Sitzung vom 1 ohne mich mit beſonderer Wärme für dieſe Vorlage auszuſprechen, wenn ich ſie auch als einen Reſt des Verſuchs, auf dieſem Wege Fortſchritte anzubahnen, immerhin nicht bekämpfen will. Ich ſtehe heute noch auf dem Standpunkt, den ich früher hatte und den der Magiſtrat in der Begrün⸗ 12. ſeiner gegenwärtigen Vorlage ſo ausdrückt, daß er ſagt: „Wir vermögen es nicht als richtig anzu⸗ erkennen, daß verſchiedene Arten der eigenen Fürſorge durch ſtädtiſche Mittel unterſtützt wer⸗ den ſollen, gerade die bisher erfolgreichſte aber ſul ſolcher Unterſtützung ausgeſchloſſen ſein oll.“ Für den einzig förderlichen Weg, unverſchuldeter Arbeitsloſigkeit den Riegel vorzuſchieben, halte ich noch heute denjenigen, den die ganze wiſſenſchaftliche Welt, ſoweit ſie ſich mit dieſen Fragen beſchäftigt hat, als richtig anſieht, nämlich den der obligatori⸗ ſchen ſtaatlichen Verſicherung gegen Arbeits⸗ loſigkeit. (Sehr richtig!) Aber von dieſem Wege ſind wir noch weltenweit ent⸗ fernt, und ſolange das der Fall iſt, werden die Ver⸗ ſuche, die vorgenommen werden, um die Sache zu fördern, immer ſehr geringwertig bleiben. Wo ſich aber die Kommunen mit dieſer ſpröden, ſchwieri⸗ gen Aufgabe befaſſen, können ſie es eigentlich nicht, ohne das Hauptgebiet dieſer Tätigkeit beſonders wahr⸗ zunehmen, nämlich die Selbſthilfe zu unterſtützen und diejenigen Vereinigungen zu fördern, welche beſtrebt ſind, die Arbeitsloſigkeit zu bekämpfen, dieſe Vereinigungen durch die kom⸗ munale Mithilfe zu einiger Blüte zu bringen und zu verhüten, daß die in unverſchuldete Arbeitsloſigkeit Geratenen allzu tief in materielle Notlage verfinken. Herr Prof. Jaſtrow, einer der maßgebendſten Kenner dieſer ganzen Fragen, der ja, wie Sie wiſſen, auch bei uns führend auf dieſem Gebiete gearbeitet hat, hält die Berufsvereinigungen für die einzig mög⸗ lichen Träger der Verſicherung gegen Arbeitsloſigkeit. Und wenn man weiß und anerkennen muß, welche großen Leiſtungen ſowohl die „freien“ Gewerk⸗ ſchaften wie auch die anderen Berufsvereinigungen auf dem Gebiete der Bekämpfung der Arbeitsloſig⸗ keit Jahr für Jahr ſeit langer Zeit ſchaffen, welche ungeheuren Mittel ſte für dieſen Zweck aufbringen, ſo muß man zugeſtehen, daß ſie wirklich ſehr be⸗ achtenswerte Träger der Bekämpfung der Arbeits⸗ loſigkeit ſind und daß die Kommunen ihnen wohl zur Seite ſtehen dürften. Aber Sie haben in Ihrer Sitzung vom 22. Mai d. I. mit 33 gegen 20 Stimmen nun einmal beſchloſſen, den Ihnen vom Magiſtrat und von der zur Bekämpfung der Arbeitslofigkeit eingeſetzten gemiſchten Deputation empfohlenen Weg nicht zu gehen und aus den Vorſchlägen, die Ihnen damals gemacht waren, gerade das weſentlichſte aus⸗ zumerzen, nämlich die von Berufsvereinigungen im Falle der Arbeitsloſigkeit Unterſtützten noch mit einem ſtädtiſchen Zuſchuß zu verſehen. Die Zähigkeit des Magiſtrats iſt anerkennenswert, daß er trotz Ihres Beſchluſſes und trotz ſeiner damaligen, ſchriftlich wie mündlich abgegebenen Erklärungen immerhin noch mit dem Reſt der damaligen Vorlage an Sie heran⸗ tritt und ihn zur Einrichtung empfiehlt. Sie erinnern ſich, daß in der Ihnen nach langen, man kann ſagen, beiſpiellos langen und eingehen⸗ den Beratungen von der gemiſchten Deputation zur Dezember 1912 433 Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit und vom Magiſtrat empfohlenen Vorlage drei Wege kommunaler Förde⸗ rung vorgeſchlagen waren. Es ſollten durch einen ſtädtiſchen Zuſchuß erſtens diejenigen unterſtützt wer⸗ den, welche ſich durch Sperrung eines Sparguthabens bei der ſtädtiſchen Sparkaſſe verpflichten, in Zeiten der Arbeitsloſigkeit beſtimmte Beträge von dieſem ge⸗ ſperrten Guthaben abzuheben. Es ſollte zweitens eine Arbeitsloſenkaſſe gegründet werden, bei der ſich jeder gegen einen beſtimmten laufenden Beitrag verſichern könnte, und es ſollte ihm dann das Recht verliehen ſein, im Falle der unverſchuldeten Arbeitsloſigkeit eine ſtädtiſche Leiſtung zu erhalten. Es ſollte drittens — und das war, wie geſagt, damals das Rückgrat der Magiſtratsvorlage — denjenigen Arbeitslos⸗ gewordenen, die bei Berufsvereinigungen verſichert und im Falle der Arbeitsloſigkeit unterſtützt werden, von der Stadt ebenfalls ein Zuſchuß gewährt werden. Von dieſen drei Teilen der damaligen Vorlage iſt der erſte, der der Unterſtützung von Sparern, die ſich zu einer Sperrung ihres Sparguthabens bis zum Falle der Arbeitsloſigkeit verſtehen wollten, geſtrichen worden. Es iſt das übrigens ebenfalls ein Teil des „Genter Syſtems“, der aber niemals Bedeutung ge⸗ wonnen hat; er iſt nirgends zu einer beſonderen Blüte gelangt und iſt nur eine beſcheidene Appendir des ſogenannten Genter Syſtems geblieben, deſſen Hauptweſen darin beſteht, die Mitglieder derjenigen Berufsvereinigungen, die gegen Arbeitsloſigkeit ver⸗ ſichern, zu unterſtützen. Der Magiſtrat hat deswegen in dieſer neuen Vorlage von der Unterſtützung der Sparer ganz Abſtand genommen. Es würde ja ein kleines ſein, wenn die Kaſſe von Ihnen heute kon⸗ ſtituiert und ſie einigen Beſtand haben ſollte, nach Jahr und Tag, nach kürzerer oder längerer Zeit dieſe Spareinrichtung aufs neue wieder einzufügen. Den zweiten Weg, den der Gründung einer Arbeitsloſenkaſſe, haben Sie jetzt in einem neuen Ver⸗ ſuch hier vor ſich, und zwar ganz in dem Sinne, wie er damals von der Majorität der Stadtverordneten⸗ verſammlung am 22. Mai d. I. empfohlen worden war, und von dem dritten, den Sie damals aus⸗ gemerzt haben, mußte der Magiſtrat eben Abſtand nehmen, obwohl er, wie geſagt, ihn wiederholt als den weſentlichſten bezeichnet hatte. In der Sitzung vom 22. Mai äußerte der Dezernent des Magiſtrats, Herr Stadtrat Spiegel, der Magiſtrat würde nicht zuſtim⸗ men können, wenn ſich die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung im Sinne der Abweiſung der Unterſtützung ent⸗ ſcheiden ſollte, und der damalige Bürgermeiſter Mat⸗ ting erklärte, das ganze Problem würde der Magiſtrat für geſcheitert halten müſſen. Dennoch hat ſich der Magiſtrat doch dazu verſtanden, Ihnen heute aufs neue dieſe Vorlage zu unterbreiten, die man von jenem Standpunkt aus als einen Rumpf bezeichnen muß, aber die doch immerhin ein Ver ſuch iſt, ſeitens der Kommune auf dem Gebiete der Arbeits⸗ loſenverſicherung einen Weg einzuſchlagen. Ich will den Verſuch, wie ich ſchon eingangs ſagte, nicht bekämpfen, wenn ich mir auch herzlich wenig von ſeinen Erfolgen verſpreche. Denn, meine Herren, eine ſolche Arbeitsloſenkaſſe, die lediglich auf dem Beitritt von Selbſtverſicherern beruht, hat bis⸗ her nirgends rechtes Leben gewinnen können, und ſie bringt große Gefahren mit ſich, weil nicht zu ver⸗ kennen iſt, daß gerade diejenigen Riſiken, die man als ſchwierig und ſchlimm anſehen muß, bei einer ſolchen Kaſſe am eheſten Zugang ſuchen. Gerade diejenigen, für die z. B. die freien Gewerkſchaften Verſicherungs⸗