374 Sitzung vom neu: es iſt ſchon früher angeführt worden, und im Jahre 1906 hat der Herr Oberbürgermeiſter darauf folgendes geantwortet: Ich habe in dieſer Beziehung nicht die ge⸗ ringſte Furcht vor Schöneberg und Wilmers⸗ dorf. Die Volksſchule erſetzt vollſtändig die Vorſchule, die nur als Standesſchule dem Kaſtengeiſt und dem Klaſſenhochmut ihr Daſein verdankt. Nun, meine Herren, die Entwicklung von Char⸗ lottenhurg hat der Meinung des Herrn Oberbürger⸗ meiſters ſeitdem Recht gegeben. Seit jener Zeit hat die Bevölkerung eine ganz phänomenale Vermehrung erfahren. Die Zahl der Zenſtten iſt um mehr als 53 000 gewachſen; aber der Prozentſatz der beſſer Situierten iſt dabei nicht zurückgegangen, ſondern hat ſich erhöht. Während nämlich die beiden höchſt⸗ beſteuerten Klaſſen, alſo die Klaſſen mit einem Ein⸗ kommen über 30 000 ℳ, ſtabil geblieben ſind und heute wie im Jahre 1906 denſelben Prozentſatz auf⸗ weiſen, zeigen die anderen Schichten folgendes Bild. Die Zenſiten mit einem Einkommen von 3000 bis 65.0 %%, die im Jahre 1908 63%, der Bevölkerung ausmachten, ſind im Jahre 1910 auf 77 , ange⸗ wuhſen; diejenigen, die 6500 bis 9500 %ℳ Einkom⸗ men haben, ſtiegen von 19 %, im Jahre 1909 auf 20% im Jahre 1910, und die Leute mit einem Einkommen von 9500 bis 12 500 ℳ betrugen 1908: 31%, 1909: 33%a, 1910: 34% . Wenn man aber die Geſamtbevölterung betrachtet, ſo bietet ſich folgendes Bild: Die Zunahme der Zenſiten ſeit 1906 beträgt 53,3 %; die Zunahme der beſteuerten Ein⸗ ton. men dagegen weiſt 57,2 % auf. Sie ſehen alſo, Daß die Befürchtungen der Petenten jeder Grundlage entochren. h komme zu den Herren, die angeblich ſo große „rennde der allgemeinen Volksſchule ſind, die aber doch in dieſem Falle für die Petition eintreten. Meine Herren, mit ſolchen platoniſchen Liebeserklä⸗ rungen kann uns doch nicht gedient ſein. Was nützen die allerſchönſten Prinzipien, wenn man ſie nicht an⸗ wendel“ Und wenn Sie wirklich ein ſo warmes Herz für dir Volksſchule haben, ſo müſſen Sie das auch durch die Tat beweiſen. Ich bitte Sie, die Petition einfach mit einem glatten Nein zu beantworten. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Sradtv. Schwarz: Meine Herren! Meine per⸗ ſönliche Stellung möchte ich Ihnen kurz darlegen. Ich vermeide es, materiell auf die Frage einzugehen. Der Herr Kollege Stulz hat es ſo dargeſtellt, als ob an höherer Stelle aus reaktionärem Geſichtspunkte ein gemeinjamer Unterbau für die verſchiedenen Schul⸗ gattungen nicht gewünſcht werde. Ich mache darauf aufmerkſam, daß nicht nur mehr als 120 000 Lehrer aus allen Teilen Deutſchlands für dieſen gemein⸗ jamen Unterban eintreten, während in der Ober⸗ lehrerſchaft Charlottenburgs die Meinungen über deſſen Zweckmäßigkeit geteilt ſind, ebenſo wie unter unſeren Direktoren. Ich betone, daß ſogar die Re⸗ gierung eine Umfrage an die Städte geſandt hat, ob es möglich ſei, für die Schüler der Volksſchule nach 3 Jahren einen Uebergang auf die höheren Schulen zu ſchaffen. Das iſt ein Beweis dafür, daß die Re⸗ gierung durchaus nicht gegen einen gemeinſamen Unterbau iſt; aber es iſt den Städten bisher nicht möglich geweſen, einen ſolchen Unterbau mit drei Jahresklaſſen zu organiſieren. Ich habe allerdings 2. Oktober 1912 bereits im Jahre 1910 anerkannt, daß wir in dieſer Richtung Fortſchritte gemacht haben, inſofern als wir einen Uebergang nach 3½ Jahren anſtelle des früheren — nämlich nach 4 Jahren ermöglichten. Dem Herrn Kollegen Mosgau iſt ein kleiner Irrtum untergelaufen, als er von einem Antrage „Schwarz“ ſprach, nach dem die Vorſchule algeſchafft werden ſollte. Ich war im Jahre 1910 Etatsredner und hatte den Auftrag, beim Kapitel „Höhere Lehr⸗ anſtalten“ zu beantragen, zu beſchließen: „Der Ma⸗ giſtrat wird erſucht, zu erwägen, ob und inwieweit die durchgeführten Maßnahmen betr. Hebung der Volksſchulen nunmehr die Aufhebung auch der zurzeit beſtehenden Vorſchulen an den höheren Lehranſtalten geſtatten. Dieſer Antrag war die Folge des früheren Beſchluſſes, Vorſchulen nicht mehr zu errichten. Auch hat Herr Kollege Mosgau zu erwähnen vergeſſen, daß noch im Jahre 1911 im Sinne dieſes Beſchluſſes Herr Kollege Neukranz beantragt hat, eine neue Realſchule ohne Vorſchule zu gründen, „um vor allen Dingen den Schülern aus den Gemeinde⸗ ſchulen Gelegenheit zu geben, dort in die Sexten ein⸗ treten zu können.“ Nun bin auch ich perſönlich ein Anhänger des allgemeinen Unterbaues, weiß auch, daß die Regierung gegen den Unterbau nichts ein⸗ zuwenden hätte. Aber wir können nicht verkennen, daß unſere Gemeindeſchule zurzeit noch nicht ſo weit gefördert worden iſt, daß die Eltern ihre Kinder ohne Zeitwerluſt und ohne alle Bedenken dahin geben können. Ich verweiſe darauf, daß es bisher nicht möglich iſt, die Kinder nach 3 Jahren überzuführen. Ich verweiſe ferner darauf, daß die ſittlich verwahr⸗ loſten Kinder bisher nicht aus der Gemeindeſchule herausgenommen worden ſind. Es liegen hier alſo große Schwierigkeiten vor. Auf der andern Seite iſt das Prinzip eines gemeinſamen Unterbaus in. Gefahr, hier von uns durchlöchert zu werden. Meine Herren, ich glaube nun aber, es ließe ſich hier ein gangbarer Mittelweg finden, ein Proviſorium ſchaffen. Deswegen würde ich perſönlich dafür ſein, daß der Magiſtrat die Petition als Material über⸗ wieſen erhielte, gerade weil ihre Behandlung ſo außerordentlich ſchwierig iſt. Es ließe ſich z. B. denken, daß in den Gemeindeſchulen, die auf Weſtend liegen, Klaſſen frei gemacht würden für Kinder, die auf eine höhere Lehranſtalt übergehen ſollen. Es ließe ſich anderſeits auch denken, daß be⸗ ondere untere Klaſſen geſchaffen würden, um den Volksſchülern den Zugang zu der höheren Schule zu ermöglichen, in deren unterſter — im 3. Schuljahre die Kinder durch Privatunterricht unentgeltlich ſo weit gefördert würden, daß ſie nach 3 Jahren auf die höhere Schule übergehen könnten. Ich hätte keine Furcht, daß im Falle ſolchen Proviſoriums dennoch Privatſchulen entſtänden. Gibt es doch Eltern, die ſolche ſelbſt einer Vorſchule vorziehen. Selbſtver⸗ ſtändlich bin ich prinzipiell ein Gegner der Privat⸗ ſchulen. Wenn ich aber vor die Alternative geſtellt werde: ſoll vorübergehend eine Privatſchule ins Leben treten oder ſoll dauernd an Stelle des gemein⸗ ſamen Unterbaues die Vorſchule wieder eingeführt werden, ſo bin 1 für das kleinere Uebel, in Falle die proviſoriſche Vorſchule. So leicht, wie der Kollege Stadthagen es ſich dachte, iſt es nicht, in der Herderſchule eine Vor⸗ ſchule einzurichten. Wir haben nicht die Plätze in der Hawerſcne: denn mir iſt bekannt, daß die freien Räume in derſelben dafür vorgeſehen ſind, Klaſſen der Realſchule II aufzunehmen. Darauf will ich bei c Gelegenheit nur aufmerkſam machen.