336 Sitzung vom 4. ich übrigens gleich bemerken möchte, daß auch, wie ebenfalls die Broſchüre erweiſt, die engliſchen Be⸗ ſtimmungen nicht etwa durch die Rückſicht auf die Kolonien hervorgerufen werden; denn das gefrorene und gekühlte Fleiſch, das in England verzehrt wird, wird zum geringſten Teile aus den Kolonien, zum größeren Teile aus anderen Ländern, Argentinien uſw., eingeführt. Ich kann nur meine perſönliche Meinung hier ausſprechen. Ich habe mich eigentlich nur zum Worte gemeldet, um zu betonen, daß der Magiſtrat allen Ihren Anträgen, ſoweit ſie hier der zurzeit vor⸗ handenen Teuerung entgegentreten wollen, ſicherlich zuſtimmen wird, auch der in Nr. 1 Ihres Antrages gewünſchten Petition, ſoweit ſie eben nicht eine voll⸗ ſtändige Umgeſtaltung unſerer Wirtſchaftspolitik zur Durchführung bringen will. Man kann eben ſehr zweifelhaft darüber ſein, ob dieſe gegenwärtige Teuerung dazu benutzt werden ſoll, eine derartige Aenderung herbeizuführen, wenn ſie auch in der über⸗ wiegenden Meinung unſerer Bürgerſchaft, insbe⸗ ſondere ſoweit ſie der liberalen Parteipolitik folgt, als ſehr willkommen erſcheinen mag. Ich betone ferner, daß der Magiſtrat den Anträgen zu B zu⸗ ſtimmen dürfte, welche die Vervollkommnung und den weiteren Ausbau der ſtädtiſchen Einrichtungen fordern, die dazu dienen, die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu verſorgen. Was die Frage der Behandlung der Frage auf den Städtetagen anbetrifft, ſo möchte ich meinen, es würde wohl genügen, wenn die Frage auf dem größeren und eindrucksvolleren, nämlich auf dem Preußiſchen Städtetage behandelt wird. Ich ſtelle anheim, ſich auf dieſen Antrag zu beſchränken. Stadtv. Jacobi: Meine Herren! Ich möchte zunächſt Herrn Kollegen Dr. Borchardt meinen Dank für das Kompliment ausſprechen, das er heute dem Zwiſchenhandel gemacht hat. Er hat allerdings gleich hinterher geglaubt dieſes Kompliment ein⸗ ſchränken zu müſſen, indem er ſagte, daß ſowohl die Engroshändler als die Detailliſten etwas zu viel verdienen. Ich glaube ihn darüber beruhigen zu können; denn die freie Konkurrenz iſt der beſte Re⸗ gulator für die Preiſe, und die Konkurrenz ſorgt ſchon dafür, daß weder die Groſſiſten noch die De⸗ tailliſten zu hohe Preiſe nehmen. Zu dem Antrage B möchte ich bemerken: gegen dieſen Antrag läßt ſich nichts einwenden; denn gegen die Ueberweiſung dieſes Antrages an die gemiſchte Deputation läßt ſich in der Tat nichts ſagen. Aber ich glaube doch, mit meinem Bedenken gegen ſtädtiſche Verkaufsſtellen für Lebensmittel und gegen die Er⸗ weiterung der bereits beſtehenden Einrichtungen nicht zurückhalten zu ſollen. Denn, meine Herren, mit der einen Hand würde man das nehmen, was man mit der anderen Hand gäbe: mit der einen Hand würde man dem Publikum billigere Preiſe verſchaffen und mit der anderen ihm die Fähigkeit nehmen, je nach dem Umfange der zu treffenden Einrichtungen Steuern zu zahlen und damit die Pflichten gegen Arme und Kranke zu erfüllen. Meine Herren, eine Einrichtung haben wir bereits geſchaffen, nämlich den Seefiſchverkauf. Ich glaube wohl, daß, wenn wir den Seefiſchverkauf in eigener Regie hätten, d. h. alſo den Fiſcheinkauf ebenſo wie den Fiſchverkauf ſelbſt beſorgen wollten, wir dann damit ein ſehr großes Fiasko gemacht hätten. September 1912 Wir haben das nicht getan, ſondern nur Propaganda dafür gemacht, daß die unerſchöpflichen Schätze des Meeres dem Volke im höheren Maße nutzbar ge⸗ macht werden, als es bisher der Fall war. Darin haben wir einen ſehr großen Erfolg aufzuweiſen; denn der Fiſchkonſum innerhalb der Stadt hat tatſächlich erheblich zugenommen und nimmt immer weiter zu. Die Hauptſache aber iſt, daß auch die Warenhäuſer ſich des Seefiſchverkaufs angenommen haben. Es finden heute bereits große Umſätze von Seefiſchen ſtatt, die, glaube ich, auch dazu beitragen, daß die Fleiſchpreiſe nicht noch mehr in die Höhe gegangen ſind, wie es an ſich ſchon der Fall iſt. Meine Herren, der Magiſtrat war auf dem richtigen Wege, als er uns eine Vorlage unterbreitete, auch für den Reis⸗ konſum dieſelbe Propaganda zu unternehmen, und ich möchte mir erlauben, daran zu erinnern, daß der Antrag des Magiſtrats im vorigen Jahre, der dahin ging, auch den Reisverkauf einzuführen reſpektive dafür Propaganda zu machen, mit nur einer Stimme Majorität abgelehnt worden iſt. (Zuruf: Leider!) Es iſt damals bereits hervorgehoben worden, daß viele Hunderte Millionen ausſchließlich vom Reis leben, und ich ſtelle der gemiſchten Deputation anheim, auch dieſen abgelehnten Antrag noch einmal zu beraten und ihn dort prüfen zu laſſen. Ich bin überzeugt, daß dieſer Antrag gerade jetzt zeitgemäß wäre, und daß wir ihn, wenn er aus der Deputation zurückkommt, dann auch annehmen werden. Stadtv. Dr Frentzelt: Ich möchte Herrn Bürgermeiſter Matting bemerken, daß ich mich durchaus davon frei weiß, die Hand nach dem Un⸗ möglichen auszuſtrecken und einer Politik der Utopie nachzugehen. Und wenn Herr Bürgermeiſter Matting ſagte, man müſſe das Nötige tun, ſo ſind in dieſer Beziehung eben wohl unſere Begriffe über das, was nottut, etwas verſchieden. Ich kann von dieſem Geſichtspunkt aus auch Herrn Kollegen Stadthagen nicht zuſtimmen, als er nur für eine vorübergehende Aufhebung der Zölle eintritt. Ich habe es abſichtlich vermieden, auf dieſen Punkt heute einzugehen, weil ich mich früher bereits des näheren darüber ausgelaſſen habe. Aber, meine Herren, ich ſehe in einer vorübergehenden Aufhebung der Sperrmaßregeln — ich möchte es mal ganz im allgemeinen nehmen — eine gewiſſe Gefahr; denn eine vorübergehende Aufhebung wird nichts nützen. Augenblicklich iſt das Ausland, von dem wir eventuell den größeren Fleiſchzuſtrom erwarten, gar nicht in der Lage, ihn zu gewähren. Erſt ſpäter würde es, wenn es auf einen dauernden, feſten Markt in Deutſchland zu lohnenden Preiſen rechnen kann, dazu kommen, ſeine Viehzucht ſtärker zu pouſſieren und auf dieſe Weiſe an Deutſchland größere Mengen von Vieh abgeben zu können. Nun, meine Herren, werden Sie ſagen: das könnten wir abwarten. Aber eine ſolche Maßnahme, die man als nur vorübergehend für wirkungslos hält, einzuführen, hat das Bedenken, daß von dem Gegner nachher mit dem Argument ge⸗ arbeitet wird: nun, da iſt ja die viel gerühmte Auf⸗ hebung, ſie hat nichts geholfen, alſo laſſen wir die Sache einſchlafen, gehen wir wieder zu dem alten Syſtem zurück. Würde ich glauben, daß die vorüber⸗ gehende Aufhebung der Zölle und Sperrmaßregeln wirkungsvoll wäre, ſo würde ich mich ſchon aus dem Grunde damit einverſtanden erklären können, weil