Sitzung vom 2. Oktober 1912 einer Petition vom 14. Mai wendet ſie ſich an die Stadtverordneten und weiſt darauf hin, daß das neue Gebäude durch die Emanationen der Gasanſtalt, durch die Ruß⸗ und Rauchbeläſtigungen ſtark litte. Frau Lehmann führt in der Petition aus, erſtens, daß das im Entſtehen begriffene Gebäude geſchädigt würde, zweitens befürchtet ſie, daß die Vermietung ihrer Wohnungen Schwierigkeiten haben würde. Der Petitionsausſchuß hat ſich auf den Stand⸗ punkt geſtellt, daß zweifellos die Nachbarſchaft einer Gasanſtalt gerade keine große Annehmlichkeit iſt, daß aber, wer in jener Gegend ein Haus baut, die Gas⸗ anſtalt als Nachbarſchaft doch bereits kennt und bei der Kalkulation ſeines Unternehmens mit dieſer Nachbarſchaft als einer vorher gegebenen Tatſache rechnen muß. Es kann ſich rechtlich doch nur darum handeln, ob der Betrieb der Gasanſtalt in einer Weiſe geführt wird, daß er die Anwohner in übermäßiger Weiſe beläſtigt. Nun ſteht unbedingt feſt und wird von dem Herrn Dezernenten und maß⸗ gebenden Perſönlichkeiten der Gasanſtalt behauptet, daß die Gasanſtalt in jeder Beziehung alle Vorſicht walten laſſe, um den Betrieb ſo zu führen, daß er die Umwohner möglichſt wenig beläſtigt. Perſönlich bin ich außerſtande geweſen, die Behauptung, die Frau Lehmann aufſtellt, daß ihr Haus litte, nachzuprüfen. Das eine Bedenken, daß ſie fürchtet, die Vermietung würde ſich ſchwierig geſtalten, iſt heute bis zu einem gewiſſen Grade inſofern widerlegt, als bei einem Hauſe, das zum 1. Juli beziehbar wurde, bereits jetzt am 1. Oktober eine größere Anzahl Wohnungen mit vermietet“ bezeichnet worden iſt. Der Herr Dezernent der Gasanſtalt hat uns im Petitionsausſchuß ausgeführt, daß ſeitens der Gasanſtalt immer und fortwährend dafür geſorgt wird, daß Wiſſenſchaft und Technik den Betrieb be⸗ aufſichtigen. In dieſem Sommer vorgenommene Luftunterſuchungen haben ergeben, daß eine über⸗ mäßige Verunreinigung der Luft nicht ſtattfindet. In den letzten Tagen hat die Gasanſtalt noch Ge⸗ legenheit gehabt, dem von einem Anwohner der Ge⸗ gend angerufenen Berliner Herrn Gewerberat gegen⸗ über darzulegen, daß die Art und Weiſe, wie die Gasanſtalt ihre Kohlen lagert und wie ſie ſie durch Karren abführt, durchaus den Anforderungen ent⸗ ſpricht, die man an einen ſolchen Betrieb ſtellen kann. Der Gewerberat hat, wie mir der Dezernent geſagt hat, kleine Aenderungen an den Kohlenkarren emp⸗ fohlen, im allgemeinen aber zugegeben, daß die Füh⸗ 4 der Gasanſtalt auch hier durchaus einwand⸗ rer ſei. Es wird Ihnen bekannt ſein, meine Herren, von früheren Referaten über dieſe Angelegenheit, daß von einem Nachbarn aus jener Gegend ein Prozeß gegen die Stadtgemeinde angeſtrengt worden iſt, in dem bewieſen werden ſoll, daß die Gasanſtalt ſchä⸗ digend einwirkte. Dieſer Prozeß iſt noch nicht zu einem Abſchluß gelangt, und es würde wohl durch⸗ aus unangemeſſen ſein, während des Schwebens des Prozeſſes in irgendeiner Weiſe ſich äußern zu wollen. Auch aus dieſem Grunde und aus den anderen an⸗ geführten empfiehlt der Petitionsausſchuß, über die Petition der Frau Lehmann zur Tagesordnung über⸗ gehen zu wollen. Stadtv. Erdmannsdörffer: Meine Herren! Ich werde dem Antrage der Petitionskommiſſion nicht widerſprechen, daher auch keinen irgendwie anders gearteten Antrag ſtellen. Ich tue dies um ſo weniger, als, wie der Herr Referent ſchon mit Recht hervor⸗ 359 gehoben hat, ein Prozeß über den ganzen Komplex von Angelegenheiten ſchwebt und es naturgemäß nicht am Platze wäre, in ein ſchwebendes Verfahren einzugreifen. Ich nehme nur das Wort, um mir eine Anfrage und einen Wunſch an den Magiſtrat zu erlauben, ganz unabhängig von der Frage der Peti⸗ tion und der ſonſtigen Angelegenheiten, die hier ſchweben. Ich erlaube mir die Frage, ob und wann es möglich wäre, die dort befindliche Gasanſtalt I zu beſeitigen. Gleichzeitig möchte ich dem Wunſche der verhältnismäßig großen Anzahl der dort wohnenden Bevölkerung Ausdruck geben, daß dieſe Gasanſtalt möglichſt in abſehbarer Zeit wirklich von dort ent⸗ fernt werde. Denn, wie man auch zu der Frage ſtehen mag: das iſt unzweifelhaft, daß eine ſolche Gas⸗ anſtalt in einer verhältnismäßig gut bewohnten Ge⸗ gend kein Schmuckſtück und vor allen Dingen keine Parfüm erzeugende Anſtalt iſt. Ich wäre dem Ma⸗ giſtrat dankbar, wenn er mir die Frage, ob und wann eine Beſeitigung der Gasanſtalt dort möglich wäre, beantworten könnte. Stadtrat Caſſirer: Meine Herren! Mit der⸗ ſelben Beſtimmtheit, mit welcher die Frage geſtellt worden iſt, vermag ich die Antwort nicht zu geben. Ich kann nur das eine ſagen, daß der Betrieb der Gasanſtalt 1 ſeit einigen Jahren ganz weſentlich eingeſchränkt worden iſt und daß er in den Sommer⸗ monaten überhaupt gänzlich ruht. Dagegen vermag ich Ihnen heute noch nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, wann der Betrieb dauernd eingeſtellt werden wird. Nur das eine ſteht feſt, daß die Deputation, die ſich mit dieſer Frage wiederholentlich beſchäftigt hat, beſchloſſen hat, eine Erweiterung der Anlage nicht mehr vorzunehmen, ſondern nur die vorhande⸗ nen Apparate und Oefen aufzuarbeiten. Wann der Zeitpunkt gekommen ſein wird, läßt ſich mit Be⸗ ſtimmtheit heute natürlich noch nicht ſagen. Die An⸗ gelegenheit wird Sie aber jedenfalls noch einmal be⸗ ſchäftigen, denn ich glaube, daß die Außerbetrieb⸗ ſetzung der Anſtalt nur durch einen Gemeindebeſchluß möglich ſein wird. Vorſteher Kaufmann: Da der Herr Magiſtrats⸗ vertreter die Anfrage zu beantworten bereit war, ſo habe ich ſie auch anſtandslos zugelaſſen. Ich möchte aber die Herren darauf aufmerkſam machen, daß bei Gelegenheit einer Petition zu Anfragen eigentlich nicht Platz iſt. Daraus, daß ich ſie in dieſem Falle zugelaſſen habe, möchte ich bitten, kein Präzedens zu entnehmen, ſich ſpäter nicht darauf zu berufen. Die Art, wie Anfragen an den Magiſtrat zu richten ſind, iſt in der Geſchäftsordnung geregelt. Ich habe dies⸗ mal keinen Anſtand genommen, weil die Frage in innigem Zuſammenhange mit der Petition ſteht und Herr Stadtrat Caſſirer mir erklärt hat: ich bin bereit, dieſe Frage ſofort zu beantworten. Ich bitte aber, dieſe Ausnahme nicht in der Zukunft als Regel zu betrachten. Stadtv. Erdmannsdörffer: Meine Herren! Mit der liebenswürdigſt gegebenen Auskunft des Herrn Stadtrats Caſſtrer kann ich mich nach Lage der Sache für vollſtändig befriedigt erklären. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Ausſchuſſes, über die Petition 11 zur Tages⸗ ordnung überzugehen.)