434 möglichkeiten gar nicht geben — es handelt ſich hier beſonders um die Bauſaiſonarbeiter, die in der Regel einen Teil des Jahres unverſchuldet arbeitslos ſind, weil ihnen klimatiſche Einflüſſe die Arbeit nicht ge⸗ ſtatten, und die deswegen als ſchwierige Riſiken für eine ſolche Verſicherung gelten —, kommen in eine ſolche Kaſſe am eheſten hinein, und man hat bei dem Beiſpiel der Cölner Kaſſe am eheſten geſehen, daß ſie allein auf einer ſolchen Baſis nicht hat beſtehen können und gewöhnlich die Stadt zu unerwartet großen Zuſchüſſen veranlaßte. Nun wird man ſagen, daß § 4 der Ihnen vor⸗ gelegten Satzung ja eine Bürgſchaft gegen einen Miß⸗ brauch dieſer Sache gibt, weil er als generelle Voraus⸗ ſetzung für jeden ſolchen Verficherten den Nachweis verlangt, daß er die letzten zwei Jahre mindeſtens je 48 Wochen gearbeitet hat, d. h. alſo, in den zwei letz⸗ ten voraufgegangenen Jahren faſt gar nicht arbeits⸗ los geweſen iſt. Trotzdem würde gerade bei der Be⸗ ründung einer ſolchen Kaſſe durch die Stadt die öglichkeit eines Mißbrauchs — für mich iſt das zweifellos — ſich ohne weiteres ergeben. Laſſen Sie die Kaſſe heute begründet ſein oder — ich muß, um das Beiſpiel recht bezeichnend darzuſtellen, einen an⸗ deren Zeitpunkt wählen — laſſen Sie ſie im März nächſten Jahres in Geltung treten, ſo können ſofort eine Anzahl Bauarbeiter im April nächſten Jahres beitreten, den ganzen Sommer zahlen, und Sie ſind dann beim Beginn des Winters nach Lage der Be⸗ ſtimmungen vollkommen berechtigt, beieintretender Ar⸗ beitsloſigkeit von der Stadt zu verlangen, daß in der Zeit der Arbeitsloſigkeit die Unterſtützungspflicht der Stadt eintritt, obwohl ſie in den früheren Jahren je 48 Wochen gearbeitet haben. Alſo iſt ſage, daß ſich ſolche Arbeitsloſenkaſſen bisher nirgends haben halten können. In Leipzig iſt eine eingegangen, in Cöln hat eine mit großen Schwierigkeiten beſtanden; Verſuche ſind im ganzen ſehr wenig gemacht worden. Die Magiſtratsvorlage will trotzdem Ihrem Wunſch entſprechend dieſen Weg beſchreiten. Die Stimmung gegen die Beteiligung der Berufsvereinigungen iſt vielfach ſo ſtark, daß es Stimmen unter ihnen gibt es ſind mir ſolche zu Ohren gekommen — welche direkt die Mitgliedſchaft denen verſagen wollen, die bei einer Berufsver⸗ einigung überhaupt ſchon eine Verſicherung gegen Ar⸗ beitsloſigkeit genießen, welche alſo eine volle Ausſper⸗ rung derjenigen etablieren wollen, die bereits für Selbſthilfe geſorgt haben. Ein anderer Teil von Ihnen nimmt am § 12 Anſtoß, der eigentlich nur ein Beiſpiel für die Geſamtwerſicherung darſtellt. Die „Geſamtwerſicherung“, von der die Artitel 9 bis 14 handeln, ſoll der Stadt die Möglichkeit geben, neben den einzelnen Beitretenden auch Betriebe mit ihrem ganzen Arbeiterkontingent in dieſe Arbeits⸗ loſſenkaſſe aufzunehmen. Geſchähe dies nicht, ſo würde die Arbeitsloſenkaſſe von vornherein noch mehr in Gefahr kommen. Sie kann überhaupt nur einigen Beſtand gewinnen, wenn ſich die Vermutung bewahr⸗ heiten ſollte, daß eine größere Anzahl von Unter⸗ nehmern mit einer größeren Ziffer von Arbeitern in dieſe Kaſſe als Geſamtverſicherung eintritt und ihr ein gewiſſes Rückgrat verleiht. Nur als ein Spezialfall einer ſolchen Geſamwerſicherung iſt Artikel 12 gedacht, allerdings als ein wichtiger. Die Geſamtverſicherung wird, wie Ihnen ja be⸗ kannt iſt und wie auch aus Artikel 12 hervorgeht, gegen einen geringeren Beitrag als denjenigen, der Sitzung vom 4. Dezember 1912 von jedem einzelnen Verſicherten zu leiſten iſt, ge⸗ währt, hat aber bei § 12 auch eine geringere ſtädtiſche Leiſtung zur Folge. Während ſonſt ein Arbeiter pro Woche, und zwar mindeſtens 6 Monate hindurch, 25 Pfennig zahlen muß, um das Recht auf Arbeits⸗ loſenverſicherung zu erlangen, wird den Berufs⸗ vereinigungen geſtattet, eine Geſamtverſicherung ein⸗ zugehen, wenn 10 § pro Kopf und Woche gezahlt werden. Aber während den Arbeitern, die fch als Einzelmitglieder in die Kaſſe aufnehmen laſſen, im Falle der Arbeitslofigkeit 1,50 ℳ pro Tag von der Stadt gewährt wird, erhalten die Mitglieder der Be⸗ rufsvereinigungen dann nur 75 5, alſo genau die Hälfte. Immerhin würde die Hälfte von 25 5 12,5 § ſtatt 10 § betragen, und man kann ſagen, daß dieſer Nachlaß von 2,5 „ pro Kopf die er⸗ höhte Kontrolle reichlich wert iſt, die von den Gewerkſchaften bei den Arbeitsgenoſſen ſelber aus⸗ geübt wird. Das iſt etwas, was die Stadt durch die ſonſt üblichen Kautelen: durch das tägliche Melden des Arbeitsloſen im Arbeitsnachweisbureau, wo er ſich nach Arbeit erkundigen muß, lange nicht in dem Maße gewährleiſten kann, wie es durch die Kontrolle der eigenen Arbeitsgenoſſen geſchieht, die genau wiſſen, ob der Betreffende wirklich unverſchuldet in Arbeitsloſigkeit geraten iſt. Dieſe geſteigerte Kon⸗ trolle iſt gewiß den geringen Nachlaß wert. Des⸗ wegen kann ich nicht einſehen, daß, wenn man ſich dieſer Kaſſe überhaupt geneigt zeigt, man nicht ge⸗ rade der Geſamtverſicherung beſonders ſympathiſch gegenübertritt und auch den Berufsvereinigungen den Zutritt für diejenigen ihrer Arbeiter geſtattet und er⸗ leichtert, für die ſie überhaupt eine Arbeitsloſen⸗ verſicherung in Anſpruch nehmen. Nun, meine Herren, ich will auf die einzelnen Paragraphen, obwohl es ihrer viele ſind, nicht ein⸗ gehen; ich halte es auch nicht für erforderlich, daß Sie die Sache erſt an einen Ausſchuß verweiſen, was man ja ſonſt bei paragraphenreichen Vorlagen für richtig zu halten pflegt. Denn alle die Paragraphen, die Sie hier ſehen, ſind Ihnen aus der früheren Vor⸗ lage wohl bekannt; ſie ſind nur eben bloß auf den Re ſt der Ideen, die in der früheren Vorlage ver⸗ körpert waren, zugeſtutzt. Sie ſind aen wörtlich die⸗ ſelben geblieben, dieſelben Vorſichtsmaßregeln kehren mit dem gleichen Wortlaut wieder; ſie bedürfen alſo keiner eingehenden Beratung. Neu iſt haupt⸗ ſächlich, daß in die Geſamtverſicherung als Spezial⸗ fall die Verſicherung der Mitglieder von Berufsver⸗ einigungen hineingenommen worden iſt. Ich ſtehe, wie ich Ihnen ſagte, der Vorlage relativ kühl gegenüber. Trotzdem meine ich, daß es berechtigt iſt, einen Verſuch zu machen, wenn man als Kom⸗ mune überhaupt noch darauf eingehen will. Und wenn Sie die Unterſtützung nach dem Genter Syſtem zurückgewieſen haben, ſo iſt der hier vorgeſchlagene Verſuch immerhin noch gangbar, und man darf hoffen, daß er in Zukunft vielleicht ausbaufähig iſt. Es ſind der Stadtverordnetenverſammlung ſeit Eingang der Vorlage zwei Petitionen zugegangen, die ich bei dieſer Gelegenheit kurz erwähnen möchte; eine unter dem 28. Oktober vom „Sozialpolitiſchen Ausſchuß der Kreisvereine Groß⸗Berlin im Verbande deutſcher Handlungsgehilfen“ und vom „Charlotten⸗ burger Kreisverein im Verbande deutſcher Handlungs⸗ gehilfen zu Leipzig“, eine Petition, die im weſent⸗ lichen bedauert, daß die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung nicht den Weg gegangen iſt, den Magiſtrat und Deputation Ihnen damals vorgeſchlagen haben, und welche aufs neue Abänderungsmaßnahmen in dieſem