334 Aber die Dinge haben ſich ſo entwickelt, daß die Liberalen über die theoretiſche Weltanſchauung hin⸗ aus durch die rauhe Wirklichkeit doch gezwungen worden ſind, der Stadtverwaltung wenigſtens in einem gewiſſen Umfange die Aufgabe, hier preis⸗ regelnd mitzuwirken, auch zuzuerkennen. Das haben die Liberalen in dieſem Hauſe ja dadurch anerkannt, daß ſie ſchon in früheren Zeiten unſeren Magiſtrat in einem ganz geringen Umfange beauftragt und er⸗ mächtigt haben, auf dieſem Gebiete preisregelnd mit vorzugehen, und das erkennen ſie auch dadurch an, daß ſie von neuem der ſchon beſtehenden Deputation, die ja mit ihrer Hilfe eingeſetzt iſt, wiederum die Aufgabe erteilen oder dieſe Deputation wiederum auffordern, in eine Prüfung der Frage einzu⸗ treten. Meinen Freunden wäre es ja natürlich lieber geweſen, wenn Sie ſich dazu hätten aufraffen können, meine Herren, für den Antrag zu Nr. 2 un⸗ ſeres urſprünglichen Antrages zu ſtimmen, in wel⸗ chem klipp und klar ausgeſprochen wird, daß die be⸗ ſtehenden ſtädtiſchen Einrichtungen ausgebaut werden ſollen, und daß neue Einrichtungen zu treffen ſind. Aber wir verkennen nicht, daß das den Herren von der Mehrheit eine große Ueberwindung koſten muß. Darum erkennen wir es durchaus an, daß Sie ſich be⸗ reit erklärt haben, den Antrag auch in der Form an⸗ zunehmen, daß die Deputation von neuem prüfen ſoll, ob ſtädtiſche Maßnahmen getroffen werden können. Meine Freunde, meine Herren, ſind davon über⸗ zeugt, daß bei gutem Willen tatſächlich ſtädtiſche Einrichtungen getroffen werden können. Ich verweiſe z. B. auf Wiesbaden, wo zwiſchen der Fleiſcherinnung und dem Magiſtrat in den letzten Tagen ein Vertrag zuſtande gekommen iſt, auf Grund deſſen die Fleiſch⸗ preiſe alle 14 Tage vom Magiſtrat feſtgeſetzt werden. Die Fleiſcherinnung hat ſich deswegen zu dieſem Vertrage verſtanden, weil der Magiſtrat von Wies⸗ baden im entgegengeſetzten Falle eine Gemeinde⸗ ſchlächterei und einen ſtädtiſchen Fleiſchverkauf ein⸗ gerichtet hätte. Der Magiſtrat hat der Innung als Gegenleiſtung zugeſtanden, von der Errichtung einer Gemeindeſchlächterei und der Einrichtung eines ſtädtiſchen Fleiſchverkaufs abzuſehen. Alſo, meine Herren, die Tatſachen beweiſen, daß auf dieſem Gebiete tatſächlich etwas geſchehen kann, und wir begrüßen es daher, daß die Herren von der Mehrheit, die Liberalen, wenigſtens bereit ſind, in der Deputation von neuem dieſe Frage eingehend zu prüfen. (Bravo!) Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Auch meine Freunde bedauern auf das lebhafteſte, daß die Bevölkerung, nicht nur die Bevölkerung, die mate⸗ riell am ſchlechteſten geſtellt iſt, ſondern vor allem auch ſehr ſtark der Mittelſtand, unter der augenblick⸗ lichen Teuerung zu leiden hat. Wir ſind der An⸗ ſicht, daß außergewöhnliche Verhält⸗ niſſe auch außergewöhnliche Mittel rechtfertigen. Aber die große Mehr⸗ heit meiner Freunde hat ſich nicht entſchließen können, Anträge an⸗ zunehmen, die auf einen vollkomme⸗ nen Bruch mit der jetzigen Wirt⸗ ſchaft spolitik hinauskommen würden. Meine Herren, Herr Kollege Borchardt hat ja ſelber darauf hingewieſen, daß der Antrag auf Er⸗] mäßigung und allmählichen Abbau der Getreidezölle Sitzung vom 4. September 1912 tatſächlich eine vollkommene Abkehr von der herr⸗ ſchenden Wirtſchaftspolitik bedeuten würde. (Sehr richtig!) So weit können meine Freunde nicht gehen. Wir haben gerade deshalb freudig begrüßt, daß die An⸗ träge, die geſtern vorlagen, durch den heutigen ge⸗ meinſamen Antrag der liberalen und ſozialdemo⸗ kratiſchen Fraktion doch eine gewiſſe Abſchwächung erfahren haben. In den urſprünglichen Anträgen waren mehrere Punkte, denen meine Freunde nicht hätten zuſtimmen können, auf die ich aber hier, da ſie ja fallen gelaſſen ſind, nicht näher einzugehen brauche. Wir ſtimmen ohne weiteres den Anträgen zu A 2 zu, nämlich die Frage der Lebensmittelteue⸗ rung auf den Tagungen des Brandenburgiſchen und Preußiſchen Städtetages zu beraten, ebenſo dem An⸗ trage zu B, der gemiſchten Deputation die ange⸗ ſchnittene Frage zu unterbreiten. In letzterer Beziehung muß ich allerdings be⸗ merken, daß meine Freunde darüber geteilter Anſicht ſind, ob es ſich empfiehlt, die ſtädtiſchen Einrich⸗ tungen nach dieſen Richtungen hin zu erweitern, oder nicht, ob man dem Zwiſchenhandel, dem Mittel⸗ ſtand, den ſelbſtändigen Exiſtenzen da Schwierig⸗ keiten machen ſoll oder nicht. Wie geſagt, darüber ſind die Anſichten unter uns geteilt. Jedenfalls haben aber meine Freunde gar kein Bedenken da⸗ gegen, daß die Frage in gemiſchter Deputation ein⸗ gehend geprüft wird. Meine Herren, was den Punkt 4 1 betrifft, ſo werden wir auch dem erſten Teile mit einer ge⸗ wiſſen Einſchränkung zuſtimmen können, bei dem Bundesrat und Reichstage vorſtellig zu werden wegen ſofortiger Aufhebung der Zölle auf Fleiſch und Futtermittel; — es muß natürlich da der Strich hinter Fleiſch wegbleiben, denn Fleiſchmittel ſagt man doch im allgemeinen nicht, ſondern es wird redaktionell beſſer heißen: auf Fleiſch und auf Futtermittel. (Zuſtimmung.) Wir möchten aber den Zuſatz beantragen, bei den Worten „ſofortiger Aufhebung“ das Wort „vorüber⸗ gehender“ einzufügen. Wir betrachten das als ein beſonderes Hilfsmittel bei der jetzigen Lage. Den weiteren Vorſchlägen in A 1 können wir nicht zuſtimmen, alſo: der Aufhebung aller die Einfuhr be⸗ ſchränkenden oder verbietenden Beſtimmungen für Vieh, das von der Grenze direkt den Schlachthöfen zugeführt wird, des § 12 des Fleiſchbeſchaugeſetzes, ſowie einer Ermäßigung einem allmählichen Abbau der Getreide⸗ zölle. Meine Herren, über die Getreidezölle habe ich ſchon geſprochen. Es wurde da von dem Herrn Vor⸗ redner betont, daß ſie hiermit nur loſe zuſammen⸗ hingen. Wir möchten nach dieſer Richtung hin die augenblickliche Lage nicht zu einer Aenderung der Wirtſchaftspolitik benutzen. Auch haben wir Bedenken, den § 12 des Fleiſch⸗ beſchaugeſetzes einfach aufzuheben. Der § 12 enthält ſo viele nach Anſicht bedeutender Sachverſtändiger und ſelbſt von Politikern linker Richtung in veterinär⸗ polizeilicher Hinſicht notwendige Momente, daß man doch nicht ſo ohne weiteres vorſchlagen kann, dieſen Paragraphen einfach aufzuheben. Wir beantragen, ſtatt des zweiten Teiles von A 1 zu ſagen: 0