Sitzung vom 2. Oktober 1912 daß er an die einzelnen Stadtverordneten herangeht und ſie veranlaßt, für ihn einzutreten. Seine Ein⸗ ſtellung iſt im Intereſſe der Verwaltung, wie geſagt, nicht möglich. Ich bitte Sie ſehr darum, den An⸗ trag des Ausſchuſſes anzunehmen. Stadtv. Zietſch: Die Ausführungen der beiden Herren Magiſtratsmitglieder nötigen mich doch noch zu einigen Worten. Ich glaube, der Herr Ober⸗ bürgermeiſter hat in ſeinem angeblichen Wohlwollen für den Feuerwehrmann Hentſchel vollkommen vor⸗ beigeſchlagen. Er ſagte, er müſſe es ſich im Intereſſe der Zukunft des Hentſchel und ſeiner Stellung bei den Siemens « Halske⸗Werken verſagen, auf die Einzelheiten der Entlaſſungsgründe einzugehen. Ich glaube, dieſe Andeutungen, die der Herr Ober⸗ bürgermeiſter hier gemacht hat, ſchädigen Hentſchel mehr, als wenn er offen das ausgeſprochen hätte, was über Hentſchel überhaupt vorzubringen iſt. (Sehr wahr!) Der Herr Oberbürgermeiſter kann über Hentſchel alles das ſagen, was in den Akten ſteht; ich bin da⸗ von überzeugt, daß das dem Hentſchel nichts ſchaden wird. (Sehr richtig!) Aber ſolche Andeutungen, wie ſie der Herr Oberbürgermeiſter machte, können Hentſchel ſchaden; denn ſie laſſen der Vermutung Raum, daß in den Akten ganz ctwas anderes enthalten iſt, als was überhaupt in begründeter Weiſe geſagt werden kann. Schon Herr Stadtrat Meyer hat verſchiedenes über Hentſchel geſagt, was gar nicht in den Akten ſteht. (Widerſpruch des Stadtrats Meyer.) — Doch, Sie haben zum Beiſpiel davon geſprochen, daß die Frau des Hentſchel zu Ihnen oder zu einem Vorgeſetzten von Hentſchel gekommen ſei und ſich darüber beſchwerr habe, daß ihr Mann ſich mit an⸗ 21 Frauen herumtreibe. Das ſteht nicht in den Akten. (Stadtrat Meyer: Daß er ſie hinausgeworfen hat, ſteht aber in den Akten!) — Das weiß ich. Aber ſie behaupteten vorhin, daß die Frau mündlich geſagt habe, daß ihr Mann ſich mit anderen Frauen herumtreibe. Das ſteht aber nicht in den Akten, auch in den Briefen der Frau Hentſchel iſt davon nichts enthalten. Es ſteht darin nur, daß ſie von ihrem Mann gemißhandelt und hinaus⸗ geworfen worden iſt; es ſteht aber nicht darin, daß ſich Hentſchel mit anderen Frauen herumgetrieben hat. (Zuruf des Stadtrats Meyer.) — Wenn Sie in dieſer ſo kritiſchen Frage aus dem Gedächtnis zitieren und ſich Mühe geben wollen, Hentſchel dabei nicht zu ſchaden, ſo dürfen Sie ſich eben nur auf das ſtützen, was ſchriftlich niedergelegt und auch zu beweiſen iſt. Ich muß offen geſtehen, daß ich den Fall Hentſchel nicht aus der Vergangenheit kenne; ich habe ihn erſt aus den Akten erfahren. Ich kenne Hentſchel auch nicht perſönlich, kann alſo auch durch ſein Auf⸗ 369 treten nicht beeinflußt ſein. Für mich ſprechen in dieſem Falle nur die Akten, und da muß ich auch ſagen, daß nach meiner Auffaſſung dem Hentſchel Unrecht geſchehen iſt. Die vorgeſetzten Stellen des Hentſchel haben ungeheuer widerſpruchsvoll gehandelt, und die ganze Begründungsrede des Herrn Stadtrats Meyer war meiner Auffaſſung nach ſo unglücklich wie nur etwas. (Sehr richtig!) Sie bewegte ſich fortwährend in einem Kreiſe. Auf der einen Seite iſt geſagt worden, Hentſchel ſei wegen Familienangelegenheiten entlaſſen worden; der Ent⸗ laſſungsgrund habe mit dem Verhalten Hentſchels im Dienſt nichts zu tun, hier wäre er tüchtig ge⸗ weſen. Auf der anderen Seite wird wieder geſagt: wir können den Hentſchel nicht brauchen, weil die Diſziplin durch ihn durchbrochen wird. Ich werde aus dieſem Widerſpruch nicht klug. Wenn Sie bei allen ſtädtiſchen Beamten und Arbeitern allein das Familienleben und nicht auch die berufliche Fähigkeit als Maßſtab für die amtliche Qualifikation anlegen wollen, ſo garantiere ich Ihnen, daß Sie mehr als einen Hentſchel hinauswerfen müßten. Sie würden dann ſehen, wie weit Sie mit dieſem Prinzip lommen. Mir ſcheint das Verfahren gegen Hentſchel ſehr einſeitig geweſen zu ſein. Auf Grund eines Briefes ſeiner Frau iſt Hentſchel entlaſſen worden. Die Hentſchel vorgeſetzte Stelle nimmt aber in dem Ent⸗ laſſungsgeſuch, das an den Dezernenten gelangt iſt, nicht nur auf das Familienleben Hentſchels Bezug, ſondern ſtützt ſich auf Vorkommniſſe im Dienſt und glaubt den Entlaſſungsgrund beſonders dadurch be⸗ gründen zu können, daß geſagt wird, daß nach dieſen Vorkommniſſen in der Familie Hentſchel nicht mehr für den Dienſt geeignet ſei. Ich bin der Letzte, der eine rohe Behandlung einer Frau auch nur im ge⸗ ringſten entſchuldigen möchte, mag dieſe Behandlung begründet oder unbegründet ſein. Aber ſie muß er⸗ wieſen ſein. Und da möchte ich darauf hinweiſen, daß auch für mich aus den Akten nicht hervorgegangen iſt, daß auf Grund der Beſchuldigungen der Frau überhaupt irgend welche Unterſuchungen, Vernehmun⸗ gen des Hentſchel, irgendwelche Gegenüberſtellungen oder Zeugenvernehmungen ſtattgefunden hätten. Allein auf das Erſuchen des Branddirektors hin, der anſcheinend auch keine weiteren Unterſuchungen an⸗ geſtellt hat, iſt Hentſchel glatt entlaſſen worden. (Sehr richtig!) Und nun iſt das Originelle, daß man dieſem erſten Brief der Frau, bei deſſen Abfaſſung ſie doch allem Anſchein nach unter dem Eindruck eines ſtarken Affektes gehandelt hat, weil ihr durch ihren Mann Unrecht geſchehen war, ſo ungeheuren Wert beilegt. Auf dieſen Brief ſtützt man ſich und ſagt, daß die darin geſchilderten Tatſachen einwandfrei ſeien. Nun kommt aber die Frau und widerruft alles. Das, was ſie widerruft, hält man aber nicht mehr für einwand⸗ frei, ſondern läßt den erſten Brief gelten und be⸗ hauptet hinterher, daß Hentſchel im Dienſt unver⸗ träglich geweſen ſei. Wenn das der Fall wäre, wür⸗ den doch jetzt nicht 24 Kollegen für Hentſchel eintreten, petitionieren und ſich ſchließlich dadurch ſelbſt Unannehmlichkeiten ausſetzen. Ich verſtehe alſo die Haltung des Magiſtrats nicht. Ich bin vielmehr der Auffaſſung, daß der Magiſtrat ebenſo wie der