380 Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Sie werden, meine Herren, alle heute von dem Artikel im Morgenblatt des Berliner Lokalanzeigers Kenntnis genommen haben, in dem von ſehr weitgehenden Ver⸗ untreuungen in der Stadthauptkaſſe unſerer Stadt Bericht erſtattet iſt. Dieſer Bericht des Lokal⸗ anzeigers entſpricht in den meiſten Teilen nicht den Tatſachen; er iſt teils ſtark übertrieben, teils be⸗ richtet er Dinge, die überhaupt nicht vorgekommen ſind. Es iſt ſehr bedauerlich, daß in einer an ſich ſchon ſehr betrübenden Angelegenheit durch eine weitverbreitete Zeitung ein weites Publikum falſch unterrichtet wird. (Sehr richtig!) Es lag daher im Intereſſe unſerer Verwaltung, dieſen unrichtigen Bericht ſobald wie möglich richtig zuſtellen durch Feſtſtellung der Tatſachen, wie ſie nach den bisherigen Ermittelungen vorliegen. Ich habe daher ſogleich, nachdem ich den Artikel im Ber⸗ liner Lokalanzeiger geleſen hatte, durch den ſtädti⸗ ſchen Preſſedienſt eine Mitteilung an die Zeitungen veranlaßt, die folgenden Wortlaut hat — ich werde dieſen Wortlaut verleſen, da er geeignet iſt, Ihnen ein Bild über die Vorkommniſſe zu geben, wie ſie nach den bisherigen Ermittelungen vorliegen —: Es iſt richtig, — heißt es in der Mitteilung — daß bei der Stadthauptkaſſe in Charlottenburg eine Unregelmäßigkeit feſtgeſtellt iſt, die einen Kaſſendefekt von 37 000 ℳ zur Folge hatte. Ob die Unregelmäßigkeit krimi⸗ neller Natur iſt, iſt noch nicht vollſtändig ge⸗ klärt. Nach den bisherigen Unterſuchungen iſt feſtgeſtellt, daß ſich der Stadthauptkaſſen⸗ rendant von dem Kaſſierer Sachtleben 37 000 %ℳ bar aus der Stadthauptkaſſe hat zahlen laſſen. Bartels hat dem Kaſſierer zugleich dagegen zwei für ihn als Gläubiger ausgefertigte Hypothekenbriefe über 40 000 und 25 000 ℳ als Pfandſicherheit zugunſten der Stadthaupt⸗ kaſſe übergeben. Hierbei iſt Bartels folgender⸗ maßen vorgegangen: Bartels kam mit den beiden genannten Hypothekenbriefen zu dem Kaſſierer Sachtleben und verlangte den Betrag von 37 000 ℳ gegen Hinterlegung der Hypo⸗ thekenbriefe. Sachtleben verweigerte die Zah⸗ lung ohne Genehmigung des Kämmerers. Der Stadthauptkaſſenrendant erklärte dem Kaſſierer darauf, daß er dieſe Genehmigung einholen werde, und entfernte ſich aus dem Kaſſenraum. Nach einiger Zeit kam er mit der un⸗ wahren Erklärung zurück, — es iſt ſpäter feſtgeſtellt, daß die Erklärung unwahr war, Bartels hat es ſelbſt zugegeben —, daß der Vertreter des auf einige Tage beur⸗ laubten Kämmerers die Genehmigung zur Zahlung der 37 000 ℳ gegen Uebergabe der Hypothekenbriefe erteilt habe. Die Bedenken des Kaſſierers, daß eine ſchriftliche Genehmi⸗ gung fehle, beſchwichtigte Bartels, indem er wiederum wahrheitswidrig — erklärte, der Vertreter des Kämmerers habe ihm erklärt, eine ſchriftliche Anweiſung ſei nicht nötig. Hier⸗ auf hat der Kaſſierer der Stadthauptkaſſe den Betrag an den Stadthauptkaſſenrendanten ausgezahlt. (Hört! hört!) Sitzung vom 30. Oktober 1912 Einige Tage ſpäter kam Bartels und er⸗ klärte, daß er die Hypothekenbriefe gegen einen auf die Commerz⸗ und Disconto⸗Bank als Zahlſtelle lautenden, von ihm ausgeſtellten Scheck über 37 000 ℳ umtauſchen wollte, in⸗ dem er dem Kaſſierer die unwahre Mitteilung machte, daß der Gegenwert des Schecks vor⸗ handen ſei und daß der Scheck eingelöſt werden würde. Hierauf wurden die Hypothekenbriefe dem Bartels von dem Kaſſierer gegen den Scheck ausgetauſcht. (Hört! hört!) Dieſen Scheck ſchickte der Hauptkaſſenrendant Bartels vor der am 21. d. Mts. ſtattfindenden gewöhnlichen Kaſſenreviſion zur Deutſchen Bank, die eine Quittung über den Scheck, wie üblich, unter Bezeichnung der Nummer und des Betrages (nicht des Namens des Aus⸗ ſtellers) der Stadthauptkaſſe zuſendete. — Das iſt ein gewöhnliches Verfahren; die Herren von der Kaſſen⸗ und Finanzdeputation werden es kennen. — Dieſe Quittung lag bei der Kaſſenreviſion am 21. Oktober d. Is. vor. Die Kaſſe ſtimmte. Nach Beendigung der Kaſſenreviſion trat der Hauptrendant den Reſt des Sommerurlaubs von einer Woche an. Den Urlaub wollte er in Charlottenburg verleben. Nachdem der Käm⸗ merer vom Urlaub zurückgekehrt war, hat am Donnerstag darauf der Hauptrendant dem Kämmerer davon Mitteilung gemacht, — was für eine Mitteilung? Bitte, darauf zu achten! — daß er für eine Zahlung des Kreiskriegerver⸗ bandes, deſſen Vorſitzender Bartels iſt, der Hauptkaſſe einen Scheck über 37 000 ℳ auf die Commerz⸗ und Disconto⸗Bank in Zahlung gegeben habe und daß dieſer Scheck von der Commerz⸗ und Disconto⸗Bank nicht anerkannt werde, da momentan die Deckung für ihn noch nicht eingegangen ſei. Auf die Frage des Kämmerers, um was für eine Zahlung es ſich handele, beſtätigte er, daß es ſich um eine Zah⸗ lung für einen Grundſtücksankauf des Ver⸗ bandes handele, — um eine Zahlung für einen Grundſtücksankauf des Verbandes! — den der Verband mit der Stadtgemeinde ge⸗ tätigt habe. Auf die weitere Frage des Kämme⸗ rers, wer die Deckung des Schecks zu geben habe, wurde ihm der Name eines als zahlungs⸗ fähig bekannten Mannes genannt und der noch nicht erfolgte Eingang der Deckung mit einer Reiſe des letzteren von dem Rendanten erklärt. Unter dieſen Umſtänden genehmigte der Käm⸗ merer, daß der Scheck noch einmal nach 24 Stunden und auf Bitten des Rendanten — erforderlichenfalls nochmals nach 48 Stunden präſentiert werden ſolle; ſodann ſollte man⸗ gels Einlöſung der Kreiskriegerverband zur anderweiten Zahlung aufgefordert werden. Bei dieſer Anweiſung war auch der Vertreter des Rendanten zugegen.