Königliche Genehmigung zur Annahme der Schenkung nachzuſuchen. c) Der Magiſtrat wird erſucht, die 20 000 ℳ zins⸗ bringend anzulegen und die jährlichen Zinſen im Sinne der Stifterin zu verwenden, falls die Stiftungsurkunde es zuläßt.)