Sitzung vom 4. Punkt 13 der Tagesordnung: Mitteilung betr. Kochturſe. Druckſache 237. (Die Verſammlung nimmt Kenntnis.) Ich bitte die Herren Kollegen Litten, Ruß und Wagner, das heutige Protokoll zu vollziehen. Punkt 14 der Tagesordnung: Anträge der Stadtverordneten Dr. Frentzel und Gen. und Ahrens und Gen. betr. Lebensmittelteuerung. — Druckſachen 238, 239. Ich habe Ihnen mitzuteilen, daß die beiden Anträge von den Herren Antragſtellern zuſammen⸗ efaßt und in einen Antrag umgewandelt worden nd. Dieſer Antrag lautet, wie folgt: Wir beantragen, die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung möge in Anbetracht der andauernden Steigerung der Lebensmittelpreiſe, welche Ge⸗ ſundheit und Leben der Bevölkerung aufs ernſteſte bedroht, „den Magiſtrat erſuchen: 1. bei dem Bundesrat und Reichstag vor⸗ ſtellig zu werden wegen ſofortiger Auf⸗ hebung der Zölle auf Fleiſch und Futter⸗ mittel, der Aufhebung aller die Einfuhr beſchränkenden oder verbietenden Be⸗ ſtimmungen für Vieh, das von der Grenze direkt den Schlachthöfen zugeführt wird, des § 12 des Fleiſchbeſchaugeſetzes, ſowie endlich wegen einer Ermäßigung und eines allmählichen Abbaues der Getreidezölle; die Frage der Lebensmittelteuerung zur Beratung auf den bevorſtehenden Tagungen des Brandenburgiſchen und des Preu⸗ ßiſchen Städtetages anzumelden; die gemiſchte Deputation zur Beratung der Frage der Lebensmittelteuerung mit der Prü⸗ fung der Frage zu beauftragen, ob und welche ſtädtiſchen Einrichtungen zur Verſorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu ſchaffen und wie die vorhandenen auszubauen ſind. Antragſteller Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Herren! Die mangelhafte Verſorgung unſerer Vieh⸗ märkte mit Schlachtvieh, die dadurch herbeigeführte ſtändige Steigerung der Fleiſchpreiſe, die ſo ſtark ge⸗ worden iſt, daß es großen Teilen unſerer Bevölke⸗ rung nicht mehr möglich iſt, auch nur annähernd das⸗ jenige Fleiſchquantum zu kaufen, was ſie früher zu beziehen gewohnt war, ja ſogar zum Teil großen Klaſſen der Bevölkerung den Fleiſchgenuß verbietet — dieſen ganzen Kompler von höchſt üblen und wenig erfreulichen Dingen, den man unter dem Namen Fleiſchnot gemeiniglich zuſammenfaßt, hat uns in dieſem Saal bereits des öfteren in den ver⸗ floſſenen Jahren beſchäftigt, das letzte Mal ziemlich 1040. vor zwei Jahren, nämlich am 14. September Es iſt damals und auch im Verlauf von wei⸗ teren Beratungen, die über dieſes Thema gepflogen worden ſind, von den verſchiedenſten Seiten der Be⸗ fürchtung Raum gegeben worden, es würde nicht das letzte Mal ſein, daß wir über dieſe Dinge zu ſprechen hätten, ſondern daß wahrſcheinlich noch öfter die dringende 1 4. an uns herantreten würde, über die Fleiſchnot und ihre üblen Folgen Klage zu September 1912 331 führen. Leider haben diejenigen, die ſolchen Befürch⸗ tungen Ausdruck verliehen, Recht behalten; denn heute liegt für uns wieder die allerdringendſte Ver⸗ anlaſſung vor, uns mit dieſer Frage zu beſchäftigen und unſer Augenmerk auf diejenigen Mittel zu richten, die eventuell in der Lage ſind, dieſen üblen Dingen Abhilfe zu ſchaffen. 1 Wenn diejenigen, die ſolche Befürchtungen hegten, Recht gehabt haben, ſo iſt das außerordent⸗ lich leicht verſtändlich und ſehr wohl zu begreifen. Denn es iſt ſchon in früheren Jahren trotz drin⸗ gender Bitten von allen Seiten, trotz der dringendſten Vorſtellungen durch die Kommunen und durch alle möglichen Kreiſe der Bevölkerung in dieſer ganzen Frage von der Regierung ſo gut wie nichts geſchehen. Das, was man zur Abwehr unternommen hat, waren kleine, ungenügende Mittel, die nicht wirken konnten. Man hat Palliativmittel angewendet, die der eigent⸗ lichen Krankheit, dem eigentlichen Uebel in keiner Weiſe zu Leibe gehen konnten, während man die großen und wirkſamen Mittel, auf die von den ver⸗ ſchiedenſten Seiten und zum Teil mit großem Er⸗ folge hingewieſen worden iſt, unbeachtet gelaſſen hat. Man hat ſich immer noch mit dem Gedanken ver⸗ tröſtet, man hat zu glauben vorgegeben, daß es ſich nur um eine vorübergehende Erſcheinung handelt, die ihre Remedur ſchon in ſich ſelbſt, ſchon aus dem Gange der wirtſchaftlichen Dinge heraus finden wird, und man hat ſich — es iſt kaum zu glauben immer noch der Ueberzeugung verſchließen wollen, daß es ſich um feſte, dauernde Zuſtände handelt, die eine Aenderung nicht erfahren werden, wenn man nicht mit großen und energiſchen Maßnahmen gegen ſie vorgeht. Es wäre ſicher nicht zu verſtehen, daß man einen derartigen Zuſtand ungeändert läßt, wenn man nicht wüßte, daß es im Deutſchen Reich eine zwar nicht große, dafür aber ſehr mächtige und einflußreiche Zahl von Leuten gibt, die an eben dieſer Fleiſchteue⸗ rung, an dieſen exzeſſiv hohen Preiſen für ſich ebenſo viel Freude haben, wie der größte Teil der Bevölke⸗ rung Leid und Sorge darüber empfindet. Seitdem wir uns hier in dieſem Saale mit dieſer Frage be⸗ ſchäftigt haben, hat ſich im weſentlichen die Kon⸗ ſtellation nicht geändert, abgeſehen davon, daß, wie Ihnen allen bekannt iſt und wie ich nicht auszu⸗ führen brauche, heute die Fleiſchpreiſe noch höher ſind, als ſie damals waren. Ich habe ſeinerzeit vor Ihnen auseinandergeſetzt, daß es ſich nach dem Urteil von hervorragenden Volkswirtſchaftlern, nach dem Urteil von durchaus ernſt zu nehmenden Sachver⸗ ſtändigen nicht um einen nur vorübergehenden, ſon⸗ dern um einen dauernden Zuſtand handelt und han⸗ deln muß, weil man die Urſachen, die ihn herbeige⸗ führt haben, die zu dieſer Teuerung das Fundament legen, erkennen, begreifen und ganz beſtimmt um⸗ ſchreiben kann, wenn man natürlich vorurteilsfrei und nicht von Profitwut und Eigennutz geblendet an die Prüfung der Dinge herantritt. Ich könnte Ihnen alſo im weſentlichen nur das⸗ ſelbe als Begründung mitteilen, was ich Ihnen im Jahre 1910 vorgetragen habe; denn die Anſichten jener Leute, die ich Ihnen hier darlegte, ſind ſeit jener Zeit zwar oft bekämpft, nie aber widerlegt worden. Wenn ich damals, auf eben jene Autoritäten geſtützt, ausführte, daß es ſich um einen dauernden Zuſtand handelt, ſo iſt der beſte Beweis für die Rich⸗ tigkeit dieſer Auffaſſung doch wohl darin zu ſuchen, daß wir jetzt nach verhältnismäßig kurzer Zeit den⸗ ſelben Zuſtand, nur im verſchärften Maßſtab, haben,