Sitzung vom 4. Sinne vorſchlägt. Ich empfehle, dieſe Petition dem Magiſtrat als Material zu überweiſen. Das Gleiche möchte ich mit einer zweiten Peti⸗ tion, die am 2. Dezember an uns gelangt iſt, tun, die wohl in Ihrer aller Händen iſt. Sie geht vom „Ver⸗ bande deutſcher Handlungsgehilfen, Geſchäftsſtelle Berlin“ aus. Sie enthält beachtenswerte Geſichts⸗ punkte, bedauert in der Hauptſache aber auch, daß Sie nicht den Weg betreten haben, der Ihnen damals vom Magiſtrat vorgeſchlagen worden iſt. Sie hebt gleichfalls hervor, wie Sie lediglich die ſchlimmſten Rifiken in dieſe Kaſſe bekommen, und erbittet, daß man, wenn dieſe Kaſſe trotzdem in der Weiſe ge⸗ ſchaffen wird, doch wenigſtens den organiſterten Ar⸗ heitern, d. h. denjenigen, die ſchon Mitglieder von Berufsvereinigungen ſind, welche gegen Arbeitsloſig⸗ keit überhaupt verſichern, ebenfalls zu einem billige⸗ ren Preiſe, alſo für 10 , den Beitritt geſtattet. Ich empfehle, auch dieſe Petition dem Magiſtrat als Material zu überweiſen. Stadtv. Dr Rothholz: In Konſequenz unſerer früheren Abſtimmung zu demſelben Gegenſtande kann ich im Namen der Majorität meiner Freunde erklären, daß wir der Magiſtratsvorlage zuſtimmen. Wir ſind der Anſicht, daß der Magiſtrat mit der alten Vorlage eigentlich ganz denſelben Effekt erreicht hätte wie mit der heutigen; denn infolge der Artikel 9 und 10 hätte er auf Grund der Zuſatzverſicherung das Ziel erreichen können, das er durch die Hineinarbei⸗ tung der Zuſatzverſicherung in die heutige Vorlage zu erreichen ſtrebt. Es war ihm auch nach der alten Vorlage geſtattet, mit den Gewerkſchaften und mit den Arbeitgeberr Geſamtverſicherungen abzu⸗ ſchließen, die dieſelben Bedingungen hätten enthalten können, wie ſie in der Zuſatzverſicherung getroffen ſind. Derſelben Anſicht war auch die gemiſchte De⸗ putation, der dieſe Vorlage vorgelegen und bei der ſie einſtimmige Annahme gefunden hat. Eigenartig berührt aber bei dieſer Vorlage das Verhalten der Herren Kollegen von der Sozialdemokratie. Ich mache auf einen Vorgang aufmerkſam, der hier ge⸗ legentlich der Teuerungsvorlage von Herrn Hirſch zur Sprache gebracht wurde. Damals hat Kollege Hirſch darauf hingewieſen, daß einzelne liberale Herren bei dieſer Kommiſſion gefehlt und dadurch einen Vorſchlag bezüglich Gewährung der Teuerungs⸗ zulagen zu Falle gebracht hätten. Bei dieſer ganz wichtigen Vorlage aber haben die Sozialdemokraten gefehlt. Ich möchte ihnen nun nicht, dem Beiſpiele des Kollegen Hirſch folgend, vorwerfen, daß ſie die ganze Angelegenheit etwa dilatoriſch behandeln woll⸗ ten. Aber eigentümlich kommt es mir doch vor, daß, nachdem dieſe Vorlage zweimal der gemiſchten Depu⸗ tation vorgelegen hat, nachdem ſie zunächſt in einem Ausſchuß und dann hier zweimal ſtundenlang be⸗ raten worden iſt, nachdem man alſo annehmen ſollte, daß der Gegenſtand genügend von allen Seiten be⸗ leuchtet worden ſei, Herr Kollege Zietſch in der vori⸗ gen Sitzung angekündigt hat, die Vorlage ſei ſo wichtig, daß ſie vollſtändig und ganz genau durchbe⸗ raten werden müſſe. Ich gebe die Wichtigkeit zu; aber wenn die Vorlage ſo wichtig war, dann war es meines Erachtens doch die Pflicht der Sozialdemo⸗ kratie, auch in der gemiſchten Deputation vertreten zu ſein und eventuell Gegengründe gegen die Vor⸗ lage vorzubringen, was aber nicht geſchehen iſt. Ich komme nun auf die Verhandlungen zurück, wie ſte vor einigen Wochen über die Vorlage ſtattge⸗ funden haben. Die Herren Sozialdemokraten konn⸗ Dezember 1912 435 ten ſich nicht genug tun, eine ganze Reihe von Auto⸗ ritäten aufmarſchieren zu laſſen, die ſich lobend über die Gewerkſchaften ausſprachen. Dieſe Art und Weiſe des Vorgehens kommt mir ſo vor, wie wenn jemand ein Heilmittel anpreiſt und dabei die Namen der, Aerzte angibt, die es empfehlen. Bei uns liegt meines Wiſſens gar kein Grund vor, die Gewerkſchaften als ſolche herunterzuſetzen. Ich für meine Perſon ge⸗ ſtehe gern zu, daß die Gewerkſchaften auf manchen Gebieten ganz Vortreffliches geleiſtet haben, und ich geſtehe auch ganz gern zu, daß ſie auf dem Gebiete der Arbeitsloſenfürſorge oder der 02 4. 4 ſicherung Erfolge aufzuweiſen haben. Aber die Sozial⸗ demokratie hat mit ihrer Entgegnung nicht im ge⸗ ringſten die von uns aufgeſtellten Behauptungen entkräftet. Hier im Saale wurde behauptet: Die Ge⸗ werkſchaften ſind die Kerntruppe der Sozialdemo⸗ kratie, ſie ſind Partei, und zwar gehören ſie der ſo⸗ zialdemokratiſchen Partei an; und ich glaube, unter den ganzen Autoren, deren Ausſprüche hier als Beleg angeführt wurden, gibt es keinen einzigen, der ſich etwa auf den Standpunkt ſtellte: Die Gewerkſchaften ſind nicht die Kerntruppe der ſozialdemokratiſchen Partei. Es wird nur ausgeführt — und auf dem Standpunkt ſtehe ich auch —: Die Gewerkſchaften haben auf vielen Gebieten ganz Gutes geleiſtet (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Hervorragendes!) — oder auch Hervorragendes geleiſtet; das gebe ich Ihnen gern zu. Was nun die Arbeitsloſenverſicherung anbe⸗ trifft, ſo habe ich ja ſchon in meinen früheren Aus⸗ führungen angedeutet, daß die Gewerkſchaften auf dem Gebiete der Arbeitsloſenfürſorge Leiſtungen auf⸗ zuweiſen haben. Ich machte aber darauf aufmerk⸗ ſam: die Gewerkſchaften können das Problem der Ar⸗ beitsloſenfürſorge keinesfalls zur vollſtändigen Löſung bringen, und zwar aus folgenden Gründen. An und für ſich iſt in den Gewerkſchaften nur ein verhältnis⸗ mäßig kleiner Teil von Arbeitern organiſtert; die organiſierten Arbeiter bilden immer nur einen kleinen Ausſchnitt der deutſchen Arbeiterſchaft. In Deutſchland gibt es 16 Millionen Arbeiter, und da⸗ von iſt nur ein verhältnismäßig kleiner Prozentſatz organiſiert. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: 2½ Millionen ſind organiſiert!) — Von 16 Millionen; rechnen Sie ſich den Prozent⸗ ſatz aus. Das iſt doch nur ein ganz kleiner Bruchteil. (Erneuter Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — Meine Herren, das können Sie ja nachher vor⸗ bringen. — Aber ſelbſt von den Arbeitern, die gewerk⸗ ſchaftlich organiſiert ſind, iſt verhältnismäßig nur ein kleiner Teil gegen Arbeitsloſigkeit verſichert, und die Folge davon iſt, daß die Gewerkſchaften gar nicht in der Lage ſind, für das Gros der Arbeiter, der Arbeiterbevölkerung eine Arbeitsloſenverſicherung durchzuführen. Denn das iſt mein Standpunkt, den ich immer vertreten habe, nicht aus Feindſchaft gegen die Gewerkſchaften, ſondern aus Freundſchaft für die Arbeiter: eine Arbeitsloſenverſicherung läßt ſich, wie auch in England, nur vom Staate durchführen, und kann der Staat das nicht machen, ſo müſſen eben die Kommunen dafür eintreten und Inſtitutionen ſchaffen, die zweifellos unabhängig ſind, denen man