392 Was können wir tun, um dafür zu ſorgen, daß nicht wieder bei irgendeiner Wahl der Wahlvorſteher allein da ſitzt und ſtundenlang auf die Beiſitzer wartet? Man könnte vielleicht ſagen, warum man denn nicht von dem § 74 der Städteordnung Gebrauch gemacht hat. Der Einladung, die die Beiſtzer erhalten, iſt ja ein Auszug aus § 74 der Städteordnung beige⸗ fügt. In dieſem Paragraphen iſt bekanntlich darauf hingewieſen, daß, wer beſtimmte Aemter in der Ge⸗ meindeverwaltung oder Gemeindevertretung nicht an⸗ nimmt, auf eine gewiſſe Zeit ſeines Bürgerrechts für verluſtig erklärt werden oder ſtärker zu den Ge⸗ meindeargaben herangezogen werden kann. Ich laſſe es ganz dahingeſtellt, ob der § 74 auch auf Beiſttzer für den Wahlvorſtand zutrifft. Dieſe Frage kann hier für uns ausſcheiden, ſchon aus dem Grunde, weil in dem vorliegenden Fall faſt ausſchließlich ſolche Herren zu Beiſitzern gewählt ſind, die bereits Inhaber ſtädtiſcher Ehrenämter ſind, Armenkommiſſionsvor⸗ ſteher und Bezirksvorſteher. Die Herren hätten alſo ablehnen dürfen, ohne daß die Gemeindebehörden das Recht hätten, von § 74 der Städteordnung Gebrauch zu machen. Aber es kann ja auch vorkommen, daß andere Herren, die nicht ſchon ſtädtiſche Ehrenbeamte ſind, zu Beiſitzern gewählt werden, und da muß man ſich doch wirklich die Frage vorlegen, ob man nicht, um ähnliche Fälle zu verhüten, in Zukunft von der Befugnis des § 74 Gebrauch machen ſoll. Das Wahl⸗ geſetz zum Landtag ſchreibt bekanntlich ausdrücklich vor, daß, wer ohne Entſchuldigung das Amt eines Mitglieds des Wahlvorſtandes nicht annimmt, mit einer Ordnungsſtrafe bis zu 300 ℳ belegt werden kann. Wir wollen das natürlich nicht; wir glauben nicht, daß wir durch Strafbeſtimmungen irgendetwas erreichen können, ſondern ich glaube namens des ge⸗ ſamten Ausſchuſſes zu ſprechen, wenn ich ſage, daß wir auf dem Standpunkt ſtehen, daß wir unſer Ziel durch einen Appell an den Gemeinſinn unſerer Mitbürger er⸗ reichen wollen. Weiter käme noch eine mehr formelle Frage in Betracht. Heute werden die Beiſitzer von der Stadt⸗ verordnetenverſammlung gewählt, ohne wiſſen, ob die Herren an dem Tage verhindert ſind, ohne daß wir wiſſen, ob ſie zur Annahme des Amtes bereit ſind. Ja, wir kümmern uns ſogar aicht einmal darum, ob ſie nicht ſchon ein ſo hohes Alter erreicht haben, daß ſie überhaupt nicht mehr derartige Aemter anzunehmen brauchen; denn aus den Akten über eine frühere Wahl ergibt ſich, daß dort vielleicht die Hälfte der Herren abgeſagt hat, weil ſie ſchon älter als 60 Jahre waren. Wir kümmern uns alſo nicht genug um die Perſonen, denen wir unſer Vertrauen ſchenken. Es würde ſich, glaube ich, empfehlen, wenn wir in Zukunft etwas genauere Auswahl treffen und vor allem, wenn wir uns, bevor wir zur Wahl der Bei⸗ ſitzer ſchreiten, darüber informieren, ob die Herren auch bereit ſind, das ihnen übertragene Ehrenamt anzunehmen. Wenn wir das tun, dann werden wir in Zukunft derartige unliebſame Vorkommniſſe ver⸗ meiden. Im übrigen wiederhole ich am Schluſſe noch⸗ mals, daß wir nicht auf Strafbeſtimmungen zurück⸗ greifen, ſondern daß wir an den Gemeinſinn unſerer Bürger appellieren wollen. Ich hoffe, daß dieſer Apell nicht ungehört vorübergehen wird, damit wir nicht in Zukunft wieder in eine ähnliche Lage kommen wie diesmal. Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren! Meine Freunde ſind gewiß damit einverſtanden, wenn bei daß wirſ Sitzung vom 30. Oktober 1912 ſolchen Gelegenheiten an den Gemeinſinn der Bürger appelliert wird, aber ſie meinen doch auch, daß man unter Umſtänden einer ſolchen ſträflichen Vernach⸗ läſſigung übernommener oder wenn nicht ausdrücklich übernommener, ſo doch mindeſtens nicht abgeſagter und dadurch übernommer Verpflichtungen in der Weiſe entgegentreten kann, daß man die betreffenden Perſonen, wenn nicht ſtrafrechtlich, ſo doch zivilrecht⸗ lich für denjenigen Schaden haftbar macht, der da⸗ durch der Stadtgemeinde erwächſt. Denn, meine Herren, es liegt doch auf der Hand, daß durch die Anberaumung einer neuen Wahl eine Reihe von Koſten entſtehen. Deswegen möchte ich mir erlauben, bei dem Herrn Syndikus die Frage anzuregen, ob es bei der⸗ artigen Fällen von Afanverſnae die zu einer neuen Wahl und damit zu erhöhten Ausgaben führen, nicht angebracht wäre, gegen die Betreffenden in der Weiſe zirilrechtlich vorzugehen, daß man die Mehr⸗ koſten von ihnen verlangt und eventuell auf gericht⸗ lichem Wege von ihnen beitreibt. Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! Ich kann zwar der Begründung des Herrn Referenten nicht folgen, will aber vorausſchicken, daß ich ſeinem Antrage nicht widerſprechen werde. Meine Herren, die Begründung, die der Herr Referent gegeben hat und die ſich auf verſchiedene mitgeteilte Oberverwaltungsgerichtserkenntniſſe ſtützt, unterſcheidet ſich von meiner Beurteilung dadurch, daß ich meine, die Oberverwaltungsgerichtserkennt⸗ niſſe treffen den vorliegenden Fall nicht. Sie gehen von dem Tatbeſtande aus, daß von der Gemeinde⸗ behörde willkürlich eine falſche oder ungeſetzliche Zu⸗ ſammenſetzung des Wahlvorſtandes vorgenommen worden iſt. In dem vorliegenden Falle hat aber die Gemeindebehörde in geſetzmäßiger Weiſe den Wahl⸗ vorſtand zuſammenzuſetzen verſucht. Das iſt nicht ge⸗ lungen, weil die einzelnen beſtellten Herren dem 40 nicht gefolgt ſind. Das iſt ein großer Unter⸗ ied. Nun kommt hinzu, daß in dem hier in Rede ſtehenden Falle kein Gegenkandidat aufgeſtellt war, ſondern ſämtliche Stimmen auf eine Perſon fielen. Es läßt ſich ferner beweiſen, daß in der Zeit, wo die Wahlvorſtandsbank richtig beſetzt war, für Herrn Genzmer nicht etwa nur eine Stimme abgegeben wor⸗ den iſt, ſondern, wie der damalige Herr Wahlvor⸗ ſteher, unſer Kollege, beſtätigen würde, etwa hundert Stimmen. Alſo, meine Herren, wir könnten ſehr wohl annehmen, daß diejenigen Stimmen, die vor falſch beſetzter Wahlbank algegeben worden ſind, hier nicht in Betracht kommen. Das Oberverwaltungs⸗ gericht hat ſehr oft entſchieden, daß bei ſolchen Män⸗ geln, die für das Ergebnis unerheblich ſind, die Wahl für gültig erklärt wird. Ich will mich aber dem Antrage des Herrn Kol⸗ legen Hirſch nicht widerſetzen, um die Wünſche mit zu unterſtreichen, die die Herren Vorredner eben vorge⸗ bracht haben, indem ſie ſowohl an den Gemeinſinn der Bürger appellierten, daß ſie ſich den Wahl⸗ geſchäften widmen möchten, als auch dem Magiſtrat ans Herz legten, möglichſt dafür zu ſorgen, daß nur ſolche Herren einberufen werden, die auch tatſächlich gewillt ſind, die übernommene Pflicht zu erfüllen. Darauf muß beſonderes Gewicht gelegt werden, ſonſt können derartige Fälle, durch die unnützige Vergeu⸗ dung von Zeit und Arbeit im ſtädtiſchen Dienſt ver⸗ urſacht wird, noch öfter eintreten.