Sitzung vom 2. Oktober 1912 a) 1 Stelle für einen ſtändigen juriſtiſchen Hilfsarbeiter (Aſſeſſor) mit einer Be⸗ ſoldung von 3600 % jährlich, D) 2 Stellen für Stadtſekretäre (Kl. 4 III a, Geh.⸗Tafel Nr. 20 des Normalbeſoldungs⸗ etats), 121 c) 2 Stellen für Sekretariatsaſſiſtenten (Kl. AIVa, Geh.⸗Tafel Nr. 25 des Normal⸗ beſoldungsetats). Die hiernach für das laufende Rechnungs⸗ jahr erforderlichen Mittel von rund 6970 % ſind dem Dispoſitionsfonds zu entnehmen. III. Für die Beſoldung eines vom 15. November 1912 ab vorübergehend zu beſchäfti⸗ genden juriſtiſchen Hilfsarbeiters werden für das laufende Rechnungsjahr 1350 % aus dem Dispoſitionsfonds bewilligt.) 11. Vorſteher Kaufmann: Wir kommen nun zur Be⸗ ratung des dringenden Antrages, den die Herren auf Ihren Plätzen haben: Dringlicher Antrag der Stadtv. Bade und Gen. betr. Maßnahmen gegen die Fleiſchteuerung. Der Antrag lautet: Unter Hinweis auf die in Nr. 229 der „Norddeutſchen Allgemeinen Zeitung“ enthal⸗ tene Bekanntmachung der Preußiſchen Staats⸗ regierung betr. Maßnahmen gegen die Fleiſch⸗ teuerung erſucht die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung den Magiſtrat, baldigſt geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die in den Ab⸗ ſätzen 1 und 3 durch die Regierung in Ausſicht geſtellten Erleichterungen der Fleiſch⸗ und Vieh⸗ einfuhr auch für Charlottenburg nutzbar zu machen. Antragſteller Stadtv. Zietſch: Meine Herren! Die Angelegenheit, Maßnahmen gegen die Teuerung zu treffen, hat zu wiederholten Malen die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung beſchäftigt, und erſt in der vor⸗ letzten Sitzung haben Sie über dasſelbe Thema be⸗ raten. Aber ſo eifrig und viel über dieſe notwendige Frage auch geſprochen worden iſt, ſo iſt doch, was Charlottenburg anbetrifft, bisher herzlich wenig prak⸗ tiſch getan worden. Wenn wir daher heute wiederum mit einem Dringlichkeitsantrage in dieſer Sache vor Sie treten, dann iſt es aber doch nicht nur die unſerer Auffaſſung nach nicht genügend ſchnelle Arbeit der von Ihnen und dem Magiſtrat gemeinſam eingeſetzten gemiſchten Deputation, die uns dazu Veranlaſſung gibt, ſondern den äußeren Anlaß zu dieſem Dring⸗ lichkeitsantrage haben uns in erſter Linie die Ver⸗ öffentlichungen der preußiſchen Staatsregierung betr. Maßnahmen gegen die Teuerung gegeben. Ich möchte aber gerade in bezug auf dieſen Anlaß zu unſerem Vorgehen der Begründung des Antrags meiner Freunde einige Worte vorausſchicken. Wenn wir uns mit unſerm Dringlichkeitsantrag auf die Veröffentlichung der preußiſchen Staatsregie⸗ rung in Nr. 229 der „Norddeutſchen Allgemeinen Zeitung“ ſtützen, dann meſſen wir dieſer Veröffent⸗ lichung und den Maßnahmen der Regierung gegen die Fleiſchteuerung wahrhaftig keinen übermäßigen Wert bei; denn ſchon die ganze Anlage der von der Regierung getroffenen Maßnahmen deutet darauf hin, daß in der Praxis auch durch dieſe Vorkehrungen herzlich wenig herauskommen wird, um der Fleiſch⸗ 353 teuerung und Lebensmittelverteuerung wirtſam Ein⸗ halt zu gebieren. Die Bekanntmachung der Regierung ſcheint in der Tat von einer ungeheuren Aengſtlich⸗ keit, die nach rechts hinüberdeutet, beeinflußt worden zu ſein. Die Unzulänglichkeit dieſer Maßnahmen iſt oeshalb auch in der letzten Zeit nicht nur in einem großen Teil der Preſſe in ganz ſcharfer Weiſe kritiſiert und hervorgehoben worden, auch in den Körperſchaf⸗ ten ſtädtiſcher Verwaltungen hat man darüber geſpro⸗ chen und im großen ganzen einen ablehnenden Stand⸗ punkt gegenuber dieſen Maßnahmen eingenommen. Dieſe ablehnende Kritit gründete ſich vor allen Dingen auf die in den Maßnahmen enthaltenen Beſchränkun⸗ gen, da die preußiſche Regierung nur die Vieh⸗ und Fleiſcheinfuhr für die großen Städte einigermaßen erleichtert ſehen will, die, wie es in Abſatz 1 der Be⸗ kanntmachung heißt, als Märkte für die Vieh⸗ und Fleiſchpreiſe ganzer Landesteile maßgebend ſind. Es liegt auf der Hand, daß durch eine derartige Ein⸗ ſchränkung an eine wirkſame Erleichterung der Vieh⸗ und Fleiſcheinfuhr gar nicht zu denken iſt und daß die überwiegende Mehrheit des deutſchen Volkes von dieſen Erleichterungen kaum etwas profitieren kann. Hinzu kommt noch ein anderes. Die Erleichte⸗ rung der Vieh⸗ und Fleiſcheinfuhr ſoll ſich nur auf die Einfuhr aus gewiſſen Ländern beſchränken. In erſter Linie kommen Rußland und die drei Balkan⸗ ſtaaten, Serbien, Bulgarien und Rumänien, dabei in Betracht. Wenn man aber in Anſehung der jetzigen politiſchen Lage auf dem Balkan einer praktiſchen Ver⸗ wirklichung dieſer Regierungsmaßnahmen entgegen⸗ ſehen will, wird man bald mit getäuſchten Erwar⸗ tungen umkehren müſſen. (Sehr richtig!) Es iſt gar nicht daran zu denken, daß bei dieſer außer⸗ ordentlich geſpannten Lage, die in jedem Moment den Krieg auf dem Balkan bringen kann, in nennenswer⸗ tem Umfange eine vergrößerte Vieh⸗ und Fleiſchein⸗ fuhr aus den Balkanſtaaten ſtattfinden könnte. Und wenn man ſehr mißtrauiſch gegen die preußiſche Re⸗ gierung iſt und ihr agrarierfreundliches Herz richtig einſchatzt, dann muß man ſich wahrhaftig fragen, ob die preußiſche Regierung nicht in Vorausahnung die⸗ ſer Baltanwirren die Vieheinfuhr aus Serbien, Bul⸗ garien und Rumänien frei gegeben hat in der ſicheren Erwartung, daß von dorther doch kein Stück Vieh kommen kann. Ebenſo liegt es auch mit Rußland; auch aus Rußland wird eine geſteigerte Vieh⸗ und Fleiſch⸗ einfuhr in nennenswertem Umfange nicht zu erwarten ſein, da das ruſſiſche Reich durch den Ausbruch von Wirren auf dem Balkan in Mitleidenſchaft gezogen würde. So iſt alſo wenig daran zu denken, daß dieſe Maßnahmen der Regierung der Kleiſchteuerung auch nur in beſcheidenſter Weiſe Einhalt gebieten könnten. Dazu kommt ferner, daß unter den Regierungs⸗ maßnahmen gerade die Erfüllung deſſen fehlt, was das Hauptverlangen der großen Gemeinden und aller der⸗ jenigen Kreiſe innerhalb des deutſchen Volkes iſt, die darauf drängen, daß in wirklich genügendem Um⸗ fange der Fleiſchteuerung geſteuert werde: die Einfuhr von gefrorenem und gekühltem Fleiſch wird nicht im mindeſten durch die Regierungsmaßnahmen erleichtert. Aber doch liegt in dieſen Regierungsmaßnahmen etwas Beachtenswertes, und das ſcheint mir die Hauptſache zu ſein: die Stützung auf die Gemeinden. Dieſer Gedanke, der in den Regierungsmaßnahmen ausgeſprochen worden iſt, läßt dieſelben weiten Krei⸗ ſen des Volkes und auch zum Teil meinen Partei⸗