398 öffentlichen Sitzung Widerſpruch nicht erhoben wird. Ausgelegt werden ferner ein Einbürgerungs⸗ geſuch und zu Tagesordnung Nr. 13 eine Eingabe des Kreisvereins Charlottenburg im Verbande deut⸗ ſcher Handlungsgehilfen betr. Arbeitsloſenverfiche⸗ rung. Eingegangen iſt ein Allerhöchſtes Schreiben Ihrer Majeſtät der Kaiſerin: (Die Verſammlung erhebt ſich) Der Magiſtrat und die Stadtverordneten der Reſidenzſtadt Charlottenburg haben Mir auch in dieſem Jahre wieder treue Glückwünſche zu Meinem Geburtstage übermittelt. Für die darin zum Ausdruck gebrachte patriotiſche Geſinnung ſpreche ich Meinen wärmſten Dank aus und verbinde damit die heralichſten Wünſche für das Wohlergehen der Bevölke⸗ rung, deſſen Förderung durch die zielbewußten Maßnahmen der ſtädtiſchen Körperſchaften zu beobachten Mir zur beſonderen Freude gereichen wird. Neues Palais, den 24. Oktober 1912. Auguſte Victoria. 1. K. An den Magiſtrat und die Stadtverordneten der Reſidenzſtadt Charlottenburg. Meine ſehr verehrten Herren! Geſtatten Sie mir, daß ich vor dem Eintritt in die Tages⸗ ordnung noch einmal die Erinnerung wach⸗ rufe an die Feier, an der wir in der ver⸗ gangenen Woche, am Donerstag, den 7. Novem⸗ ber, teilgenommen haben. Dieſe Feier galt einem Ereignis in der Entwicklung unſerer Stadt, das ſehr wichtig iſt, ſie galt der Eröffnung des neuen Opern⸗ hauſes in der Bismarckſtraße. Kaum vor zwei Jahren haben wir noch im traumhaften Nebel der Zukunft gleichſam das Luftſchloß ſchwanken ſehen, deſſen Verwirklichung nun vor unſeren Augen ge⸗ ſchehen iſt. Das neue Opernhaus ſteht vollendet da, und es iſt in würdiger Weiſe durch das unſterbliche Meiſterwerk Beethovens, den Fidelio, eingeweiht worden. Die Stadt Charlottenburg hat eine neue Stätte gewonnen zur Pflege edler und hoher Kunſt. Dieſe Stätte ſoll nicht blos der weniger zahlreichen Be⸗ völkerungsgruppe dienen, die frei über alle Mittel zu allen möglichen Genüſſen des Daſeins verfügt, ſondern vornehmlich den breiten Schichten der ganzen Bürgerſchaft; ſie ſoll dazu dienen, von Zeit zu Zeit Erhebung der Seele, Verſenkung in künſtleriſche Ideale in das rauhe und nüchterne Leben zu tragen. Wir ſind allen denen, die mitgewirkt haben, dieſes große und ſchöne Werk ins Leben zu rufen, aufrichti⸗ gen, innigen Dank ſchuldig. Und ich glaube Ihrer Zuſtimmung ſicher zu ſein, wenn ich im Namen der Stadtverordnetenverſammlung, die berufen iſt, die Bürgerſchaft zu vertreten, unſeren ganz beſonde⸗ ren Dank den beiden Herren ausſpreche, die bei dem Entwurfe des Planes und ſeiner Durchführung an oer Spitze der Schaffenden geſtanden haben, (Bravo!) dem Herrn Stadtverordneten⸗Vorſteher Kaufmann und dem Herrn Stadtbaurat Seeling. (Bravo!) Sitzung vom 13. November 1912 Der Herr Vorſteher hat mit ſeinem feinen Verſtänd⸗ nis für die Bedürfniſſe der Zeit, mit ſeiner um⸗ ſichtigen Sachkenntnis, mit ſeiner geſchäftskundigen Erfahrung, mit ſeiner Gabe, die Menſchen zu ge⸗ winnen und zu überzeugen, mit ſeiner bewährten optimiſtiſchen Beharrlichkeit und Unermüdlichkeit an erſter Stelle dazu beigetragen, die anfangs etwas unſtet ſchweifenden Gedanken in feſte Formen zu fügen und der Kunſt einen ſoliden Boden und eine geſicherte Zukunft zu bereiten. Und Herr Stadtbaurat Seeling hat die Aufgabe, ein würdiges Haus als Heimſtätte für die ſangesfreudigen Muſen zu ſchaffen, mit künſtleriſcher Vollendung gelöſt. Mächtig und impo⸗ ſant ragt der Bau an der breiten Bismarckſtraße empor, harmoniſch in der Gliederung ſeiner Teile, in ſtolzer Einfachheit, jeden Prunk und jeden bunten Schmuck verſchmähend. (Bravo!) Gewaltig und, ich möchte den Ausdruck gebrauchen, ſeelenbefreiend wirken die herrlichen Räume im Innern. Kühne Bogen umſchließen bis zum Olymp empor ſtufenweiſe zurückweichend das freie Luftreich des großen Zuhörerraumes, der nicht durch hängende Kronleuchter, nicht durch vorſpringende Balkons be⸗ engt wird. Und rings um den Zuſchauerraum herum dehnen ſich breite Wandelhallen und luftige Erfriſchungsräume aus. Es war keine leichte Aufgabe, die dem Künſtler geſtellt wurde. Für ſeine künſtleriſche Phantaſie wäre es vielleicht bequemer geweſen, wenn er ein Prachttheater nach dem Geſchmacke der alten römiſchen Kaiſer aus Marmor und Gold hätte errichten können. Aber dieſes Volksopernhaus, das für den Beſuch breiter Bevölkerungsſchichten geplant war, verlangte, daß die Schönheit und künſtleriſche Vollendung ver⸗ bunden wurde mit ſtrenger Einfachheit und prunk⸗ loſer Ausſtattung. Er hat dieſe Forderung in vor⸗ trefflicher, muſtergültiger Weiſe erfüllt. (Bravo!) Bewunderungswürdig iſt die Schnelligkeit, mit der Herr Stadtbaurat Seeling ſein ſtattliches Werk aufgerichtet hat. Er hat es gleichſam über Nacht aus der Erde gezaubert, er hat ſeine ganze reiche Be⸗ gabung, ſeine ganze ſchöpferiſche Energie für dieſes Werk eingeſetzt. Die Vollendung des Opernhauſes war ihm eine Herzensangelegenheit, war ihm ein Hochgenuß ſeines künſtleriſchen Lebens. Und damit hat er auch zu unſeren Herzen geſprochen, und in unſeren Herzen findet er den dankbarſten Widerhall. (Bravo!) Meine verehrten Herren! Als erſte Vorſtellung in dem neuen Opernhauſe haben wir Beethovens Fidelio gehört. Sehr ſachverſtändige und erfahrene Opern⸗ ſänger und Opernbeſucher haben erklärt, daß dieſe Aufführung des Fidelio zu den beſten gehöre, die ſie 11 kennen gelernt haben. Wir freuen uns über dieſes rteil und dürfen erwarten, daß auch in Zukunft die Werke unſerer großen Meiſter uns in ähnlicher Vollkommenheit vorgeführt werden. Ich rufe dem neuen deutſchen Opernhauſe ein fröhliches Glück⸗ auf zu! (Allſeitiges lebhaftes Bravo.)