Sitzung vom 13. aus, daß das Hauptgewicht nicht darauf gelegt werden ſoll, hier eine ſogenannte Lehrbahn anzulegen, ſon⸗ dern eine Straße zu ſchaffen, auf der es möglich iſt, in umfaſſender Weiſe dem Rennſport huldigen zu können. Wenn Herr Stadtrat Seydel darauf hinwies, daß die Regierung ein Intereſſe an der Anlage habe, ſo habe ich das Gefühl, daß nicht die Regierung als ſolche, ſondern einzelne Perſönlichkeiten aus dieſem Kreiſe Wert darauf legen, da ſie ja alle beſondere Freunde des Automobilſports und ſelber alle im Be⸗ ſitz großer und guter Automobile ſind. Wir ſehen ja ſehr häufig, daß ſogar Automobile unſeres Kaiſer⸗ hauſes mit außerordentlicher Geſchwindigkeit durch die Straßen von Charlottenburg ſauſen, ſo daß es dann ſehr ſchwer iſt, die Straße überhaupt paſſieren zu können. Wenn nun weiter behauptet wird, daß, wenn die Straße angelegt wird, ſich hier der ganze Automo⸗ bilverkehr abſpielen werde, ſo werden wir uns auch darin ganz gewaltig irren. Meine Herren, denken Sie denn, daß der Automobilbeſitzer, wenn er aus Berlin herausfahren will, die ihm vorgeſchriebene Fahrſtraße benutzen wird? Er wird das nicht tun, denn er wird dadurch in ſeiner Freiheit eingeſchränkt. Er umgeht vielmehr die Straße und befährt die Strecke, die er für angenehmer hält. So leicht iſt die Sache denn doch nicht. Meine Herren, wer hat denn ein lebhaftes In⸗ tereſſe an dieſer Anlage? Es heißt hier: die Ge⸗ ſellſchaft. Wer iſt die Geſellſchaft? Hier hat der Herr Referent ſchon darauf hingewieſen, von welchen Per⸗ ſonen dieſe Geſellſchaft eigentlich gebildet wird; es ſind die Vertreter des Kaiſerlichen Automobilklubs und die Vertreter der Fabrikanten. Nun iſt in der Vorlage geſagt worden, Char⸗ lottenburg würde durch dieſe Anlage einen wirtſchaft⸗ lichen Aufſchwung nehmen. Ja, in jener Gegend wird man keine großen Garagen und Werkſtellen er⸗ richten. Da die Einrichtung von Werkſtellen faſt durchweg mit einem Dampfbetrieb verbunden iſt, ſo wird man befürchten, daß in dieſer Gegend ein Fabritviertel entſtehen könnte, wodurch Charlotten⸗ burg wirtſchaftlich keinen Aufſchwung erhalten würde. Die betreffenden Fabriken werden deshalb jenſeits der Spree nach Wittenau uſw. verlegt werden. Weiter iſt in der Vorlage darauf hingewieſen worden, daß hier eine Lehrſtraße geſchaffen werden ſoll. Bei der Beratung über die Einrichtung des Stadions iſt auch geſagt worden, daß dieſe Anlage für ſolche Zwecke benutzt werden könnte. Würde ſich die Magiſtratsvorlage mit der Errichtung einer Fahr⸗ ſchule beſchäftigen, dann würden wir, deſſen können Sie ſich verſichert halten, die erſten ſein, die eine derartige Vorlage mit Freuden begrüßen würden, da hier nicht der Rennſport die Hauptrolle ſpielen, ſon⸗ dern die praktiſche Ausbildung der Fahrer das aus⸗ ſchlaggebende ſein würde. Das iſt aber aus dieſer Vorlage nicht erſichtlich. Ganz richtig iſt auch, wie Herr Dr. Liepmann geſagt hat, daß die 15 000 ℳ jährliche Garantie in 30 Jahren 450 000 ℳ. ausmachen würden, wovon wir weiter keinen Vorteil haben. Der Herr Stadtrat wies demgegenüber darauf hin, daß der Vorteil darin liege, daß wir auf dieſe Weiſe eine Schmuckſtraße erhielten. Meine Herren, die „Automobilwelt“ vom 3. November ſchreibt in dieſer Beziehung in einem wunderſchönen Artikel zum Schluß: Es kommt uns vor, als ob die gärtneriſche Ausſchmückung und ihre Unterhaltung ſchon November 1912 419 ziemlich 15 000 ℳ jährlich koſten werde, falls dieſer Schmuck über etwas Gras mit Gänſe⸗ blümchen hinausgeht, für das nur St. Peter mit ſeinem Gießkännlein zu ſorgen hat. So ſpricht ein Fachblatt der Automobilfreunde. Daraus iſt ohne weiteres zu entnehmen, daß es bei dieſen 15 000 ℳ ſein Bewenden nicht haben wird; es werden ſicherlich Nachforderungen kommen. Meine Herren, Sie mögen der Vorlage noch ſo freundlich gegenüberſtehen, Sie müſſen doch zu der Ueberzeugung kommen, daß Charlottenburg an und für ſich durch dieſe Anlage keinen Vorteil hat, ſon⸗ dern ganz gewaltige Nachteile einſtecken wird. Denn alles, was von der andern Seite Berlins nach dieſer Straße hin will, muß durch Charlottenburg durch, (Sehr richtig!) wodurch naturgemäß ein außerordentlich ſtarker Automobilverkehr nach Charlottenburg hineinge⸗ drängt wird, ſo daß alſo von einer Verminderung gar keine Rede ſein kann. Wir ſind deshalb der Mei⸗ nung, daß es doch beſſer ſei, die Vorlage, auch wenn ſie uns noch ſo ſüß gemacht wird, abzulehnen. Ich will allerdings erklären, daß wir bereit ſind, mit in den Ausſchuß zu gehen, um dort noch tiefer in die Materie hineinzuſteigen. Wir werden alſo einer Aus⸗ ſchußberatung nicht widerſprechen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren! Die Sache iſt für uns ſo bedeutungsvoll, daß ich mich gegenüber den ſehr abfälligen Urteilen, die hier über dieſe Vorlage geäußert worden ſind, doch genötigt ſehe, noch ein paar Worte zu ſagen. Ich bitte Sie, mir freundlichſt noch kurze Zeit Gehör zu ſchenken. Daß die Vorteile der Vorlage teilweiſe in ſo abfälliger Weiſe gerügt worden ſind, hat mich nicht überraſcht; ja, ich muß Ihnen ſogar ſagen, daß ich das erwartet habe, denn es iſt uns im Magiſtrat ge⸗ nau ſo gegangen. Als wir uns im Magiſtrat zum erſten Mal mit der Frage beſchäftigten, waren dort ſehr große Bedenken vorhanden, die ſich auf ähnlicher Baſis bewegten, wie die heute geäußerten Einwände. Es iſt eben eine ganz neue Sache, in die man ſich erſt hineindenken muß. Etwas Aehnliches wie die Beurteilung dieſer Frage haben wir, glaube ich, in unſerer Verwaltung noch nicht gehabt. Je mehr wir uns aber mit der Materie beſchäftigt haben, deſto mehr haben wir geſehen, daß nicht nur Vorteile für Charlottenburg, ſondern für Groß⸗Berlin dabei vor⸗ handen ſind, und daß wir hier vor einer Frage ſtehen, die wir wohl oder übel in nächſter Zeit löſen müſſen, wenn nicht heute, dann übers Jahr oder in den nächſten Jahren. Denn, meine Herren, wir ſtehen hier einer ganz neuen Entwicklung gegenüber, der Entwicklung des Automobilverkehrs. Vor den letzten fünf Jahren war von den Un⸗ annehmlichkeiten des Automobilverkehrs bei uns noch nichts zu merken; heute leiden wir in unſeren Straßen in ganz koloſſalem Maße darunter, und zwar ſowohl geſundheitlich wie auch in bezug auf Leben und Tod, möchte ich faſt ſagen; denn die Fälle, in denen heute auf den Straßen Menſchen überfahren werden, meh⸗ ren ſich von Monat zu Monat. Gegenüber dieſer koloſſalen Entwicklung, die jetzt eingeſetzt hat, dürfen wir die Augen nicht verſchließen; wir müſſen ihr gegenüber irgendwie Stellung nehmen. Es iſt eine ganz neue Sache, die uns hier über den Hals gekom⸗ men iſt. Die Entwicklung, die zweifellos noch immer weiter gehen wird, hat bereits derartige Dimenſionen