386 Notwendigkeit von Ihnen allen gewiß anerkannt worden. Sie ſind ſicherlich einmütig der Meinung, daß ſo verfahren werden muß, wie der Magiſtrat Ihnen vorſchlägt. Die Großſtädte ſtanden bisher ſehr ſorgenvoll und dabei völlig ratlos der immer ſteigen⸗ den Fleiſchnot gegenüber und mußten die Maß⸗ nahmen, die ihnen nun endlich geboren wurden, er⸗ greifen, obſchon ſie nicht ohne ſchwere Bedenken waren; — ſie mußten ſie um ſo eher ergreifen, weil dieſe Vorteile nur ihnen, den großen Gemeinden dargeboten wurden. Lange genug hat die Regierung erwogen und gezaudert, ehe ſie ſich zu Maßnahmen verſtand, und nur die immer höher ſteigenden Klagen über ganz unerſchwingliche Preiſe für das Fleiſch haben endlich dazu geführt, daß wenigſtens einige Er⸗ leichterungen gewährt wurden, — wie geſagt, nur an die Großſtädte und nur unter den Ihnen bekannten Vorſichtsmaßregeln, welche die bequeme Zufuhr von größeren Mengen Fleiſch eigentlich nicht recht ermög⸗ lichen. Die Maßnahmen wurden auch von vornherein von den Städten, wie auf verſchiedenen Verſamm⸗ lungen der Städtevertreter zum Ausdruck gekommen iſt, ganz allgemein als durchaus unzulänglich ange⸗ ſehen, aber man durfte trotzdem in ſtädtiſchen Kreiſen nicht zögern, von den angebotenen, wenn auch kümmerlichen Erleichterungen unter allen Umſtänden Gebrauch zu machen, um der Bevölkerung eine ge⸗ wiſſe Verbilligung des Fleiſchgenuſſes zu ermög⸗ lichen. Die Unzulänglichkeit der Maßnahme iſt ſchon daraus erwieſen, daß überall, wo das Fleiſch auf dem jetzt ermöglichten Wege zugeführt wird, der Verkauf, wie Sie wiſſen, unter beträchtlichem Anſturm ſtatt⸗ findet und das Fleiſch ſofort vergriffen iſt. Es iſt ja auch von vornherein zu erwarten geweſen, daß man nur ein beſtimmtes, relativ kleines Quantum von Fleiſch würde abgeben können. Da die überſeeiſche Zufuhr nach wie vor perhorresziert wird, würde es ſich immer nur um eine ſchwache Befriedigung des wirklich vorhandenen Bedürfniſſes handeln können. Die Fleiſchproduktion iſt nun einmal bei uns noch unzureichend; ſie iſt durch die vorjährige Futternot, den Mißwachs an Futter, den wir im vorjährigen Sommer zu beklagen hatten, noch geringer geworden, wie das von allen Einſichtigen prophezeit worden war. Zu dem Mangel der Ware kommt noch weiter, daß die Städte auf deren gewerblichen Ver⸗ trieb gar nicht eingerichtet, auch nicht dazu berufen ſind. Niemals werden ſie die Beweglichkeit des Han⸗ dels erſetzen können, die ihm die Möglichkeit gibt, den Konjunkturen zu folgen und dem Bedürfnis in ſpezieller Weiſe jederzeit gerecht zu werden. Die Maßnahmen der Regierung haben nun den Städten auferlegt — und das iſt als berechtigt an⸗ zuerkennen —, daß ſie keinen Gewinn an den Proze⸗ duren haben dürfen. Aber ſie haben nicht nur keinen Gewinn, ſondern müſſen noch einige Koſten aufbrin⸗ gen; denn es iſt ihnen nicht verſtattet, die durch die Verwaltung, die Kontrolle der Verteilung uſw. er⸗ nachſenden Koſten auf den Preis des Fleiſches aufzu⸗ ſchlagen. Möglicherweiſe oder ſehr wahrſcheinlich wer⸗ den auch im Laufe des Betriebes, wenn das ſich auch bei uns in Charlottenburg bisher nicht herausgeſtellt hat, weitere Koſten entſtehen, die ebenfalls der Stadt nicht erſetzt werden können; z. B. durch Schäden beim Transport des Viehs oder durch Ausmerzen verdor⸗ bener Fleiſchſtücke. Will man nun wirklich den Stand⸗ Punkt vertreten, daß die Gemeinden berufen ſind, die Nahrungsmittelverſorgung aus ihren Mitteln, durch Zuſchüſſe aus ihren allgemeinen Mitteln zu be⸗ Sitzung vom 30. Oktober 1912 ſtreiten? Und will man das auch für diejenigen gelten laſſen, die bemittelt genug ſind, um ſich Nahrungs⸗ mittel ſelbſt zu beſchaffen? Wir können aber bei dem Verkauf von Fleiſch an den Stellen, die ge⸗ meindlich gewiſſermaßen konzeſſioniert und überwacht werden, keine Differenzierung der Käufer nach dem Geſichtspunkt vornehmen, ob ſie leiſtungsfähig ſind oder nicht. Trotz dieſer Bedenken mußten wie geſagt die Ge⸗ meinden auf die gebotenen geringen Erleichterungen eingehen, und ſie haben es ohne Zögern getan. Wir waren dabei in Charlottenburg inſofern in einer rela⸗ riv glücklichen Lage, als von der Stadt Berlin eine lobenswerte Initiative ergriffen und von vornherein in dankenswerter Weiſe von dort erklärt worden war, daß die Vororte mit entſprechenden Anteilen beteiligt werden ſollten. Unmittelbar nach dem Erſcheinen des Erlaſſes hatte der Oberbürgermeiſter von Berlin darum erſucht, den Gemeinden Groß⸗Berlins die Ge⸗ nehmigung zur Wahrnehmung der gewährten Er⸗ leichterungen zu erteilen, und das iſt dann gleich in wirkſamſter Weiſe verwertet worden. So ſind wir dazu gekommen, daß wir von den wöchentlich ein⸗ treffenden etwa 3000 Zentnern ruſſiſchen Schweine⸗ und Rindfleiſches ziemlich zu gleichen Teilen etwa 8§ pCt. erhalten. Allerdings nicht in ganz ſicheren regelmäßigen Zufuhren, denn dieſe ſchwanken immer etwas. Da wir nun nicht wie Berlin im Beſitze von Markthallen ſind, ſo waren wir von vornherein auf die Beteiligung der Fleiſcher angewieſen. Ich kann mit Genugtuung konſtatieren, daß ſich bei uns die Fleiſcher durchaus mit Verſtändnis dazu bereit er⸗ klärt haben, ſowohl ihren Rat denjenigen Verwal⸗ tungsſtellen zu erteilen, die mit der Ausführung der Angelegenheit betraut waren, als auch bei dem Ver⸗ kauf an das Publikum mitzuwirken. Ich kann darüber die folgenden amtlichen Auskünfte geben. Es haben ſich ſämtliche Innungsſchlächter und im ganzen 118 Schlächter mit den Bedingungen ein⸗ verſtanden erklärt, die ihnen auferlegt werden mußten. Wir haben Fleiſch erhalten am 22., 24., 25., 28. und 30. Oktober, — es kann noch nicht geſagt werden, wie oft in Zukunft wöchentlich geliefert werden wird. Aber jedenfalls geht aus den verleſenen Daten hervor, daß bisher alle zwei Tage durchſchnittlich ein Fleiſch⸗ quantum von 30 bis 40 bis 45 Zentnern hier ver⸗ teilt worden iſt. — Infolge der ſtarken Nachfrage konnten bisher nicht ſämtliche Schlächter befriedigt werden. Es werden zunächſt diejenigen berückſichtigt, die bisher überhaupt noch nichts erhalten haben, und diejenigen, welche in ärmeren Stadtvier⸗ teln wohnen. — Ich glaube, man kann ſich da⸗ mit nur durchaus einverſtanden erklären. — Ein ſtädtiſcher Beamter, dem ein ſtädtiſcher Tierarzt und ein ehrenamtlich tätiger Schlächtermeiſter beigegeben ſind, empfängt das Fleiſch auf dem Zentralvichhof; von dort wird es nach unſerm Fleiſchſchauamt in der Spreeſtraße gefahren, wo die Stücke (Rinderviertel und Schweinehälften) abgeſchätzt werden. Die Schätzung geſchieht ſo, daß unſere Koſten ausſchließ⸗ lich der Verwaltungskoſten gedeckt werden. Nachdem dies geſchehen iſt, wird jedes Stück mit einem Zettel verſehen, auf dem das Gewicht und der Preis ver⸗ zeichnet ſind. Das Fleiſch wird bei den Rindern nur in ganzen Vierteln, bei den Schweinen nur in Hälften mit den zugehörigen inneren Organen uſw. abgegeben. Ein ehemaliger Fleiſchermeiſter und zwei Geſellen, 2 von der Stadt beſoldet werden, leiſten dabei ilfe.