Sitzung vom 4. Vorſteher Kaufmann: Wir kommen zum fol⸗ genden Gegenſtand der Tagesordnung: Vorlage betr. Stundung von Beiträgen zu den Koſten der Verbreiterung der Bismarckſtraße. — Druck⸗ ſache 232. Berichterſtatter Stadtv. Haack: Meine Herren! Es handelt ſich um die Anlieger der Bismarckſtraße von der Schloßſtraße bis zur Hardenbergſtraße. Durch Gemeindebeſchluß vom 19. 4. und 13. 6. und 28. 6. 1906 haben die Anlieger auf Grund des § 9 des Kommunalabgabengeſetzes ⅝ der Koſten der Verbreiterung der Bismarckſtraße zu tragen. In Ziffer vI haben wir beſtimmt, daß zwei Jahre nach Bekanntmachung dieſes Gemeindebeſchluſſes die Bei⸗ träge eingezogen werden oder Verzinſung eintreten ſoll. Dieſe Zeit iſt jetzt abgelaufen. Die Anlieger haben ſeinerzeit dagegen Einſpruch erhoben, und wir haben es bis zum Oberverwaltungsgericht durchge⸗ kämpft, daß der Gemeindebeſchluß anerkannt worden iſt und zu Recht beſteht. Es ſind uns nun in letzter Zeit 6 Petitionen zugegangen, vor allem die ſehr gut begründete des 1895er Charlottenburger Hausbe⸗ ſitzervereins, in welchem die Anlieger bitten, daß die Stundung weiter zinslos gewährt werde, und daß vielleicht ein anderer Berechnungsmodus ſtattfinden ſolle. Wir können einer anderweitigen Beitragsbe⸗ meſſung nicht zuſtimmen. Es iſt uns aber vom Ma⸗ giſtrat eine Vorlage gemacht worden, nach der den Anliegern zugeſtanden werden ſoll, eine weitere zins⸗ loſe Stundung zu beantragen, wenn ihre perſönlichen Verhältniſſe mildere Bedingungen erforderlich machen. Von Fall zu Fall müßte dann entſchieden werden. Meine Freunde würden der Vorlage ohne weiteres zugeſtimmt haben; doch iſt von anderer Seite ein Ausſchuß beantragt worden, und ich bitte darum, die Vorlage einem Ausſchuß von 11 Mit⸗ gliedern zu überweiſen. Stadtv. Panſchow: Meine Herren! Dem Be⸗ drängten zu helfen und den Notleidenden zu unter⸗ ſtützen iſt von je her eine der vornehmſten Pflichten der Kommunen geweſen. Wenn ſich aber die Sache ſo geſtaltet, daß durch Maßnahmen der Kommunen und ihrer Verwaltung tatſächlich erſt Not hervorge⸗ rufen wird, dann iſt dies zu einer doppelten Pflicht geworden. Im vorliegenden Falle ſind durch das Orts⸗ ſtatut, durch das die Verbreiterung der Bismarck⸗ ſtraße fortgeſetzt worden iſt, nach der Anſicht weiter Kreiſe der Bürgerſchaft nicht die notwendigen Rück⸗ ſichten auf die Intereſſen der Einzelnen gegenüber den Intereſſen der Allgemeinheit genommen worden. Das iſt eben bei einem großen Teil dieſer Leute durch die Tatſachen ziemlich bewieſen, daß das, was zum Wohle der Allgemeinheit diente, ſich zum Ruin einzelner Bürger von Charlottenburg ausgeſtaltet hat. Darum kann ich mit dem Herrn Vorredner nicht einverſtanden ſein, wenn er ſagt, nach der Ma⸗ giſtratsvorlage ſei den Anliegern der Bismarckſtraße, die mit dem Beitrage noch im Rückſtande ſind, das Recht gegeben worden, nunmehr weitere Stundung der rückſtändigen Beiträge zu verlangen. Meine Herren, ſo iſt die Sache nach der Vorlage doch nicht; das Recht iſt den Anliegern nicht gegeben worden, ſondern es iſt dem Magiſtrat freigeſtellt worden, aus Billigkeitsrückſichten weiter auf die Anträge der Anlieger einzugehen und nach eigenem Ermeſſen eine weitere Stundung zu gewähren. Ja, meine Herren, das iſt aber ein himmelweiter Unterſchied! Der September 1912 327 Widerwille, wenn ich ſo ſagen darf, gegen die Ein⸗ ziehung dieſer im einzelnen Falle wirklich koloſſalen Beiträge iſt nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß das Oberverwaltungsgericht in ſeinem Entſcheide an⸗ ſcheinend hat durchblicken laſſen, daß es das Urteil des Provinzialrats nicht in allen Fällen als richtig anerkennen könne, und es iſt vielleicht möglich, daß das Oberverwaltungsgericht, wenn es die materielle Frage zu entſcheiden gehabt hätte, doch in anderer Weiſe entſchieden hätte, als es der Provinzialrat getan hat. Aber, meine Herren, an den vollendeten Tat⸗ ſachen können wir nichts mehr ändern. Das Orts⸗ ſtatut iſt in Kraft getreten, es iſt durch ver⸗ ſchiedene Prozeſſe feſtgeſtellt worden, daß es zu Recht beſteht, und ſo bleibt uns nichts weiter übrig, als mit dieſer Tatſache zu rechnen. Aber, meine Herren, die Anlieger haben doch etwas anderes erwartet, nämlich mehr Entgegenkommen, und daß nach Billigkeit und Gerechtigkeit uſw. entſchieden werde. Es hat ſich bei einem großen Teil der Leute die Meinung feſtgeſetzt, daß nicht nur diejenigen zu berückſichtigen ſeien, die tatſächlich ſchon vor der Pleite ſtehen, ſondern auch diejenigen eine maßvolle Rückſicht zu verdienen und zu erwarten haben, die noch einiges Vermögen hinter ſich haben. Denn auch dieſe Leute erheben den An⸗ ſpruch, daß die Stadt ihnen nicht die letzten Not⸗ groſchen, die ſie ſich in früheren Jahren mühſam er⸗ ſpart haben, für Anliegerbeiträge fortholt. Sie wollen ihren letzten Notgroſchen erſt in dem Augen⸗ blick opfern, wo tatſächlich alles das eintreten wird, was ſeinerzeit bei der Verbreiterung der Bismarck⸗ ſtraße den Anliegern vorgeſchwebt hat, nämlich ein Goldregen. Daß es ſehr lange dauern kann, bis dieſes Ereignis eintritt, und daß es bei der großen Zahl von Grundſtücken vielfach ausgeſchloſſen iſt, das hat ſich im Laufe der Jahre wohl bei uns allen zu einer feſten Ueberzeugung verdichtet. Sehr richtig!) Nun kommt dazu, daß in der Bürgerſchaft der⸗ jenige, der das Einholen der Beiträge zu beſorgen hat, nämlich der Magiſtrat, doch immerhin als eine feindliche Partei betrachtet wird, und darum wollten wir bei der Entſcheidung über dieſe Frage Gelegen⸗ heit geben, darzutun, in welcher Weiſe denn die Bei⸗ träge bei den einzelnen Anliegern eingetrieben werden ſollen. Wir wollen hier mitſprechen, aber nicht um das . . Wort zu reden, ſondern nur um gutachtlich gehört zu werden. Deshalb erlaube ich mir, den Antrag zu ſtellen, in dem Antrage des Magiſtrats hinter dem Worte „hinaus“ zu ſetzen „ſoweit Anträge auf weitere Stundung vorliegen, nach Anhörung der Grundeigentumsdeputation.“ Meine Herren, wir ſind der Meinung, daß es einen vorzüglichen Eindruck machen wird, wenn vielleicht die Intereſſen der Anlieger dadurch beſſer gewahrt würden, daß Vertreter der Bürgerſchaft über dieſe Verhältniſſe gehört werden. Die Stadtverordneten gelten ja doch bei der großen Mehrheit der Bürger⸗ ſchaft mehr als bürgerfreundlich und zugänglich als der Magiſtrat, der zwar nach außen hin als aus⸗ führendes Organ die Bürgerſchaft vertritt. Ferner möchte ich Sie bitten, hinter dem Worte „zinslos“ einzufügen das Wort „weitere“. Dann hat Herr Stadtverordneter Haack ge⸗ ſagt, die Mehrheit der liberalen Fraktion, ſeiner Freunde, werde ſich der Einſetzung eines Ausſchuſtes nicht widerſetzen, wo wir die Verhältniſſe noch einmal durchſprechen könnten, um dadurch etwaige Härten